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Skandinavisches Design - Von Eiern und Schwänen

Schlichtheit und Eleganz, Sachlichkeit und Experimentierfreude, gleichzeitig dezent und präsent: In der Überwindung dieser scheinbaren Gegensätze liegt die Stärke der Entwürfe, die unter dem Namen skandinavisches Design seit den 1950er Jahren weltweit Beachtung finden. In der zweiten Folge der Podcastreihe "Living is easy" erkundet detektor.fm-Reporter Claudius Nießen die Besonderheiten des skandinavischen Designs. Hören Sie hier im Podcast, warum das Design aus dem Norden so zeitlos populär ist:

Wohnfreuden bei den nördlichen Nachbarn: Skandinavisches Design als stilsichere Einrichtungslösung

Fritz Hansen, einer der größten Hersteller von skandinavischen Designs, setzt auf organische Formen

Bei einem Besuch in Dänemark oder Schweden fällt sie schnell ins Auge, die auffällige Präsenz guten Designs bei unseren nördlichen Nachbarn. Oft sind es funktionale und zugleich schöne Möbel sowie Accessoires, die skandinavische Innenräume zu alltagstauglichen Lebensräumen machen und en passant ästhetische Bedürfnisse befriedigen. Schlichtheit und Eleganz, Sachlichkeit und Experimentierfreude, Dezenz und Präsenz: In der Überwindung dieser scheinbaren Gegensätze liegt die Stärke der Entwürfe, die unter dem Label "skandinavisches Design" seit den 1950er Jahren weltweit Beachtung finden - und vor allem Verbreitung, wie die Omnipräsenz von Designs wie Poul Henningsens Lampe PH Artichoke, Alvar Aaltos Hocker 60 oder Arne Jacobsens Serie 7 Stuhl beweist.

Hans J. Wegners Bekenntnis zur Tradition

Nach dem 2. Weltkrieg etablierten sich die skandinavischen Länder als führende Größen in Sachen Design: Sanfte, organische Formen lösten die kantige Strenge und Orthogonalität der Klassischen Moderne ab und bedienten nach den traumatischen Ereignissen des Krieges offenbar ein Bedürfnis nach harmonischer Gestaltung. "Technisch gab es nichts Neues an unserer Arbeit", beschreibt Hans J. Wegner - dessen Möbel der sanfte Schwung auszeichnet - die Anknüpfung an traditionelle Handwerkstechniken: Holz statt Stahlrohr, traditionelle Fertigungsmethoden statt schnellen Zusammenschweißens. Besonders Dänemark, aber auch Finnland punktete so zu Beginn der 1950er Jahre mit zeitlos-klaren Entwürfen, die hervorragend verarbeitet sind. Bei der Mailänder Triennale 1951 gingen die meisten Medaillen an Finnland, die Ausstellung "Design in Skandinavien" reiste von 1954 an drei Jahre durch die Staaten und Kanada: Skandinavien rückte in den Fokus der Designwelt.

Tulip Chairs von Eero Saarinen

Alvar Aalto, Eero Saarinen und die finnische Einheit von Mensch und Umgebung

Ganz im Zeichen des organischen Modernismus steht die Entwicklung des skandinavischen Designs in Finnland, wie es nach dem 2. Weltkrieg von sich reden machte. Die dynamischen, organisch abgerundeten Entwürfe unterstreichen die Einheit des Menschen mit seiner Umgebung. Dabei spielt erwartungsgemäß der Werkstoff Holz eine Rolle, etwa in den formal reduzierten Designs Alvar Aaltos, der ab 1940 am renommierten Massachusetts Institute of Technology Architektur lehrte. Eero Saarinen dagegen, ebenfalls berühmter Architekt (etwa des TWA-Terminal des J. F. Kennedy Airports in New York) und zugleich Gestalter finnischer Designikonen, erweiterte die Materialspanne und experimentierte freimütig mit Kunststoff. Regelrecht zum Markenzeichen wird das künstliche Material bei Eero Aarnio, der mit humorvoll-skulpturalen Entwürfen aus Acryl, Fiberglas oder Plastik wie dem unverkennbaren Ball Chairesigngeschichte schrieb.

Swan Chair und Egg Chair von Fritz Hansen

Verner Panton auf Abwegen: Warum schlicht, wenn es auch bunt geht?

So gar nicht skandinavisch sehen die Entwürfe Verner Pantons aus. Manch einen mag es überraschen, dass der Panton Chair auf einen Dänen zurückgeht - so unholzig und unsachlich, wie dieser Evergreen daherkommt, würde man ihn vielleicht eher in Italien verorten, wo beim Mobiliar die Lebensfreude gern mal in Kunststoff gegossen wird. Nichtsdestotrotz ist dieser Entwurf das Resultat einer zunächst sehr dänischen Laufbahn: Verner Panton studierte an der Königlichen Kunstakademie in Kopenhagen und arbeitete im Architekturbüro von Arne Jacobsen. Dieses verließ er allerdings nach zwei Jahren, um von 1952 bis 55 mit dem VW-Bus durch Europa zu reisen. In seinem eigenen Studio entstanden schließlich erste Entwürfe aus Kunststoff in psychedelischen Knallfarben, die das Charakteristikum Verner Pantons wurden - konsequent im Interieur des ehemaligen Spiegel-Verlagshauses in Hamburg umgesetzt. 1963 kehrte Panton Dänemark den Rücken und siedelte nach Basel über.

Bis heute über Louis Poulsen erhältlich und der Klassiker hinter dänischen Fenstern - die PH 5 vom Dänen Poul Henningsen

Hay: Zeitgenössisches skandinavisches Design

Spricht man über Möbel aus Skandinavien, darf der 2002 gegründete dänische Hersteller Hay keinesfalls unerwähnt bleiben - hat er sich doch auf die Fahnen geschrieben, das, was man unter "skandinavischem Design" versteht und schätzt, zu fördern und im zeitgenössischen Kontext neu zu beleben. Explizit die innovative Größe der 1950er und -60er Jahre soll dabei neu in Designs übersetzt werden, die seriös und zudem bezahlbar sind, denn auch das ist ein Punkt: Hay will keine Statussymbole kreieren, sondern alltagstaugliche Möbel wie die Stücke der About A Chair Kollektion von Hee Welling. Der 1974 geborene Däne ist eines der jungen Designtalente, dessen Ideen Hay mit Hilfe neuer Technologien und Materialien umsetzt. Als Vertreter einer neuen Generation knüpft Welling unverkennbar an die skandinavische Designtradition an - etwa mit den pfiffig reduzierten, weichen Formen des AAC 22 - und schafft zugleich etwas ganz Neues.

Hochwertige Verarbeitung macht den Carl Hasen Holzstuhl CH24 zum allzeit beliebten Designerstück aus Skandinavien

Schönheit für alle: Gutes Design in Massen

Mit der reduzierten, dabei jedoch weichen Formensprache, die natürlichen Materialien Leben einhaucht, etablierte sich skandinavisches Design nach dem 2. Weltkrieg weltweit. Die Reduktion auf die reine Form in Kombination mit traditionellem Handwerk wird in den Folgegenerationen beibehalten, jedoch nicht dogmatisiert. Verspieltheit, Schwung und auch eine gewisse Extravaganz lassen wie bei Eero Saarinens Tulip Stuhl deutlich den Einfluss des organischen Modernismus amerikanischer Prägung erkennen. Zugleich entwickelte sich vor dem Hintergrund der speziellen skandinavischen Form der Sozialdemokratie und dem Ideal einer egalitären Gesellschaft die Maxime, funktional-schönen Produkten zu allen Haushalten Zugang zu verschaffen. So ist es kein Zufall, dass sich skandinavisches Design nicht nur durch traditionelles Handwerk, sondern schließlich auch durch Massenproduktion manifestierte.

Auch das String Pocket Regal ist ein Klassiker des Skandinavischen Designs

Vom Ei zum Schwan zu Arne Jacobsens Interieur im SAS Hotel

Der Schwan, Das Schwan Sofa, die Serie 3300 und Das Ei: Längst sind diese skandinavischen Designs - heute allesamt über Fritz Hansen vertrieben - zu Möbelklassikern avanciert. Entstanden sind sie im Rahmen eines Projektes, das aufgrund umfassender Renovierungsarbeiten in den 1980er und -90er Jahren nunmehr als verlorenes Gesamtkunstwerk des dänischen Architekten und Designers Arne Jacobsen betrachtet wird: das SAS Hotel in Kopenhagen. Beeinflusst vom Bauhaus entwarf Jacobsen hier zwischen 1956 und 60 für die gleichnamige Fluggesellschaft ein funktionales Gebäude inklusive Einrichtungskonzept von Möbeln bis Textilien. Neben den genannten Stücken des Interieurs zeugt auch Die Ameise, ein absoluter Designklassiker aus gebogenem Schichtholz, von Jacobsens Naturverbundenheit, wie sie sich in den formalen Bezügen und Titeln seiner Entwürfe ausdrückt. Außerdem erwähnenswert in diesem Kontext: Die Arne Jacobsen Lampen, deren skandinavisch puristische Designs heute von Louis Poulsen vertrieben werden.

Der Rebell der skandinavischen Schule: Verner Panton setzte seine klassisch dänische Ausbildung in so unkonventionellen Designs wie dem Panton Chair um

Und überall Lampen von Poul Henningsen

Sei es die skulpturale Artichoke oder die schlichtere PH Leuchte - die Lampen von Poul Henningsen sind allgegenwärtige Klassiker des skandinavischen Designs und stehen exemplarisch für dessen gute Eigenschaften. Alltagstauglich schön, puristisch sanft, zugänglich elegant: Eine Lampe wie die PH 5 kann man sowohl über einen gemütlichen Küchentisch hängen als auch in eine Galerie, eine Schule oder sogar eine Kirche, denn Poul Henningsen ist es gelungen, eine zeitlose Formensprache zu finden, die interessant und dezent zugleich ist. Der 1894 geborene dänische Designer und Architekt (und als Herausgeber des politischen Magazins Kritisk Revy zugleich bedeutende Person des öffentlich-kulturellen Lebens in Dänemark) arbeitete seit 1925 bis zu seinem Tod 1967 mit dem Hersteller Louis Poulsen zusammen, über den die Henningsen Leuchten bis heute erhältlich sind.

Modernes Design von Hay: die Palissade Kollektion

Hygge – die skandinavische Gemütlichkeit

Hygge ist das kleine große Glück der Dänen, das Kaminfeuer an einem grauen kalten Tag, der lange Waldspaziergang, das hübsche Holzhaus genau dort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Die Liste kann wohl endlos fortgesetzt werden. Möbel, die jenen Optimismus fördern, die gute Laune schaffen und einfach beim Ansehen, fühlen oder hinsetzen ein wohliges Gefühl zaubern, gehören zum Hygge Trend, zu jener Sehnsucht nach dem Glücklichsein, dazu. Und die Skandinavier sind berühmt dafür, auch wenn das Wort ‚hygge‘ aus dem Norwegischen stammt, aber mittlerweile in Dänemark in Einrichtung und Design sowie als Lebensgefühl verankert ist. Die Norweger sagen dazu eher ‚koselig‘.

Hygge in Perfektion. Gemütliche Leichtigkeit in Materialien, Farben, Lebendigkeit und Harmonie bei Muuto

Möbel von Skagerak, Muuto oder Carl Hansen & Son wirken nie gekünstelt oder verschnörkelt – sie fungieren als funktionale Ruhepole. In ihren langlebigen Designs kommen sie scheinbar auch nie aus der Mode. So gibt es die nachhaltig gefertigten Stücke in den schönsten Naturmaterialien immer wieder abgewandelt oder weiterentwickelt in neuen Farbnuancen oder mit neuer Funktionalität.

Jede Marke hat ihre eigene Handschrift, jedes Möbelstück ist nicht nur von beständiger Qualität als auch so oft geprägt vom Charakter eines Unikats, schließlich unterscheiden sich Holzmaserungen oder andere natürliche Beschaffenheiten voneinander.

Eines der pursten Materialien ist Holz. Wunderschön aufbereitet, in immer wieder neuen Farbnuancen lackiert, ist Holz charakteristisch im Hygge Stil der Skandinavier

Hygge ganz individuell

Hygge heißt auch, mit individuellen Wohndetails zu spielen. Die Vase mit den Sommerblumen auf dem Tisch oder das Accessoire im Regal, der bequeme Sessel in der Leseecke – die Dänen verstehen es, kleine Wohninseln zu schaffen, die ohne Schnörkel auskommen und doch gemütliche Geborgenheit ausstrahlen.

Der Ferm Living Shell Pot macht sich gut in Kombination oder als Einzelstück und spielt dabei auf die Natur an, die im Hygge Lebensstil eine große Rolle spielt

Das Schöne an den hochwertigen Designerstücken ist dabei, dass sie sich wunderbar weitervererben lassen, weil sie wortwörtlich zeitlos schön sind und bleiben. So wird einem schon allein deshalb einfach hygge ums Herz.

Einfach eine Tasse Kaffee genießen, der besonders in Dänemark mit Hygge assoziiert wird. Die Grashoppa Leuchte von Gubi schenkt das passende Licht

Wie richtet man sich hygge ein?

Hygge wohnen, bedeutet oft Weiß als Grundfarbe, kombiniert mit Beige- oder Erdtönen. Als Kontraste dienen dunkle Töne bis hin zum monochromen Schwarz-Weiß-Trend oder auch knallige Nuancen. Nordische Rautenmuster lassen sich ebenso gut kombinieren wie derbe Leinenstoffe oder andere natürliche Materialien. Kissen, Teppiche, Tabletts und Vasen sind genauso unerlässlich wie Kerzen, die in den nordischen Ländern inflationär verbraucht werden. Natürlich darf es auch ein anderer Grundton als das klischeehafte Weiß sein – ganz nach Belieben.

Strahlt Ruhe aus, das weiße Sofa zum Couchtisch Duke von Norr11

Hygge in der Einrichtung ist es beispielsweise, Möbel und Interior Accessoires in Formen und Farben aufeinander abzustimmen, große Räume mit funktionalen Wohninseln, wie Lese- oder Couchecken oder Essbereichen zu versehen und auf natürliche Materialien, wie Keramik, Holz, Leinen oder Wolle zu setzen, ergänzt um wohnliche Dekoration, wie Kerzenständer, Vasen, Aufbewahrungskörbe oder Pflanzen.

Absolut hygge: Die kleine Wohn-Insel, bestehend aus Egg Chair von Fritz Hansen, dem Blick in die Natur und etwas Zeit für sich selbst

Zum Hygge-Konzept gehört auch die Leichtigkeit, die man mit Freunden empfindet. Herrlich, wenn man mit ihnen essen, feiern und einfach zusammen sein kann, oder?

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