Abgesehen von der unvermeidlichen Verdichtung bereits realisierter Projekte war das Hauptthema der Mailänder Möbelmesse 2019 der wachsende Datenhunger der internationalen Möbelindustrie. Ein Thema, das uns sehr viel intensiver beschäftigt hat, als die Präsentationen der Stände. Dieser Datenhunger hat sich in Mailand 2019 in einem exponentiellen Anstieg der Hersteller niedergeschlagen, die potenzielle Standbesucher entweder vorab registrieren oder das Messeticket scannen wollten bzw. eine Visitenkarte verlangten, bevor man auf den Stand gelassen wurde. Allerdings ist hier weder Zeit noch Raum sich länger darüber aufzuregen. Wir werden jedoch später darauf zurückkommen, nicht zuletzt, weil das Ausmaß der Entwicklungen, die wir in Mailand 2019 erlebt haben, darauf hindeutet, dass sich neue Normen etablieren werden, und das ist nicht gut so.
Ansonsten waren die Mailänder Messehallen 2019 belebter und das Wetter kühler als in den Jahren zuvor. Verzweiflung und Freude standen allerdings so nah beieinander wie jedes Jahr. Uns mögen ein, zwei Juwelen entgangen sein, weil wir uns entschieden haben unsere Daten nicht weiterzugeben, was letztendlich dazu geführt hat, dass wir nicht an allzu vielen Ständen waren. In diesem Sinne also unsere smow High Five der Mailänder Möbelmesse 2019!
Treue Leser wissen, dass wir uns häufig über die Monotonie und Homogenität auf Möbelmessen beklagen. Dieselbe Beobachtung machte aber auch jemand anderes. In seinem 2015 erschienenen Buch „Swedish Design: An Ethnography“ beschreibt der Anthropologe Keith M. Murphy einen Besuch der Stockholm Furniture Fair sinngemäß mit den Worten: „Das Problem war, dass sich Vieles so sehr ähnelte und ich habe mich in der Ausstellung nur schwer zurechtgefunden.“ Später fügt er hinzu: „Es werden nicht verschiedene Arten von Objekten gezeigt, sondern viele Objekte derselben Art.“1 2006 wie 2019. Interessanterweise bemerkt er weiterhin, man könne sich dem Eindruck nicht entziehen, Schweden stehe unter einer Tyrannei einfacher Formen und kräftiger Farben. Heutzutage sind es wahrscheinlich eher Pastelltöne, aber naja …
Das passiert nicht nur in Stockholm, sondern überall, wo sich die Möbelindustrie versammelt. Natürlich gibt es dafür diverse Gründe, die hier den Rahmen sprengen würden. Die Konsequenz ist jedenfalls, dass es auf jeder Möbelmesse zwar viele ansprechende Objekte gibt, sich diese aber wiederholen, stets die gleiche Sprache sprechen und so schnell langweilig werden. Trotzdem gibt es auch Produkte, die etwas Interessantes zu sagen haben und das auch noch intelligent, eloquent und ansprechend. Möglicherweise haben wir einige Schätze verpasst oder nicht verstanden, aber hier kommen unsere High 5 der Stockholm Furniture Fair.
Auf der Mailänder Möbelmesse 2018 geht es (zumindest unter den eher designorientierten Herstellern) im allgemeinen um Konsolidierung, das heißt vor allem um neue Materialien, neue Farben, leichte Änderungen an bestehenden Objekten. Die eine oder andere Möbelfamilie präsentiert zudem stolz ihre neuesten Mitglieder. Kein Wunder, denn eine Mailänder Spezialität ist traditionell das Neue um des Neuen willen zu präsentieren – der Irrglaube man müsse jedes Jahr etwas Neues auf den Markt bringen. Das muss man nicht!
Man präsentiert etwas Neues, wenn man etwas Neues zu sagen hat, etwas beizutragen hat, das eine neue Bedeutung hat. Ein paar Projekte waren zu finden, die auch etwas Neues zu sagen haben, die etwas Neues, Sinnvolles beisteuern – wenn auch vielleicht gerade mal eine Handvoll. Sicherlich hätten wir ein weiteres Projekt hinzufügen können, um das Quintett vollständig zu machen. Einen Mangel an Kandidaten, aus denen wir hätten wählen können gab es nicht. Aber so wie wir nicht erwarten, dass die Hersteller etwas Neues, sondern um der Qualität willen veröffentlichen, so veröffentlichen wir auch nichts nur damit die Fünf vollständig sind…
Wie immer haben wir nicht alles gesehen, haben ohne Frage Sachen verpasst, die wir nicht hätten verpassen sollen – und bitten hierfür vorab um Entschuldigung. In diesem Sinne aber unsere „Mailänder Möbelmesse 2018: High Four!!“
Im Text „Die Kunst des Krieges“ des chinesischen Militärstrategen Sun Tzu heißt es:
Es gibt Straßen, die man nicht gehen soll.
Es gibt Armeen, die man nicht angreifen soll.
Es gibt Städte, die man nicht einnehmen soll.
Es gibt Gebiete, um die man nicht kämpfen soll.
Es gibt Befehle, die man nicht befolgen soll.
Wäre Sun Tzus Metier nicht die Kriegskunst, sondern Möbelmessen gewesen, hätte er mit Sicherheit hinzugefügt: Es gibt Objekte, die man nicht produzieren soll.
Die IMM Cologne 2018 ist voll mit solchen Produkten. Das ist nicht der Fehler der IMM; vielmehr ist das Problem in einer Industrie angesiedelt, die Utensilien für den menschlichen Bedarf liefert, Objekte die uns Tag und Nacht umgeben, unsere Abläufe, Sorgen, Triumphe und unsere zeitlich begrenzte Existenz begleiten. Nur tun sie das leider allzu oft nicht mit dem Ziel unsere direkte Umgebung zu verbessern, sei es in ästhetischer, funktionaler oder moralischer Hinsicht, sondern mit dem Ziel, Profit zu generieren. Das unausweichliche Resultat sind zahllose Marken, die alle verzweifelt versuchen unter Beweis zu stellen, dass sie genau das gleiche wie alle anderen machen können, dass sie alle in der Lage sind zu machen, was der Markt angeblich von ihnen verlangt. Und das obwohl uns George Nelson gelehrt hat: produziert nicht für einen vermeintlichen Markt, produziert für euch selbst. Eure Kunden werden euch finden. Und alle anderen sind nicht eure Kunden.
Wie gesagt, es ist nicht der Fehler der IMM. Die IMM ist eine der größten Plattformen der Möbelindustrie weltweit, und so sind die Besucher zwangsläufig mit einer sehr konzentrierten Menge an Unnötigem und Ungehörigem konfrontiert. Allerdings ist die Messe kein gänzlich seelenloses Potpourri aus faulen Appropriationen, es gibt auch Arbeiten, die demonstrieren woran uns Sun Tzu erinnert, und ganz egal was wir auch denken mögen, „Zorn kann sich Leidenschaft verwandeln“. Wie immer nehmen wir nicht für uns in Anspruch alles gesehen zu haben. Mit Sicherheit sind uns einige Schmuckstücke entgangen, oder es gibt wieder andere Projekte, die rückblickend einen Platz in unserer Liste verdient hätten, über die wir uns aber immer noch eine Meinung bilden müssen. Damit im Hinterkopf und in besonderer Reihenfolge – unser IMM Cologne 2018 High Five!
Wie die treuen Leser unseres Blogs sicher wissen werden, machen uns nur wenige Dinge so fertig wie die Möbelmesse Mailand. Jedes Jahr ist unser einziger Wunsch auf dem Weg über die Alpen, dass wir etwas finden werden, für das sich der Weg gelohnt haben wird. Die Möbelmesse Mailand 2017 hat sehr viel mehr solcher Momente hervorgebracht als üblich und so werden wir wohl auch im nächsten Jahr wieder dabei sein!
Unsere High Five der Mailänder Möbelmesse 2017!