Gemeinsam mit dem Filmverleih Rise and Shine Cinema präsentiert smow den Film „E.1027 – Eileen Gray und das Haus am Meer“, der nicht nur die architektonische Bedeutung des Hauses E.1027 thematisiert, sondern auch Eileen Grays visionäre Designphilosophie und ihr vielseitiges Schaffen beleuchtet. Als eine der einflussreichsten Designerinnen des 20. Jahrhunderts prägte Gray die Welt des Designs mit Möbelstücken, die durch ihre Funktionalität und zeitlose Eleganz bestechen.
Mit ihrem Haus am Meer schuf Gray ein Meisterwerk, das einen spannungsgeladenen Konflikt mit ihrem Zeitgenossen Le Corbusier auslöste – ein zentrales Thema im Film. Im Interview sprechen wir mit der Regisseurin Beatrice Minger über ihre Motivation, diesen Film zu realisieren, und ihre Faszination für Eileen Grays einzigartiges Werk.
smow: Ein Film über Eileen Gray und ihr Haus am Meer - wie kamen Sie auf diese Idee, Frau Minger?
Beatrice Minger: Eigentlich ein bisschen über Umwege. Der Produzent Philip Delaquis wollte ursprünglich einen Film über Le Corbusier machen. Der Co-Regisseur des Films, Christoph Schaub, hat mich dann gefragt, ob ich das recherchieren möchte.
Für uns gab es aber von Anfang an ein Fragezeichen, weil Le Corbusier natürlich ein spannender Architekt war, er aber schon sehr gut dargestellt und dokumentiert ist. Die Frage war also: Was können wir da noch hinzufügen? Dann sind wir bei der Recherche auf dieses Haus gestoßen und waren uns relativ schnell einig, dass da ein total spannender Film drin steckt, der sehr viel über Architektur erzählt, aber auch über die Diskurse der Moderne, die heute nach fast 100 Jahren alle noch sehr aktuell sind. Kombiniert mit dieser sehr spannenden, konfliktreichen Geschichte, die mit dem Haus verbunden ist und die eigentlich auch in Design- und Architekturkreisen bekannt ist, war das Thema Eileen Gray einfach sehr spannend. Wir haben gehofft, dass wir mit dem Film der Geschichte dieses Konflikts in ihrer Vielschichtigkeit etwas hinzufügen können. Also habe ich angefangen zu schreiben und habe später auch die Regie übernommen.
smow: Dann kommen wir gleich zum Konflikt. Es geht um den Übergriff von Le Corbusier auf Grays Haus. Wie haben Sie all die Fakten, Hintergründe und Abläufe recherchiert? Es gibt ja viele Legenden darüber, wie sich dieser Konflikt abgespielt haben könnte. Auch wir haben viele Versionen gefunden und uns für eine entschieden, die man bei smow nachlesen kann. Aber wie recherchiert man so etwas, dass man es auch als Film aufbereiten kann?
Beatrice Minger: Ja, das stimmt. Je nachdem, mit wem man spricht, bekommt man eine andere Version. Das gilt für die Biografie von Eileen Gray genauso wie für diese spezielle Geschichte.
Ich habe mit vielen „Grayanerinnen“ und „Le Corbusierinnen“ gesprochen, weil es mir wichtig war, nicht nur an der Oberfläche der Geschichte zu kratzen, sondern in die Komplexität der Geschichte einzutauchen. Im ersten Moment war ich sehr empört über das, was Le Corbusier gemacht hat, aber wenn ich versuche, es rational zu verstehen, ist es gar nicht so einfach. Schließlich hatte Eileen Gray das Haus schon verlassen, als Le Corbusier kam. Sie hatte das Haus Jean Badovici überlassen, der Le Corbusier einlud, die Wandmalereien zu machen. Viele argumentieren, dass es eigentlich gar nicht so schlimm sei, dass nicht so viel schief gelaufen sei. Und trotzdem spüre ich diese Empörung. Ich glaube, so geht es vielen Menschen mit diesem Konflikt.
Es ging nicht darum, Le Corbusier als Bösewicht und schlimmen Übeltäter darzustellen. Ich glaube, da sind wir schon einen Schritt weiter. Mir ging es um die Vielschichtigkeit des Konflikts, aber auch darum, für die Zuschauerin eine Erfahrung zu schaffen, die diesen Angriff physisch nachvollziehbar macht. Für mich war es die Aufgabe des Films, herauszufinden, wo wirklich eine Grenzüberschreitung stattgefunden hat und wo die künstlerische Integrität von Eileen Gray verletzt wurde. Und dann ging es natürlich darum, das Ganze filmisch so darzustellen, dass man dieser Vielschichtigkeit des Konflikts auch wirklich gerecht wird.
smow: Welche Möbel von Eileen Gray sind im Film zu sehen? Wie haben Sie entschieden, welche Möbelstücke integriert werden?
Beatrice Minger: Der Film handelt natürlich in erster Linie von E.1027, dem Haus. Wir haben uns also immer die Frage gestellt, wie wir die Geschichte über die Möbel erzählen können. Ein Film hat leider nur 90 Minuten und das Leben von Eileen Gray ist so reichhaltig, dass man drei Filme darüber machen könnte. Für mich war es spannend zu sehen, wie Eileen Gray ihr Leben durch die Möbel erzählt. Ihre Entwicklung ist eigentlich eine Entwicklung von innen nach außen. Sie beginnt mit dem Objekt, also dem Möbelstück. Sie hat auch die Prototypen für alle Möbel selbst gemacht und sich sehr mit den Materialien auseinandergesetzt, auch mit dem Lack. Ihr Werk entwickelt sich eigentlich von den Lackmöbeln zu den leichteren Möbeln, die heute natürlich am bekanntesten sind. Schließlich hat sie auch dieses Haus entworfen - ein fließender Übergang in die Architektur, die damals eine sehr männlich dominierte Welt war, in der es noch kaum Frauen gab.
Um auf die Frage der Möbel zurückzukommen: Da ist natürlich der Adjustable Table, klar. Der Black Brick Screen, der natürlich auch filmisch sehr spannend zu inszenieren ist. Überhaupt war das Thema Screens gerade in den frühen Phasen ihrer Arbeit sehr, sehr prominent. Durch die unglaublich tolle Zusammenarbeit mit Classicon, die uns großzügig viele Möbelstücke zur Verfügung gestellt haben, konnten wir ganz bewusst einzelne herausgreifen, um ihnen Bedeutung zu geben und sie filmisch gut einzusetzen. Ebenso wollten wir vermeiden, dass der Film zu einem Möbel-Showroom wird. Dafür gibt es dann eher smow. (lacht)
Der Non-Conformist Chair war sehr wichtig wegen seines Namens und weil er so viel über Eileen Gray aussagt. Bei diesem Stuhl hat sie ganz klar festgelegt, dass die eine Seite zum Anlehnen und Rauchen gedacht ist und die andere Seite für die Freiheit der Arme steht, also zum Diskutieren, zum Gestikulieren. Wenn man nicht einer Meinung ist, muss man sich auseinandersetzen. Vorgefertigte Meinungen, Ideen, Konzepte, das muss man sich immer wieder bewusst machen, gibt es bei Eileen Gray nicht, dafür steht der Non-Conformist. Das gilt zum Beispiel auch für ihre Beziehung zu Jean Badovici. Niemand weiß, wie die Beziehung war. Das wird letztendlich nur vermutet. Oder auch ihre Beziehungen zu Frauen sind Spekulation. Sie hat ihr eigenes Ding gemacht.
smow: Was ist für Sie das Faszinierendste an Eileen Gray oder an den Entwürfen von Eileen Gray?
Beatrice Minger: Inspirierend für mich, auch als Filmemacherin, war ihr unglaublicher Wille, in allem, was sie anfasst, auch in jedem Material, das sie verwendet, immer die Form zu suchen, bis sie stimmt und immer noch etwas Neues hinzuzufügen. In allem, was sie macht, verschiebt sie eigentlich immer die Grenzen. Und sie war unglaublich frei und progressiv, also wirklich "avantgarde" im wahrsten Sinne des Wortes. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum sie heute noch so relevant ist, weil sie einfach so eine Unbedingtheit und einen unglaublichen Mut hat und weil sie mit der Welt in Resonanz tritt.
smow: Hat das auch dazu geführt, dass Le Corbusier diese fundamental andere Vision von Architektur nicht ertragen hat?
Beatrice Minger: Am Anfang war er wahnsinnig fasziniert. Bis zu dem Punkt, wo er es dann nicht wirklich verstanden hat. Es war etwas Fremdes für ihn. Es war anders. Ich glaube, dieser Moment war für ihn auch bedrohlich. Also musste er sich selbst dem Fremden auf den Leib schreiben, sich das Haus aneignen und es dadurch zerstören. Erst dann war sein Weltbild wieder hergestellt.
smow: Wurde auch direkt vor Ort im Haus E.1027 gedreht?
Beatrice Minger: Ja. Es gibt zum Beispiel diese schöne Szene, wo Eileen Gray vor den Fenstern steht. Dafür hat sie diese blauen Jalousien gemacht, damit man nur das Meer sieht.
smow: Allein dieser Ort direkt am Meer, allein die Kulisse ist schon unsagbar schön.
Beatrice Minger: Ja, wirklich. Ich habe das Gefühl, ich spüre dort ihre Präsenz, gerade weil sie diesen Humor hatte, diesen Charme, diesen Witz, der sich in allem widerspiegelt. Der Film ist vielleicht noch ein bisschen besser als die Fotos, die es von E.1027 gibt, aber man muss in dieses Haus gehen und es selbst erleben, weil man diesen Geist nicht einfangen kann. Jedes Licht, jeden Sonnenstand hat sie berücksichtigt.
smow: Haben Sie je daran gedacht, einen Krimi aus dem Stoff zu machen?
Beatrice Minger: (lacht) Es gibt tatsächlich einen Spielfilm über die Geschichte. Es geht eher um die Dreiecksbeziehung mit Le Corbusier, der in die Beziehung mit Badovici hineinstolpert und das Ganze dann relativ eindimensional sabotiert. Der Film ist eher ein Biopic, der die Fiktion dazu benutzt, eine etwas einfachere Geschichte zu erzählen. Ich hatte das Bedürfnis, durch die dokumentarische Form den Widersprüchen Raum zu geben. Denn gerade darin kann man viel über die Moderne und natürlich über das patriarchale System begreifen.
smow: Dann bleibt uns nur noch zu sagen: Vielen, vielen Dank.