Wir alle wissen, dass wir uns gesünder ernähren sollten, als wir es tun.
Wir alle wissen, dass verpackte Lebensmittel - gleich welcher Art - zu den heutigen Umweltproblemen beitragen.
Wir alle wissen, dass wir selbst mehr tun müssen, dass wir proaktiver und engagierter sein sollten, wenn es um Ernährung und Umwelt geht.
Aber das ist alles so kompliziert, so furchtbar schwierig, so unglaublich zeitaufwendig…
Aber ist es das wirklich?
„Second Season“ wurde von Ebba Lönn im Rahmen des Projekts „Earth 2 Earth“ an der Lund University School of Industrial Design als analoge Vorrichtung zur Herstellung von getrockneten Apfelringen entwickelt. Ein Gerät, mit dem sich wahrscheinlich auch andere Obst- und Gemüsesorten trocknen lassen.
Das Prinzip ist einfach: Feuchte Apfelringe - oder anderes geeignetes Obst oder Gemüse - werden auf Buchenholzstäbe gehängt und an einem warmen, sonnigen Ort getrocknet.
Wir fragen uns: Was ist daran so kompliziert, so schwierig, so zeitaufwendig?
Wir sehen hier in erster Linie getrocknete Obst- und Gemüsescheiben, die man im Winter als gesunden Snack genießen kann - ohne verarbeitete, transportierte und verpackte Lebensmittel kaufen zu müssen.
Und wir sehen auch einen spielerischen pädagogischen Effekt, der helfen könnte, unsere ungesunden Gewohnheiten in den nächsten Generationen zu ändern. Auch wenn es sicher mehr Zeit und gemeinsames Engagement braucht, um sie von den „elektronischen Äpfeln“ loszureißen.
Neben dem schlichten, überzeugenden Design - und der beeindruckenden formalen Umsetzung, die Ebba Lönn gelungen ist - hat uns an „Second Season“ besonders gefallen, dass es im Kontrast zu zahllosen anderen studentischen Projekten steht. Projekte, die darauf abzielen, die Europäer dazu zu bringen, Mehlwürmer und andere Insekten als Nahrungsmittel zu akzeptieren, die man sogar zu Hause züchten kann.
Wir bezweifeln stark, dass sich die Europäer jemals daran gewöhnen werden, Mehlwürmer zu essen, egal wie gut die Argumente dafür auch sein mögen. Getrocknete Früchte dagegen? Das können wir alle. Wir alle wollen es. Und wenn wir es erst einmal selbst gemacht haben, holen wir vielleicht auch endlich die Nudelmaschine aus der hintersten Ecke unseres Küchenschranks, anstatt weiterhin abgepackte Ware zu kaufen.
Second Season hat uns aber nicht nur als funktionales Objekt überzeugt, sondern auch als Diskurs zwischen Handwerk und Design, zwischen kommerziellem und offenem Design. Für uns gehört es nicht in den Konsumgütermarkt, sondern als Gemeingut in die Gesellschaft - mit der Einschränkung, dass natürlich letztlich Ebba Lönn als Urheberin über die Zukunft des Projekts entscheidet. Aber wir sehen in Second Season ein Objekt, das dem Gemeinwohl dienen soll. Ein Objekt, von dem die Gesellschaft profitieren kann.
Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie Design unser Verhalten beeinflussen kann - positiv wie negativ. Ob Möbel, Innenarchitektur, Textilien oder Küchenutensilien: Der entscheidende Unterschied zwischen Kunst und Design liegt in der Wirkung. Kunst kann inspirieren, provozieren und Debatten auslösen, aber ihre Wirkung bleibt indirekt. Design hingegen wirkt unmittelbar und direkt. Und genau daraus erwächst die Verantwortung der Designer - eine Verantwortung, die nicht alle so ernst nehmen, wie sie es sollten. Dann liegt es an uns allen, diese Lücke zu schließen.
Und damit zurück zum Buchenholz, das für „Second Season“ verwendet wurde. Dieses Material wurde ausgewählt, weil „Earth 2 Earth“ Teil des Projekts „Pro Bok“ ist - einer Initiative zur Förderung der Verwendung von schwedischer Buche in der schwedischen Industrie. Eine Initiative, die vielleicht nicht ganz unabhängig von der schwedischen Forstbehörde ist, die an „Pro Bok“ beteiligt ist und wahrscheinlich über große Buchenwälder verfügt.
Bei aller Skepsis und Einflussnahme gibt es auch positive Aspekte. Allerdings ignoriert die Initiative eine unbequeme Wahrheit: Die Buche ist besonders anfällig für den Klimawandel. Langfristig ist fraglich, ob die Buche als nachhaltiger Rohstoff eine Zukunft hat. Statt „Pro Bok“ könnte es bald heißen: „Ingen Bok“ - keine Buche.
Noch lässt sich diese Entwicklung aufhalten. Aber dazu müssen wir alle mehr tun - vor allem in den Bereichen Ernährung und Umwelt. Wir müssen weniger verpackte Lebensmittel konsumieren und uns gesünder ernähren.
Und genau darin liegt die doppelte Bedeutung von „Second Season“: Es ist sowohl eine Mahnung zum Handeln als auch ein Werkzeug, um aktiv zu werden.
Damit steht das Projekt exemplarisch für eine weitere wichtige Perspektive im Circular Design - eine Perspektive, die Designer nicht nur einnehmen können, sondern auch einnehmen müssen.
Mehr Informationen über Ebba Lönn finden Sie auf LinkedIn: @Ebba Lönn.
Mehr über „Earth 2 Earth“ und alle realisierten Projekte: https://lusid.se/earth-to-earth