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5 Neue Architektur- und Designausstellungen im August 2024

Im August 2024 finden die Olympischen Spiele statt. Sie können zu Hause bleiben und das Geschehen in Paris bequem von Ihrem Sofa aus verfolgen, oder aber sie kommen selbst ein bisschen in Bewegung mit denken, fechten, Judo, Gewichtheben, Skateboard fahren oder turnen.

Machen Sie sich auf den Weg zu Ihrem inneren Gold und zu Ihrer neuen persönlichen Bestleistung!

Wir empfehlen fünf kulturelle Sportstätten für August 2024, die sich nicht in Paris, sondern in Thun, Melbourne, Maastricht, Värnamo und Philadelphia befinden. 


„Gunta Stölzl und Johannes Itten. Textile Universen“ im Kunstmuseum Thun, Thun, Schweiz

Die üblichen Erzählungen über das Bauhaus und die Bauhäusler sind, wie schon oft in diesen Mitteilungen angemerkt, sehr statisch und linear, wurden vor langer Zeit geschrieben und neigen dazu, alles abseits des Etablierten zu verdrängen. Dieser Zustand verhindert Einsichten in die Entwicklung von Kreativität, Kultur und Gesellschaft und Erkenntnisse über unsere heutige Zeit, die nur möglich werden, wenn man proaktiv den kurvenreichere Erzählungen und Biografien folgt.

Mit „Gunta Stölzl und Johannes Itten. Textile Universen“ verspricht das Kunstmuseum Thun eine Lockerung eingetretener Pfade. Die Präsentation will zeigen, dass es bei Johannes Itten nicht nur um Farbe, Malerei, den Weimarer Vorkurs oder die beunruhigende Weltsicht von Mazdaznan geht, sondern auch viel um Textilien. Daneben sollen Gunta Stölzls Post-Bauhaus-Biografie und ihr vielfältiges Schaffen und Experimentieren in der Schweiz ihren Platz haben. So können Stölzl und Itten den Dialog und Diskurs, den sie über viele Jahrzehnte von Weimar bis in die Schweiz geführt haben und der für die Entwicklung ihrer Positionen, Ansätze und Werke wichtig war, wieder aufnehmen. Und das nicht nur im Kontext von Textilien.

Die von Stölzl und Itten entwickelten Positionen, Ansätze und Werke im Bereich der Textilien waren auch für die Entwicklung des Textilhandwerks und der Textilindustrie in der Schweiz im 20. Jahrhundert von Bedeutung. Der Dialog und Diskurs zwischen Stölzl und Itten wird  in „Textile Welten“ erweitert, extrapoliert und in den Kontext eines Netzwerkes von rund 100 Textildesignern gerückt. Damit illustriert die Ausstellung die anhaltende Relevanz und das Vermächtnis zweier Werkkomplexe, die nur selten öffentlich, und noch seltener in Beziehung zueinander diskutiert werden.„Gunta Stölzl und Johannes Itten. Textile Welten“ wird am Samstag, den 17. August im Kunstmuseum Thun, Thunerhof, Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun eröffnet und läuft bis Sonntag, 1. Dezember. Weitere Informationen sind unter https://kunstmuseumthun.ch. zu finden.

Chenille aus Baumwolle und Viskose von Gunta Stölzl 1962, Teil der Textilwelten von Gunta Stölzl und Johannes Itten, Kunstmuseum Thun, Thun (Foto mit freundlicher Genehmigung des Kunstmuseums Thun).

„Reimagining Birrarung. Design Concepts for 2070“ in der National Gallery of Victoria, NGV, Melbourne, Australien

2017 verabschiedete die Regierung des Bundesstaates Victoria den Yarra River Protection (Wilip-gin Birrarung murron) Act, ein Gesetz, das den Yarra River, Birrarung und seine Umgebung als „lebende und integrierte natürliche Einheit“ definiert. Das Recht des Yarra River, Birrarung und Umgebung auf eine Existenz als autonome Einheit wurde so gesetzlich verankert. Dieser Vorgang ist ein Beispiel für zahlreiche zeitgenössische Gesetze und Gesetzgebungsversuche, die darauf abzielen, der natürlichen Umwelt ähnliche Rechte wie dem Menschen zuzugestehen, indem versucht wird, die natürliche Umwelt vor den Handlungen des Menschen zu schützen. Der natürlichen Umwelt wird so gewissermaßen das Recht zugestanden, sich selbst zu schützen und ihre Rechte einzuklagen.

Der Yarra River, Birrarung, der sich durch Melbourne schlängelt und somit ein städtischer als auch ein ländlicher Fluss ist, ist für alle von Bedeutung, die an seinem Lauf leben, nicht zuletzt für die Wurundjeri, die Hüter des Birrarung, Yarra River. Relevanz und Bedeutung sind jedoch nicht für alle dieselben. Das macht die Koexistenz am Yarra River zu einem hochkomplexen Thema.

Das Gesetz zum Schutz des Yarra River (Wilip-gin Birrarung murron) sieht außerdem die Schaffung eines „übergreifenden politischen und planerischen Rahmens zur Koordinierung und Harmonisierung der Planung für die Nutzung, die Entwicklung und den Schutz des Yarra River, seiner Parklandschaften und anderer Grundstücke in seiner Umgebung“ vor.

In vielerlei Hinsicht kann „Reimagining Birrarung: Design Concepts for 2070″ als Teil der Entwicklung dieses harmonischen Rahmens verstanden werden. Die Ausstellung verspricht eine Präsentation der Vorschläge von acht australischen Architektur- und Designbüros zu möglichen Zukunftsszenarien für Birrarung, Yarra River und all jene, die das Gebiet ihr Zuhause nennen. Außerdem soll das überlieferte Wissen der Wurundjeri mit zeitgenössischer Wissenschaft und Technologie verbunden werden. Rechtliche, zivilgesellschaftliche und soziale Strukturen, Rahmenbedingungen und Konventionen will die Ausstellung überdenken, um neue Ansätze für die menschliche Koexistenz mit Birrarung, dem Yarra River und seinen Bewohnern zu ermöglichen.

So will die Ausstellung nicht nur Einblicke in städtebauliche und raumplanerische Projekte und Ideen in Melbourne und Umgebung geben, sondern auch Einsichten darüber vermitteln, wie unsere Beziehung zur natürlichen Umwelt gestaltet werden könnte. Welche Möglichkeiten gibt es, sich von der gegenwärtigen Position des Besitzes und der Macht über die natürliche Umwelt hin zu einer Position zu bewegen, in der wir die natürliche Umwelt als gleichberechtigten Partner mit gleichen Rechten betrachten? Die Ausstellung könnte so auch zu anderen aktuellen globalen Debatten über den rechtlichen Status natürlicher Ökosysteme beitragen.

“Reimagining Birrarung. Design Concepts for 2070” wird am Freitag, den 23. August im Ian Potter Centre, National Gallery of Victoria, NGV, Fed Square, Melbourne VIC 3000 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 2. Februar. Weitere Informationen finden Sie unter www.ngv.vic.gov.au.

Teil des Vorschlags von Realm Studios für die Zukunft des Yarra River, Birrarung, ein Teil von “Reimagining Birrarung – Design Concepts for 2070”, National Gallery of Victoria, NGV, Melbourne (Bild Realm Studios, mit freundlicher Genehmigung der National Gallery of Victoria, NGV)

„Machine à Amuser. The Life and Death of the Beistegui Penthouse Apartment“ im Bureau Europa, Maastricht, Niederlande

Das architektonische Werk von Charles-Édouard Gris alias Le Corbusier wird zwar regelmäßig besprochen und vorgestellt, es enthält aber auch sehr viele selten besprochene und vorgestellte Projekte, darunter zahlreiche, die alternative Einblicke in den Menschen, Architekten und Designer Le Corbusier bieten.

Eines dieser Projekte ist die von Le Corbusier und Pierre Jeanneret 1929-1932 errichtete Penthouse-Villa für den führenden Vertreter der Haute Bohème im Paris des frühen 20. Jahrhunderts, Carlos de Beistegui. Ein Penthouse, das auf einem Dach hoch über den Champs-Élysées entstand und sowohl Innen- als auch Außenraum war. Wie der Titel der Ausstellung andeutet, war dieses Penthouse eher al eine „machine à amuser“ denn als eine „machine à habiter“ konzipiert, das heißt als eine Maschine zum Vergnügen und nicht zum Wohnen.

Basierend auf dem kürzlich erschienenen gleichnamigen Buch des niederländischen Architekten und Architekturprofessors Wim van den Bergh verspricht “Machine à Amuser” das Beistegui-Penthouse und die unzähligen Funktionen seiner Innen- und Außenräume vorzustellen, dazu gehört zum Beispiel eine Hecke, die sich auf Knopfdruck wegrollt und den Blick auf die Champs-Élysées freigibt. Das ist nur eine von zahlreichen elektronischen Verrücktheiten, die deutlich machen, dass Carlos de Beistegui eng mit vielen führenden Surrealisten der Epoche verbunden war, und die außerdem so gar nicht nach Le Corbusier klingen. Sie wurden aber auch nicht auf Initiative von Le Corbusier entwickelt. 

Die Geschichte des Beistegui-Penthouses ist auch die Geschichte der Beziehung zwischen Beistegui als Bauherr und Le Corbusier als Architekt: Le Corbusier entwickelte zahlreiche Aspekte der Innen- und Außenräume des Penthouses und nutzte die Gelegenheit, die ihm der Auftrag und der Reichtum des Bauherrn boten, um mit zahlreichen zeitgenössischen Entwicklungen im Bereich des Bauwesens zu experimentieren. Er war aber als Architekt auch gezwungen, die Launen eines, wie man hört, völlig außer Kontrolle geratenen Millionärs in das Bauvorhaben zu integrieren. Das ist eine ungewohnte Perspektive auf Le Corbusier, von dem man gemeinhin annimmt, dass seine Projekte immer unter seiner Kontrolle entstanden. 

Die Ausstellung sollte so neben differenzierten Perspektiven auf das Paris der späten 1920er Jahre und auf die Verbindungen zwischen der Haute Bohème und der Avantgarde vor allem dazu beitragen, die Wertschätzung des Architekten und Menschen Le Corbusier zu erweitern und zu vertiefen.

“Machine à Amuser. The Life and Death of the Beistegui Penthouse Apartment§ wird am Freitag, den 9. August im Bureau Europa, Timmerfabriek, Boschstraat 9, 6211 AS Maastricht eröffnet und läuft bis Sonntag, den 3. November. Weitere Informationen finden Sie unter www.bureau-europa.nl.

„Machine à Amuser. The Life and Death of the Beistegui Penthouse Apartment“, Bureau Europa, Maastricht

„SIMBY – Sun in My Backyard“ im Vandalorum Museum of Art & Design, Värnamo, Schweden

Die Ausstellung “Transform! Design und die Zulunft der Energie“ im Vitra Design Museum, Weil am Rhein, widmet sich unter anderem dem Thema Future Energyscapes, der Integration neuartiger Energieerzeugungs- und -verteilungssysteme und -netze in die Raum- und Stadtplanung. Es geht um die Koexistenz zwischen der Art, wie wir Energie erzeugen und verteilen, und der Art, wie wir leben – ein Thema, das in der Umsetzung nicht frei von Schwierigkeiten und Konflikten ist: Niemand möchte neben einem Kraftwerk oder unter einer Stromleitung wohnen, arbeiten, sich erholen oder Urlaub machen. Schwierigkeiten und Konflikte, die auch im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien – Windkraftanlagen sind vielleicht das augenfälligste Beispiel – bestehen bleiben.

Aber wie “Transform!” auch deutlich gemacht hat, brauchen und wollen wir alle Energie, immer mehr Energie für unsere zunehmend digitale Gesellschaft, und deshalb müssen wir Wege finden, die Energieerzeugung und -verteilung in unser Leben und vor allem in unsere Raum- und Stadtplanung zu integrieren.

Im Rahmen des Projekts Sun In My BackYard, SIMBY, eine Anspielung auf NIMBY, Not In My BackYard, das so oft Teil solcher Diskussionen ist, hat RISE – Research Institutes of Sweden, ein staatliches, unabhängiges Institut, eine Untersuchung darüber begonnen, wie die Erzeugung, Verteilung und Nutzung von Solarenergie ohne Schwierigkeiten und Konflikte in die Raum- und Stadtplanung integriert werden kann.

Mit “SIMBY – Sun in My Backyard” präsentiert Vandalorum eine Auswahl von Vorschlägen, Prototypen und Modellen, die im Rahmen des SIMBY-Projekts von akademischen und industriellen Praktikern entwickelt wurden, um nicht nur Wege für und mit Solarenergie im Alltag aufzuzeigen, sondern auch die Akzeptanz für neuartige Energielandschaften zu erhöhen, die wir brauchen, um den Anteil der Solarenergie an der Stromerzeugung zu erhöhen.

Und ja, das alles klingt ein wenig nach einer Präsentation im Rahmen einer Kampagne für eine dogmatische Pro-Solar-Ideologie, aber nur, wenn man es so sieht. Offen betrachtet, als eine Reihe von Vorschlägen, spekulativen Zukunftsszenarien, Brainstormings, denen man zustimmen kann oder auch nicht, ist es Teil einer wichtigen Debatte, die inszeniert werden muss.

Und genau diese Art von Diskursplattform sollten Museen heute biten.

“SIMBY – Sun in My Backyard” wird am Mittwoch, den 14. August im Vandalorum Museum of Art & Design, Skulpturvägen 2, 331 44 Värnamo eröffnet und läuft bis Sonntag, den 15. September. Weitere Informationen unter www.vandalorum.se.

SIMBY – Sun in My Backyard, Vandalorum Museum of Art Design, Värnamo

„Firing the Imagination: Japanese Influence on French Ceramics, 1860-1910“ at Philadelphia Museum of Art, Philadelphia, Pennsylvania, USA

Philadelphia ist die Heimatstadt von DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince und damit auch die offizielle Heimat von Summertime. Wo könnte man also im August besser abhängen und einen

groove slightly transformed (etwas anderen Groove genießen?)

Just a bit of a break from the norm (Einfach mal aus der Reihe tanzen)

Bei der Ausstellung „Firing the Imagination“ geht es aber nicht um eine Pause von all dem Hardcore 

all that hardcore dance that has gotten to be
A little bit out of control (All das Hardcore-Tanzen, das etwas aus dem Ruder gelaufen ist.)

sondern um eine Pause von den akzeptierten Modellen und Konventionen der französischen Keramik des 19. Jahrhunderts!

Es geht um einen veränderten Groove und einen Bruch mit der Norm, initiiert und beeinflusst durch das Ende der Sakoku-Periode im Jahr 1868, jener Zeit der selbst auferlegten Isolation Japans von der internationalen Gemeinschaft, die seit 1603 den Zugang zu Japan, japanischen Waren und japanischer Kultur im Wesentlichen versperrt hatte. Deren Aufhebung bescherte den europäischen Kreativen aller Couleur ungeahnte, neue, frische, aufregende Impulse, Inspirationen, Methoden, Materialien und Ansätze. Als solches war das Ende von Sakoku sehr wichtig für die Entwicklung aller kulturellen Ausdrucksformen in Europa, nicht zuletzt für die Entwicklung des Jugendstils in seinen verschiedenen Ausprägungen.

Ausgehend von einer kürzlich erworbenen Privatsammlung französischer Keramik von François Laurin, Albert-Louis Dammouse oder Félix-Joseph-Auguste Bracquemond verspricht „Firing the Imagination“ nicht nur zu beleuchten, wie die Impulse aus Japan die Wertschätzung und den Umgang mit Keramik im Frankreich des 19. Jahrhunderts verändert haben, sondern auch die anhaltende Relevanz und das Erbe dieser Epoche in allen Bereichen der Kreativität herauszustellen. Es geht auch darum, den globalen Charakter des kreativen Dialogs und die Notwendigkeit dieses globalen Dialogs hervorzuheben.

„Firing the Imagination: Japanese Influence on French Ceramics, 1860-1910“ wird am Samstag, den 31. August im Philadelphia Museum of Art, 2600 Benjamin Franklin Parkway, Philadelphia, PA 19130 eröffnet und läuft bis Montag, den 26. Mai. Weitere Informationen unter https://philamuseum.org.

Eine Schale von Félix-Joseph-Auguste Bracquemond aus dem Jahr 1879, die zu den „Firing the Imagination. Japanese Influence on French Ceramics, 1860 1910“, Philadelphia Museum of Art, Philadelphia (Foto © und mit freundlicher Genehmigung des Philadelphia Museum of Art)