Die Kölner Design Post war vermutlich eine der Institutionen, die von der diskutierten Absage der IMM Cologne 2025 besonders betroffen war.
Die Design Post befindet sich direkt gegenüber dem Kölner Messegelände und dient als permanenter Showroom für designorientierte Möbel- und Leuchtenhersteller – gewissermaßen als B2B-Shop und Anlaufstelle für Vertragskunden.
Während der IMM und der Orgatec fungiert die Design Post als inoffizielle Messehalle für Hersteller, die aus verschiedenen Gründen nicht an der Kölnmesse teilnehmen. Zudem wird sie für Partys, Produktpräsentationen und Events genutzt. Ein Besuch lohnt sich also immer.
Auch im Januar 2025, als die IMM Cologne nicht stattfand, bot die Design Post ein sehenswertes Programm. Im Rahmen der Passagen Interior Design Week 2025 wurden dort die Ergebnisse des Projekts „Find Your Footprint“ präsentiert. Dieses Projekt entstand an der Universität der Künste Berlin unter der Leitung von Prof. Ineke Hans in Kooperation mit dem bayerischen Möbelhersteller Zeitraum und dem dänischen Textilhersteller Kvadrat. Ziel war es, Möbelstücke zu entwerfen, die den ökologischen Fußabdruck auf ein Minimum reduzieren.
Aus diesem Projekt gingen zwölf Entwürfe hervor, von denen fünf während der Passagen 2025 in der Design Post vorgestellt wurden.
Diese fünf Entwürfe spiegeln die individuelle Herangehensweise der Studierenden an die Herausforderungen eines Semesterprojekts wider. Sie hinterfragen persönliche Bedürfnisse, Materialverständnis sowie die Beziehung zwischen Form und Funktion. Darüber hinaus thematisieren sie die Wechselwirkungen zwischen Nutzer und Objekt sowie die Rolle des Designs und des Designers in der Gesellschaft.
Bedürfnisse sind dabei Teil eines Selbstfindungsprozesses innerhalb eines klar definierten Rahmens. Dieser begrenzte Kontext schließt zwangsläufig zahlreiche Optionen aus, die unter freieren Bedingungen das Endergebnis maßgeblich beeinflussen könnten. Es handelt sich ausdrücklich nicht um kommerzielle Projekte. Die entstandenen Objekte müssen weder perfekt funktionieren noch für die serielle Produktion realistisch sein – vielmehr stärkt ihre experimentelle Natur ihre gestalterische Aussagekraft. Im Fokus stehen die Fragen nach dem Warum, dem Wie und dem Wozu. Wichtiger als ein möglicher kommerzieller Erfolg ist, welche Themen das Objekt aufgreift, welche Diskussionen es anregt und welche Argumente es liefert.
Der experimentelle, nicht-kommerzielle Ansatz zeigt sich auch in der Arbeitsweise: Die Projekte sind kreative Brainstormings innerhalb definierter Parameter. Interessanterweise war es nicht das Ziel der Studierenden, gezielt einen Stuhl zu entwerfen. Vielmehr befassen sich alle Arbeiten mit Konstruktion, Funktionalität und dem Dialog mit dem Nutzer – über das reine Sitzen und Abstützen hinaus.
Dass letztlich alle fünf Objekte Sitzmöbel wurden, war nicht durch das Briefing vorgegeben, das lediglich „Möbel“ als Thema vorsah. Dies unterstreicht nicht nur die besondere Beziehung zwischen Mensch und Stuhl, sondern auch die Rolle des Stuhls als bevorzugtes Medium, um gestalterische Positionen zu präsentieren und zeitgenössische Fragestellungen zu diskutieren. Der Stuhl eignet sich hierfür besonders gut, da Menschen intuitiv eine tiefere Verbindung zu ihm haben als zu anderen Möbelstücken wie Tischen, Anrichten oder Hutständern.
Die Bewertung, inwieweit die Studierenden ein Möbelstück mit minimalem ökologischen Fußabdruck realisiert haben, war ein zentraler Bestandteil des Projekts. Sie erfolgte anhand des von Zeitraum entwickelten „Furniture Footprint“, eines Vergleichssystems, das ökologische, ökonomische und soziale Faktoren berücksichtigt. Dabei werden auch Daten der Ökobaudat-Plattform des deutschen Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bau herangezogen. Der beste Wert ist 100 % – obwohl man sich fragen könnte, ob 0 % nicht das eigentliche Ziel sein sollte. Vielleicht haben wir aber einfach etwas missverstanden.
Leider veröffentlicht Zeitraum, soweit ersichtlich, keine detaillierte Erklärung zur Berechnung des Fußabdrucks. Es gibt keine Transparenz über die zugrunde liegende Methodik, die Gewichtung einzelner Kriterien oder den mathematischen Prozess. Lediglich die Endzahl wird kommuniziert. Dennoch bietet der „Furniture Footprint“ eine Vergleichsgrundlage – sogar für dasselbe Objekt in unterschiedlichen Materialien. Dies ist ein relevanter Punkt in einer Möbelindustrie, die oft ein einziges Design in diversen Materialien produziert, nicht zuletzt als limitierte Sondereditionen mit entsprechendem ressourcenintensiven Marketing.
Es folgen die ausgestellten 5 Projekte in keiner besonderen Reihenfolge…
Oculto ist ein wohlproportionierter Mehrzweckstuhl, dessen Rückenlehne und Sitzfläche aus einem einzigen Stück Holz gefertigt sind, was vermutlich eine gewisse Flexibilität und Stabilität bietet. Der Name „Oculto“ verweist auf Magie, Mystik und Alchemie – Konzepte, die sich in der raffinierten Konstruktion widerspiegeln. Besonders hervorzuheben ist die kunstvolle Verwendung der traditionellen Schwalbenschwanzverbindung. Laurin Höhne nutzt sie als Basis für ein Konstruktionssystem, das nicht nur eine flache Verpackung und damit Vorteile für Lagerung und Versand ermöglicht, sondern auch eine einfache Demontage und Wiederzusammenbau. Dies erleichtert Reparaturen und reduziert das Transportvolumen bei Umzügen.
Interessanterweise verkörpert die Schwalbenschwanzverbindung an sich Beständigkeit und Langlebigkeit – eine spannende Wechselwirkung zwischen flexibler Modularität und traditioneller Handwerkskunst. Ohne es genau zu wissen, lässt sich vermuten, dass dieses System als Grundlage für eine erweiterbare Möbelserie oder ein modulares System dienen könnte. Eine solche Anpassungsfähigkeit wäre ein weiterer wichtiger Schritt zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks in der Möbelindustrie.
Weitere Informationen zu Laurin Höhne finden Sie auf Instagram: @laurin132design
„Snäpp“ ist das schwedische Wort für „schnappen“, und genau so funktioniert die Montage des Stuhls von Anton Oberländer, der aus Flatpack-Komponenten geliefert wird. Die Teile „snäppern“ einfach zusammen. Ob sich die Konstruktion später an einem anderen Ort wieder auseinandernehmen lässt, wissen wir nicht. Aber solche Details lenken nicht von einem Design ab, das mit nur vier Komponenten nicht nur die Herstellung vereinfacht - was ebenfalls zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks beiträgt -, sondern auch die Montage für den Benutzer zugänglich macht.
Der Stuhl besitzt einen in die Rückenlehne eingefrästen Griff, der zwar funktional nicht unbedingt notwendig ist, aber als einfaches grafisches Element den Charakter des Objekts erweitert. Die markante Winkligkeit und die fast eindimensionale Flächigkeit des Sitzes verleihen dem Stuhl eine visuelle Leichtigkeit, die es ihm erlaubt, weniger Raum einzunehmen, als er physisch beansprucht. Diese Reduktion des visuellen Footprints ist besonders wichtig, wenn Möbel in kompakten, zeitgenössischen Wohnräumen oder kleinen Restaurants platziert werden.
Mehr über Anton Oberländer auf Instagram @antonoberlaender.
Das einzige gepolsterte Objekt in der Ausstellung und damit auch das einzige des Quintetts in der Design Post, das an die Rolle von Kvadrat als Projektpartner erinnert, ist ein Möbelstück, das im Vergleich zu den anderen vier Arbeiten einen bemerkenswert geringen Fußabdruck hat. Tatsächlich hat dieses Möbelstück einen besseren Fußabdruck als jedes andere Polstermöbel, das sich derzeit im Portfolio von Zeitraum befindet. Dies liegt vor allem daran, dass auf eine Schaumstoffpolsterung verzichtet wurde. Stattdessen wird ein Stück Textil über den Rahmen gespannt, das als Sitzfläche, Rückenlehne und Armlehne dient - ein Designansatz, der in der Geschichte des Möbeldesigns häufig verwendet wurde und dem Material sowie dem Designer und Hersteller bei der Materialwahl eine große Verantwortung auferlegt. Bei richtiger Anwendung führt dieser Ansatz jedoch zu besonders befriedigenden Ergebnissen.
Im Fall von „Twist“ hat dieses Konzept den zusätzlichen Vorteil, dass die Textilien vom Benutzer abgenommen werden können. So können sie entweder gewaschen, repariert oder in einem neuen Nutzungskontext und in einer anderen Farbe ausgetauscht werden. Ein weiterer negativer Punkt in der Footprint-Bewertung ist die Verwendung von Stahlbeschlägen. Es ist nicht klar, ob Stahl wirklich notwendig ist, aber wenn nicht, dann ist dies eine Möglichkeit, das Design zu verbessern und den Fußabdruck weiter zu reduzieren. Diese Überlegung erinnert uns daran, dass es immer Alternativen gibt, die sich positiv auf den Fußabdruck auswirken können. Die Kunst besteht darin, diese Alternativen zu identifizieren und zu verstehen, warum sie notwendig sind.
Mehr über Mia Pahl erfahren Sie auf Instagram unter @mia.pahl.
Besonders widerstandsfähige Holzstühle sind nicht neu. Aber in der Regel wird ihre Robustheit groß inszeniert: Da sind die monumentalen Freischwinger, wie sie Aalto in den 1930er Jahren entwarf und die später von Ikea begeistert aufgegriffen wurden, oder die geschwungenen, fast fließenden Formen, die wie aus flüssigem Holz geformt wirken - ein Design, das sich auch in der Welt des 3D-Drucks wiederfindet. Tani hingegen kündigt seine Festigkeit auf subtilere Weise an. Er tut dies fast unmerklich. Aber wenn man sich dem Stuhl nähert, bemerkt man eine interessante Diskrepanz zwischen der Sitzfläche und den Hinterbeinen. Diese Diskrepanz ist keineswegs unangenehm oder irritierend, im Gegenteil, sie ist angenehm. Es ist vielmehr so, dass die Linie, die das Auge zieht, nicht die Linie ist, die das Gehirn erwartet. Diese scheinbare Unstimmigkeit entsteht durch zwei Eschenholzstücke in der ansonsten aus Eichenholz bestehenden Konstruktion. Diese Holzstücke biegen sich unter dem Gewicht des Sitzenden, wodurch sich die Rückseite der Sitzfläche leicht nach unten neigt und die Lücke zwischen den Hinterbeinen und der Sitzfläche schließt - gleichzeitig federt der Stuhl den Körper ab. Die Eschenholzbänder scheinen auch auf Veränderungen der Sitzposition zu reagieren, was eine elastische Rückfederung ermöglicht. Wie gut dieses Konzept in der Praxis funktioniert und wie sich der Stuhl anfühlt, konnten wir noch nicht testen. Als Konstruktionsprinzip ist es jedoch eine spannende Neuinterpretation von Holzstühlen und federnden Sitzmöbeln.
Mehr von Limeng Liu auf Instagram @lim_cq.
„Hau Ruck“ beschreibt die rhythmische Wiederholung einer Handlung, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen - wie das Rudern eines Bootes, das Zersägen eines massiven Mammutbaums mit einer Zwei-Mann-Säge oder das Handnieten einer Stahlbrücke. Auch Jonas' Entwurfsprinzip für seinen Hocker beinhaltet ein Element der Wiederholung, allerdings ist der Prozess weit weniger anstrengend als ein klassisches „Hau-Ruck“. Hier genügt es, an einer Schnur zu ziehen: Der Hocker verwandelt sich von einer lose hängenden Ansammlung von Teilen in ein funktionales Möbelstück. Zieht man die Schnur wieder zurück, zerfällt der Hocker wieder in seine Einzelteile, die flach gelagert oder aufgehängt werden können - und sich jederzeit wieder zu einem Hocker zusammensetzen lassen. Er erinnert an jene kleinen Holztiere oder Clowns, die auf einem Sockel stehen und zusammenklappen, wenn man auf den Sockel drückt. Sobald der Druck nachlässt, stehen sie wieder aufrecht. Zumindest behauptet das Jonas - und wir zweifeln nicht daran, auch wenn wir es noch nicht live erlebt haben. Aber nach vielen Enttäuschungen in der Vergangenheit lassen wir uns von so etwas Zerbrechlichem wie einem Versprechen nicht so leicht täuschen.
Jonas' System ist einfach, aber genial - es bietet praktische Aufbewahrungslösungen und eine neue Perspektive auf Flat-Pack- und Pop-Up-Design. Gleichzeitig verleiht es dem Objekt eine spielerische Note. Möbel müssen nicht unbedingt verspielt sein, aber diese Verspieltheit erweitert die Funktionalität und die Definition dessen, was Möbel können. Ebenso könnte man sich leicht vorstellen, dass „Hau Ruck“ mühelos in jedes Corporate Identity Programm oder jede Marketingkooperation passt.
Weitere Informationen zu Jonas Spieker finden Sie auf Instagram unter @jonas.p.spieker.
Hintergrundinformationen zu „Find Your Footprint“, darunter das Briefing und weitere Details zu allen im Rahmen des Projekts realisierten Entwürfen, finden https://design.udk-berlin.de/find-your-footprint
Die Passagen Interior Design Week 2025 ist beendet. Details zur Veranstaltung und was Sie verpasst haben, finden Sie unter www.voggenreiter.com/passagen2025