smow: Dann kommen wir gleich zum Konflikt. Es geht um den Übergriff von Le Corbusier auf Grays Haus. Wie haben Sie all die Fakten, Hintergründe und Abläufe recherchiert? Es gibt ja viele Legenden darüber, wie sich dieser Konflikt abgespielt haben könnte. Auch wir haben viele Versionen gefunden und uns für eine entschieden, die man bei smow nachlesen kann. Aber wie recherchiert man so etwas, dass man es auch als Film aufbereiten kann?
Beatrice Minger: Ja, das stimmt. Je nachdem, mit wem man spricht, bekommt man eine andere Version. Das gilt für die Biografie von Eileen Gray genauso wie für diese spezielle Geschichte.
Ich habe mit vielen „Grayanerinnen“ und „Le Corbusierinnen“ gesprochen, weil es mir wichtig war, nicht nur an der Oberfläche der Geschichte zu kratzen, sondern in die Komplexität der Geschichte einzutauchen. Im ersten Moment war ich sehr empört über das, was Le Corbusier gemacht hat, aber wenn ich versuche, es rational zu verstehen, ist es gar nicht so einfach. Schließlich hatte Eileen Gray das Haus schon verlassen, als Le Corbusier kam. Sie hatte das Haus Jean Badovici überlassen, der Le Corbusier einlud, die Wandmalereien zu machen. Viele argumentieren, dass es eigentlich gar nicht so schlimm sei, dass nicht so viel schief gelaufen sei. Und trotzdem spüre ich diese Empörung. Ich glaube, so geht es vielen Menschen mit diesem Konflikt.
Es ging nicht darum, Le Corbusier als Bösewicht und schlimmen Übeltäter darzustellen. Ich glaube, da sind wir schon einen Schritt weiter. Mir ging es um die Vielschichtigkeit des Konflikts, aber auch darum, für die Zuschauerin eine Erfahrung zu schaffen, die diesen Angriff physisch nachvollziehbar macht. Für mich war es die Aufgabe des Films, herauszufinden, wo wirklich eine Grenzüberschreitung stattgefunden hat und wo die künstlerische Integrität von Eileen Gray verletzt wurde. Und dann ging es natürlich darum, das Ganze filmisch so darzustellen, dass man dieser Vielschichtigkeit des Konflikts auch wirklich gerecht wird.