„Licht ist die tollste aller Sprachen“, hat Nadja Schulze einmal gesagt und das Licht, das ihre Lampen LiLa und Bow auf der Grassimesse 2024 verbreiteten, begeisterte die Grassimesse-Jury so sehr, dass sie Nadja Schulze mit dem smow Designpreis 2024 der Grassimesse auszeichnete.
Nadja Schulze, in Leipzig geboren und aufgewachsen, schloss im Frühjahr 2023 ihr Bachelorstudium der Innenarchitektur an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle ab, bevor sie im Herbst 2023 ihr Masterstudium der Innenarchitektur an der Burg begann, in dessen Verlauf drei Leuchten, drei Leuchtenfamilien entstanden sind – LiLa, Bow und 360°. Letztere ist eine Wandleuchte, die sich wie eine alte Telefonwählscheibe drehen lässt und bei der sich das Kabel auf- und abrollt und die so sowohl als Kabelaufbewahrung als auch als grafisches Element dient. Die mittlere ist eine flexible, positionierbare Wandleuchte, die von Zeltstangen inspiriert und aus diesen konstruiert wurde. Und bei der ersten, Lightweight Lamps, handelt es sich um ein modulares, von Zeltstangen inspiriertes Leuchtensystem, das aus Bow entwickelt wurde und flexibel als Wand-, Steh- oder Deckenversion genutzt werden kann.
Diese drei Leuchtenfamilien wurden auf der Grassimesse als Vorserienmodelle präsentiert. Bow und LiLa wurden von der Grassimesse Jury als „überraschend und überzeugend zugleich“ bewertet. Statt Recycling oder Upcycling sei hier „ein in der Industrie bereits vorhandenes Produkt wiederverwendet" worden und Nadja Schulze habe "seine Eigenschaften optimal für eine völlig neue Funktion entdeckt“. Das präsentierte physische Ergebnis habe den hohen gestalterischen Anspruch deutlich gemacht.
Die Grassimesse 2024 hat Nadjas Arbeit an ihrer Masterarbeit kurz unterbrochen.
Wir haben Nadja in Halle getroffen, um über Licht, Beleuchtung, Innenräume und Design zu sprechen, aber gleich mit der Frage begonnen, warum sie sich für Innenarchitektur entschieden hat – was ihre Faszination für Innenräume ausmacht.
Nadja Schulze: Innenräume sind die Orte an denen wir uns die meiste Zeit aufhalten, mit dieser Sensibilität sollten sie auch gestaltet sein. Dabei können Innenräume so vielfältig sein, es gibt nicht immer klare Grenzen, es ist oft eine Frage der Betrachtungsweise, eine Interpretationssache. Räume haben eine Identität, sie sprechen eine Sprache. Ich habe mich immer schon gerne mit dem „Raum“ beschäftigt, ich habe mich gefragt, warum sie so unterschiedliche Gefühle in mir auslösen, warum mich manche Räume begeistern nahezu anziehen, warum gibt es Räume, in denen ich das Gefühl habe sie erdrücken mich.
smow Blog: Was erklärt die Entscheidung, Innenarchitektur zu studieren, aber vor allem warum die Entscheidung, Innenarchitektur in Halle zu studieren?
Nadja Schulze: Ich komme aus Leipzig und habe als Kind dort angefangen zu turnen, später bin ich nach Halle gewechselt und habe so die Burg kennenlernen dürfen. Ich war beim Tag der offenen Tür und habe mich für ein Studium in der Innenarchitektur beworben. Ich wollte mir diese Fragen beantworten. Ich wollte lernen Räume zu verstehen, diese Sprache zu sprechen. Im Studium habe ich schließlich diese Sprache lernen dürfen, und meine Begeisterung ist gestiegen.
smow Blog: Es gibt auch eine interessante Verbindung zwischen Gymnastik und Innenarchitektur, denn beides sind Methoden, den Raum zu erforschen, zu besetzen und mit ihm in Beziehung zu treten. Aber ganz allgemein: Wie hängt deine Zeit als Turnerin mit deiner Arbeit als Designerin zusammen?
Nadja Schulze: Turnen ist eine Sportart, bei der es bis ins kleinste Detail um Perfektion geht. Den gleichen Anspruch habe ich heute als Gestalterin. Und das Schönste daran ist, das man nach Perfektion nur streben kann, man wird sie nie erreichen. Das heißt ich werde also immer ein Detail haben, das mich beschäftigt, ich werde immer was zum Arbeiten haben. Heute ist Sport für mich ein nicht wegzudenkender Ausgleich und eine wichtige Stütze für meine Kreativität.
smow Blog: Und wenn wir richtig informiert sind, geht es in deiner Masterarbeit auch um Sport...
Nadja Schulze: Genau, ich plane eine Unterkunft für Radreisende, habe mir dafür ein Bestandsgebäude in Halle ausgesucht, direkt am Saale-Radwanderweg....
smow Blog: Warum ein Unterkunftsprojekt für Langstreckenradfahrer?
Nadja Schulze: Das Fahrrad ist heute eines der wichtigsten Verkehrsmittel, es ist nicht nur super praktisch, hält fit und gesund, es ist auch ein super Reisebegleiter. Die Strukturen für eine Reise mit dem Fahrrad sind jedoch noch ausbaufähig. Ich bin selber sehr gerne mit dem Rad unterwegs, gerne auch mehrere Tage, es ist ein Stück Freiheit. Ich fahre jedes Jahr einmal über die Alpen. Als Exkursion für meine Masterarbeit bin ich dieses Jahr von München nach Ljubljana gefahren. Für mich hat das Fahrrad nicht nur persönlich eine große Bedeutung, sondern viel mehr noch für die Zukunft.
smow Blog: Ein persönliches Interesse ist immer ein guter Ausgangspunkt für jedes Projekt und unterstreicht auch die Bedeutung des Sports für dich und deine Arbeit. Wir werden in Kürze auf die Masterarbeit zurückkommen, aber zunächst hast du einmal geschrieben, dass „Licht mein wichtigstes Gestaltungsmittel ist“ Warum? Worin liegt die Bedeutung für dich?
Nadja Schulze: Licht beschäftigt mich seit Beginn meines Studiums. Vor einem Jahr hatte ich die Möglichkeit, mich in einem Semesterprojekt mal intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Die erste Aufgabe war es, Lichtsituationen am Campus zu beobachten und daraufhin eine kleine Lichtinstallation zu entwickeln. Ich habe mich bei den Beobachtungen am Campus mit dem „Licht“, als Phänomen an sich beschäftigt, ich habe aus dem Fenster geschaut und mir die Frage gestellt, ist Licht sichtbar. Um das herauszufinden habe ich mir einen Raum gebaut, in den kein Licht hereinkommt, also einen dunklen Raum. Ich habe schließlich Licht hineingelassen, ich habe etwas experimentiert und verstanden, dass Licht an sich nicht sichtbar ist, Licht macht sichtbar. Licht ist also da und Licht kann nicht da sein. Licht ist aber nur sichtbar, wenn es auf Objekte oder Räume trifft. Die Schlussfolgerung daraus ist, vor allem als Innenarchitektin, dass ich Räume nur sehen kann, wenn ich Licht hineinlasse. Damit ist Licht für mich auch das wichtigste Gestaltungsmittel als Innenarchitektin. Was ich als Gestalterin dabei noch herausfinden wollte, ist, ob Licht spürbar ist. Es ist schwierig zu beschreiben, aber dafür habe ich in diesen Raum Licht hereingelassen, nur so viel das der Raum dabei noch nicht zu erkennen war, es ging nur um das Licht. Es ist eine Installation gewesen, die darauf aufmerksam machen soll, was Licht ist, was Licht macht und was Licht sein kann. Hat man das verinnerlicht, wird einem bewusst was Licht für eine Bedeutung, was Licht für eine Kraft hat!
smow Blog: Kann man Licht spüren?
Nadja Schulze: Ja, Licht ist spürbar....
smow Blog: ...nur körperlich oder auch nicht-körperlich...
Nadja Schulze: Licht beeinflusst in erster Linien vor allem, ob wir etwas sehen können, Räume, Objekte, alles, was uns umgibt. Das ist der physikalische Teil, wir nehmen das Licht wahr, es ist da, wir können uns orientieren, wir können sehen. Doch wenn man mal all das mal nicht als selbstverständlich sieht, dann wird Licht spürbar. Dann gewinnt es an emotionaler Bedeutung, dann lässt es uns spüren. Damit ist Licht für mich nicht nur aus physikalischer Sicht das wichtigste Gestaltungsmittel, weil es dafür verantwortlich ist, dass wir Räume überhaupt sehen können, sondern auch aus emotionaler Sicht, weil es sehr individuell auf uns wirkt. Licht ist enorm wichtig, es beeinflusst unseren Alltag, es beeinflusst unser Verhalten, unsere Stimmung. Deswegen wird Licht in meiner Planung immer eine große Rolle spielen.
smow Blog: Womit wir wieder bei deiner Masterarbeit wären, vielen Dank. Du sagtest, dass dein Projekt auf einem bestehenden Gebäude in Halle aufbaut. Die sehr offensichtliche Frage ist, wie ist die Lichtsituation dort, hattest du eine gute Ausgangssituation?
Nadja Schulze: (lacht) Vielleicht ist es relativ clever mit dem Gebäude. Das war ein altes Lagerhaus, eigentlich sechsgeschossig mit einem Flachdach, aber das ist in den 90er Jahren durch mehrere Brände innen komplett ausgebrannt und ist jetzt auf zwei Geschosse abgetragen und hat kein Dach mehr, das heißt, es steht nur die Fassade und so habe ich erst mal viel Licht drin. Mein Ziel ist es, dem Gebäude eine neue Struktur zu geben, die Sprache, die das Gebäude nach außen spricht, ziehe ich in den Innenraum und kann selbst entscheiden, wie ich mit dem Licht umgehe. Die Hauptfunktion wird das Wohnen sein und das werde ich so planen, dass dort, wo man sich am längsten aufhält, auch das meiste Licht hinkommt, denn dort, wo man sich am längsten aufhält, sollte auch das meiste Licht sein.
smow Blog: Wir wissen, dass du noch nicht fertig bist, also werden wir nicht fragen, was das im Einzelnen bedeutet, wir warten gerne ab, aber generell, im Prinzip, arbeitest du lieber mit natürlichem Licht oder mit Kunstlicht?
Nadja Schulze: Das ist schwer zu sagen. Als Innenarchitektin arbeite ich sehr gerne mit natürlichem Licht. Ich habe auch in meiner Installation nur natürliches Licht verwendet, das heißt, es war zu jeder Lichtstimmung, zu jeder Tageszeit anders, was ich sehr spannend finde, dass die Lichtstimmung durch natürliches Licht nicht bestimmbar ist, was gleichzeitig auch bedeutet, dass ich als Innenarchitektin nicht alles mit natürlichem Licht regeln kann. Hier sehe ich mich dann gerne als Designerin am Objekt, bei der Gestaltung von Leuchten. Mit Kunstlicht kann ich das natürliche Licht unterstützen. Hier kommt meine Liebe zum Detail zum Tragen, denn hier habe ich es selbst in der Hand und kann dem Licht eine Form, eine Richtung, einen Raum geben! Ich kann mich nicht entscheiden, vielleicht muss ich das auch gar nicht...
smow Blog: Nein, nicht alle, zumindest nicht für uns, und die Frage von natürlichem versus künstlichem Licht in der Innenarchitektur ist wahrscheinlich Teil deiner Reise, oder vielleicht die Methode deiner Reise. Aber könnte man angesichts dieses Wechselspiels zwischen natürlichem und künstlichem Licht sagen, dass es bei deinen Leuchtenentwürfen, wenn man so will, darum geht, die Kontrolle über die Beleuchtung zu erhöhen, die Kontrolle über die Lichtsituation zu erhöhen?
Nadja Schulze: Ja, in gewisser Weise schon. Mit künstlichem Licht habe ich die Möglichkeit, Licht räumlich werden zu lassen. In meinen eigenen Entwürfen habe ich ausprobiert, wie Licht räumlich werden kann und bei den Objekten, den Leuchten, die ich bisher entworfen habe, hatte ich von Anfang an klare Vorstellungen, wie ich sie im Raum inszenieren möchte. Immer mit dem Ziel, dass das Licht den Raum bestimmt und nicht der Raum das Licht.
smow Blog: Wir vermuten, dass dies auch ein Ausdruck dafür ist, dass das Licht eine wichtige Rolle in deinen Entwürfen spielt, und es ist auch eine interessante Perspektive bei der Wahl der Beleuchtung, des Beleuchtungsdesigns oder der Lampe für jeden Raum. Aber wenn wir uns deinen Leuchtenentwürfen zuwenden, dann ist der erste, der uns vielleicht auffällt, Bow, eine Arbeit, die mit Zeltstangen begann und dann aus ihnen gebaut wurde. Erklär uns das! Wie kommt man von Zeltstangen zu einer Lampe?
Nadja Schulze: Zu Beginn des Semesters gab es zwei Themen, die mich sehr interessiert haben. Ich bin selbst gerne draußen, beim Klettern, Radfahren, Wandern, Campen und habe daher eine große Begeisterung für leichte Materialien, Konstruktionen und Gebäude. Dabei bin ich bei Zelten hängen geblieben. Ich finde es super spannend, dass Zelte ein sehr kleines Packmaß haben, aber wenn man sie aufbaut, wird aus einem 50 cm langen Gestänge plötzlich ein Raum. Mit Bow habe ich versucht, alle Vorteile der Zeltstangen in einem Entwurf zu vereinen, sie sind superleicht, sie lassen sich zusammenstecken, ich kann sie auf ein kleines Packmaß bringen, die Zeltstangen sind hohl, so dass ich ein Medium hineinführen kann, und ich kann sie biegen, all das vereint Bow, und ich habe nichts neu erfunden, ich habe es nur in eine andere Sprache übersetzt.
smow Blog: Wir würden fragen „nichts neu erfunden“ Zeltstangen existieren, LEDs existieren, aber als getrennte Einheiten, sie müssen zusammengebracht werden, was die zweite Komponente der Frage ist, wie man von Zeltstangen zu einer Lampe kommt, Inspiration durch Material und Kontext ist der konzeptionelle Teil, dann gibt es den physischen Teil, und auch die Frage, wie einfach das war?
Nadja Schulze: Ich hatte relativ schnell die ersten Prototypen und habe mir dann im Detail überlegt, wie das Licht aus der Zeltstange herauskommt. Ich wollte von Anfang an den Durchmesser der Zeltstange nicht vergrößern und ich wollte keinen Leuchtschirm, ich habe die Zeltstange ausgefräst. Damit habe ich viel experimentiert: Wie weit kann ich ein Rohr fräsen, ohne dass die Stange bricht? Wie viel Licht soll raus, also wie breit muss die Fräsung sein? Während des gesamten Prozesses habe ich viel gelernt, nicht nur über das Gestalten mit Licht, sondern auch über alle technischen Aspekte. Ich hatte vor diesem Projekt noch nie gelötet, ich hatte noch nie mit Kabeln gearbeitet, und das war schon ein Prozess, aber ich hatte nie das Gefühl, etwas Neues erfinden zu müssen, sondern ich habe auf das zurückgegriffen, was es schon gibt. Und es hat mir sehr viel Spaß gemacht und macht mir immer noch Spaß, daran zu arbeiten, ich habe viel Neues gelernt. Ich bin sehr wissbegierig, ich liebe es mir neues Wissen anzueignen, da passiert so viel. Auch viel Unerwartetes, Erkenntnisse, die einen weiterbringen, Problem, Lösung, neues Problem, neue Lösung...
smow Blog: .Aber zunächst einmal, um bei den Lampen zu bleiben, wurde das modulare LiLa-System aus Bow entwickelt, aber anstelle von Zeltstangen hast du speziell angefertigte Aluminiumrohre verwendet, warum die Abkehr von den Zeltstangen?
Nadja Schulze: Bow war ein Prototyp, wo zum ersten Mal viel geklebt wurde, wo ich ausprobiert habe, wie das funktioniert. Das Material, Aluminium, habe ich aber auch bei LiLa beibehalten, weil die Leuchte leicht bleiben sollte. Bei LiLa wollte ich aber letztendlich weiter denken, mehr in Richtung Produkt, wie würde man das industriell herstellen, wie würde man die einzelnen Teile herstellen. Dabei arbeite ich sehr gerne selbst an Prototypen, ich bin sehr neugierig und möchte selbst wissen, wie es funktioniert. Also habe ich auf ein normales Industrieprodukt zurückgegriffen und die Stangen selbst hergestellt bzw. neu zusammengesetzt. Das Prinzip der Zeltstangen habe ich beibehalten und nur die Zusammensetzung neu gedacht. Eine Zusammensetzung, die modular und jederzeit auch wieder demontierbar ist, so dass ich bei Bedarf einzelne Module austauschen kann und jederzeit wieder an die eingebaute Technik herankomme.
smow Blog: Die 360º-Lampen haben den gleichen Ausgangspunkt wie ein normales Industrieprodukt und auch einen etwas untypischen Ausgangspunkt, diesmal keine Zeltstangen, sondern Staubsauger...
Nadja Schulze: Genau, wie gesagt, am Anfang des Semesters gab es zwei Themen, die mich sehr interessiert haben, Zeltstangen und auch Kabel, Kabelordnung, mit Kabeln zu gestalten, das Ziel war, dass kein Kabelsalat auf dem Boden ist, dass sozusagen als Stolperstelle aus dem Raum verschwindet. Am Anfang habe ich einen Staubsauger zerlegt, weil ich finde, das ist ein intelligentes System, dass du auf den Knopf drückst und der Staubsauger reinigt sich selbst. Wieder war ich neugierig, ich wollte wissen, wie das funktioniert, ich wollte es selbst sehen und ausprobieren. So entstand meine erste Lampe, die ich NooNoo nenne. NooNoo ist eine Kabelspule von einem Staubsauger, da habe ich einfach eine E27 Glühbirne reingesteckt, es hat geleuchtet und ich konnte selber bestimmen, wie lang ich das Kabel aus der Leuchte herausziehe.
smow Blog: Das gefällt uns als Ausgangsposition sehr gut, und auch die Verspieltheit der Version, die du auf der Grassimesse präsentiert hast, gefällt uns sehr, sowohl die Interaktivität beim Drehen der Lampe als auch die Art und Weise, wie ein Stück Kabel als eine Form der Dekoration, die kein Ornament ist, hängen bleiben kann. Kann eine solche Verspieltheit als Teil der Funktionalität von 360º verstanden werden?
Nadja Schulze: Ja, schon, auch dass ich nur auf einem Viertel der Rückseite des Lampenschirms Licht eingebaut habe, so dass man selbst bestimmen kann, in welche Richtung es leuchtet, je nachdem, wie man es dreht, und man kann es immer wieder verändern, das verbindet den spielerischen Aspekt mit der Funktionalität der Kabelordnung. Und auch hier bin ich noch nicht am Ende. 360º ist auch eine Serie, die in verschiedene Richtungen weitergedacht werden kann, und ich werde sie weiterdenken! Ich freue mich schon darauf.
smow Blog: Das sind wir auch. Das ist die Zukunft, aber wenn man zurückblickt, hat in vielerlei Hinsicht alles mit einem Semesterprojekt begonnen. Du hast ein paar Mal erwähnt, wie viel du aus diesem Verfahren gelernt hast und wie wichtig der Lernprozess war und wie viel Spaß er gemacht hat. Aber lag dein Fokus während des Semesterprojekts nur auf dem Lernen oder hast du das Semester mit dem Ziel eines Produkts begonnen?
Nadja Schulze: So ein Semesterprojekt fängt immer mit einem Thema an, mit einer gezielten Auseinandersetzung, sich mit dem Thema zu beschäftigen, es zu verstehen, einzutauchen und nicht direkt mit dem Ziel, dass daraus ein Produkt entsteht. Viel mehr ist der Lernprozess das Hauptziel, aber natürlich mit dem Ziel daraus ein Design entstehen zu lassen, bei mir sind dann mehrere entstanden und ich habe schon am Ende des Semesterprojektes gesagt, das ist nicht das Ende, ich mache weiter, auch weil ich im Laufe der Zeit über immer mehr Details nachgedacht habe, zum Beispiel wie kann man es noch einfacher machen, wie kann man es noch leichter machen, wie kann ich es zugänglicher machen. Das Ziel ist immer, meine Entwürfe so weit herunterzubrechen, dass sie für jeden einfach verständlich sind und es ist mir auch wichtig, nur so viel einzubauen und zu gestalten, wie ich wirklich brauche, um meinem Entwurf eine Aussage zu geben. Also behutsam mit Details und Gestaltungslösungen umzugehen, sensibel zu gestalten.
smow Blog: Wir würden behaupten, dass du mit allen drei Projekten diese universelle Leichtigkeit des Verständnisses und eine reduzierte Sensibilität erreicht hast. Warum hast du dich entschieden, vom Projekt zum Objekt, von der Forschung zur Produktion überzugehen und auf der Grassimesse auszustellen?
Nadja Schulze: Ich durfte dieses Jahr in Mailand ausstellen und habe dort meine ersten Erfahrungen gesammelt, meine Arbeit auf einer Messe zu präsentieren. Dabei habe ich die Chance genutzt, mich für die Grassimesse zu bewerben, was gleichzeitig auch eine Bewerbung für den smow-Designpreis war. Vor allem wollte ich aber weitere Erfahrungen darin sammeln, meine Arbeiten einem Publikum zu zeigen, Feedback zu bekommen und mich mit Menschen auszutauschen, die Interesse an meinen Entwürfen haben. Es ist mir wichtig, mit den Menschen zu sprechen, für die ich gestalte. Das Entwerfen ist für mich eine Leidenschaft, aber mein Ziel ist es, diese Leidenschaft in Form meiner Entwürfe zu teilen. Der Austausch auf einer Messe ist unglaublich wertvoll und bringt mich viel weiter, als allein am Schreibtisch zu sitzen und zu gestalten.
smow Blog: Das wirft natürlich die Frage auf: Wie war das Feedback in Mailand und Leipzig? Und vielleicht noch interessanter – wie war es im Vergleich?
Nadja Schulze: Sehr unterschiedlich, vor allem wegen der unterschiedlichen Kontexte und des Publikums. Die Grassimesse, mit ihrem Kontext in einem Museum, hatte ein sehr herzliches Publikum. Ich habe dort wundervolles Feedback bekommen, das mir viel Motivation gibt, weiter an meinen Projekten zu arbeiten. Mailand hingegen war eine riesige Bühne. Ich war zum ersten Mal auf der Salone und diese Erfahrung war als Innenarchitektin ganz neu für mich. Es gibt dort aber eine gewisse Distanz zu den Menschen, die kommen. Leipzig war familiärer und individueller als Mailand. Dennoch gab es auch in Mailand großes Interesse und sehr gutes Feedback. Wir hatten im Rahmen unserer Hochschule einen Stand, der insgesamt sehr positiv wahrgenommen wurde. Beide Erfahrungen waren unglaublich wertvoll und bereichernd.
smow Blog: Du hast nun erste Erfahrungen im Ausstellen gesammelt, deine ersten Produkte befinden sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, und dein Masterstudium ist fast abgeschlossen. Wie sieht dein weiterer Weg aus? Vor allem Innenarchitektur, vor allem Produktdesign, oder...?
Nadja Schulze: Ich denke, es wird eine Mischung sein. Der Innenarchitektur bleibe ich auf jeden Fall treu. Ich werde immer mit dem Blick einer Innenarchitektin auf Objekte schauen und sie gestalten. Es ist ein besonderer Blick, der über das reine Objekt hinausgeht – es geht um das Zusammenspiel im Raum. Durch meine Arbeit an den Leuchten habe ich gemerkt, dass ich gerne ins Detail gehe und tendenziell kleiner denke. So bin ich mehr im Produktdesign. Aktuell schlägt mein Herz sehr für die Leuchten, und wenn ich die Möglichkeit habe, daran weiterzuarbeiten, würde ich diesen Weg gerne weiterverfolgen. Das schließt aber nicht aus, weiterhin in beide Richtungen zu denken. Im Gegenteil, beides ergänzt sich sogar enorm gut.
smow Blog: Das klingt nach einer überzeugenden Perspektive! Alles Gute für deinen weiteren Weg!
Weitere Informationen zu Nadja Schulze und ihrer Arbeit unter @nadjashlze