5 neue Architektur- und Designausstellungen im Januar 2021

Das einzige, was beim Jahreswechsel von 2020 zu 2021 gewiss zu sein scheint, ist die anhaltende Ungewissheit. Diese Ungewissheit wird zunehmend zum Dauerzustand und sorgt so dafür, dass sich immer mehr „Pläne“ in „Optionen“ verwandeln. So sind weltweit auch viele Architektur- und Designmuseen gezwungen, das erste Quartal 2021 zu überspringen, und ihre neuen Ausstellungseröffnungen auf April oder einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Unter „kommende Ausstellungen“ auf den Webseiten der Museen herrscht also gähnende Leere. Aber so wie die kälteste Stunde die kurz vor der Morgendämmerung ist, können wir sicher sein, dass der Mangel an neuen Architektur- und Designausstellungen im ersten Quartal 2021 im Frühjahr einer Flut weichen wird. Wir können uns also vornehmen, im Sommer täglich eine Ausstellung zu besuchen und haben immer noch Optionen.

Dieser Zustand hat uns veranlasst, eine hybride Empfehlungsliste für Januar 2021 zu erstellen: Dazu zählen Offline-Ausstellungen in Berlin, Hamburg und Metz sowie Online-Ausstellungen aus Warschau und Weimar/Dessau.

Und wie immer in diesen Zeiten gilt: Machen Sie sich bitte im Voraus mit den aktuellen Regeln bezüglich Tickets, Eintritt, Sicherheit, Hygiene, Garderobe usw. vertraut und bleiben Sie während Ihres Ausstellungsbesuchs bitte verantwortungsbewusst und vor allem neugierig.

5 (New) Architecture & Design Exhibitions for January 2021

„Anything Goes? Berliner Architekturen der 1980er Jahre“ in der Berlinischen Galerie

Alle, die auch nur eine kurze Bus-, Straßenbahn- oder Zugfahrt durch die deutsche Hauptstadt unternehmen, werden auf den Titel der kommenden Ausstellung der Berlinischen Galerie mit einem klaren „Ja“ antworten.

Mit „Anything Goes?“ möchte die Berlinische Galerie einen gründlichen Blick auf die architektonische Entwicklung der Stadt in den 1980er Jahren werfen. Genauer gesagt handelt es sich um Städte, da Berlin bekanntlich bis 1990 noch in Ost- und Westberlin geteilt war. Es handelt sich daher um ein sehr spezifisches Beispiel für die Entwicklung von Architektur und Stadtplanung während der 1980er Jahre. Die 1980er Jahre können zudem für sich genommen als höchst spezifisch bezeichnet werden, da sie die Eigenheiten der Postmoderne hervorbrachten.

Mit einem Fokus auf Projekten, die im Kontext der Internationalen Bauausstellung 1984/87 in Westberlin und der Bauausstellung der DDR 1987 in Ostberlin entstanden sind, verspricht „Anything Goes?“ die notwendige Aufarbeitung eines leicht zu übersehenden Moments in der Berliner Architekturgeschichte. Aufgrund der Konzentration der Projekte, der Vielfalt der ProtagonistInnen und der Besonderheit der Ost/West-Teilung verspricht die Ausstellung neue, differenzierte Reflexionen zur Architektur der Postmoderne in Berlin und darüber hinaus zu liefern.

Damit soll die Ausstellung nicht nur dazu beitragen, die internationale Architektur der Postmoderne zugänglicher zu machen, die man sonst vielleicht ignoriert, sondern auch kritisch reflektierte Bus-, Straßenbahn- und Zugfahrten durch die deutsche Hauptstadt ermöglichen.

„Anything Goes? Berliner Architekturen der 1980er Jahre“ wird am Freitag, den 29. Januar in der Berlinischen Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, 10969 Berlin, eröffnet und läuft bis Montag, den 16. August. Bitte informieren Sie sich auf der Website der Berlinischen Galerie über die aktuelle Ausstellung.

Friedrichstadtpalast by Manfred Prasser, Dieter Bankert, Walter Schwarz, part of Anything Goes? Berlin Architecture in the 1980s, the Berlinische Galerie, Berlin (Photo unknown, © and courtesy Berlinische Galerie)

Friedrichstadtpalast von Manfred Prasser, Dieter Bankert and Walter Schwarz, „Anything Goes? Berliner Architekturen der 1980er Jahre“, Berlinische Galerie, Berlin (Foto mit freundlicher Genehmigung der Berlinischen Galerie)

„Between objects. Correspondences, confrontations…“ Polnisches Design aus der Sammlung des Nationalmuseums in Warschau

Mit einer Online-Ausstellung stellt das Nationalmuseum Warschau Objekte aus der ständigen Designsammlung des Museums einander gegenüber: Konkret handelt es sich um Möbel-, Keramik-, Glas-, Spielzeug- und Textildesigns polnischer DesignerInnen aus dem 20. und 21. Jahrhundert.

Durch das Hervorheben der Zusammenhänge und Gegensätze wird die Online-Ausstellung einmal mehr deutlich machen, dass die Evolution unserer Gebrauchsgegenstände selten auf einer rein funktionalen Ebene stattfindet, sondern immer eine Evolution der Form, der Materialien, der Konstruktion und der Interaktion ist. Die Form mag somit zwar der Funktion folgen, tut dies aber selten ausschließlich. Darüber hinaus bietet die Ausstellung eine sehr befriedigende Einführung in das polnische Design seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts.

Und dabei handelt es sich um ein Thema, zu dem die meisten von uns eine Einführung benötigen. Natürlich benötigen wir eine solche Einführung nicht wie Sauerstoff oder Wasser, sie kann uns allerdings bei der Annäherung an ein nachhaltigeres Verständnis der Designgeschichte und damit einer Erweiterung unseres Horizonts behilflich sein und lässt uns so über unseren eigenen Tellerrand schauen und etwas Neues kennenlernen.

Die Ausstellung „Between objects“ beginnt mit einer kurzen Einführung, bevor sie zum Hauptteil  übergeht, und nimmt die BesucherInnen mit auf eine leicht zugängliche und gut strukturierte Tour. Zu dieser Tour gehört erfreulicherweise ebenso die Vorstellung von ProtagonistInnen wie die Gegenüberstellung polnischer Designobjekte. Die Gegenüberstellung des polnischen Designs mit dem internationalen Design wird den BesucherInnen größtenteils selbst überlassen, allerdings sind die Ausstellungsobjekte so deutlich ausgeschildert, dass der Schritt in einen größeren Zusammenhang einfach und oft sehr erhellend ist. Das gilt auch für die vielen neuen Wege und Verknüpfungen, die sich im Laufe des „Spiels“ ergeben.

Wenn wir etwas zu bemängeln hätten, dann dass man, nachdem man einem Link zu einem bestimmten Objekt gefolgt ist, nur zum Anfang der Präsentation zurückkehren kann und nicht zu der Seite, auf der man sich befand. Man verbringt so viel Zeit mit dem Hin- und Herblättern. Der Fehler liegt hier jedoch bei Google und nicht beim Nationalmuseum Warschau. Ohnehin ist es wichtig zu verstehen, dass Google genauso fehlbar ist wie der Rest von uns.

Between objects. Correspondences, confrontations… Polish design from the collection of the National Museum in Warsaw
Between objects. Correspondences, confrontations… Polish design from the Collection of the National Museum in Warsaw

„Aerodream. Architektur, Design und Aufblasbare Strukturen 1950-2020“ im Centre Pompidou-Metz, Metz, Frankreich

Unter den vielen, vielen Errungenschaften, die wir heute dem 19. Jahrhundert zu verdanken haben, ist die luftgefüllte Gummistruktur eine, die man wohl am schnellsten übersieht. Nicht zuletzt, weil sie so banal und offensichtlich ist. Doch versucht man sich auch nur kurz klar zu machen, wohin der Fahrradreifen die Gesellschaft weltweit gebracht hat, wird deutlich, wie grundlegend diese „banale“ Idee einen Gummischlauch mit Luft zu füllen gewesen ist und wie zunehmend wichtig sie wurde, als im Laufe des 20. Jahrhunderts synthetische Kunststoffe entwickelt wurden, die sich mit Luft füllen ließen.

Dieser Entwicklung will das Centre Pompidou-Metz auf den Grund gehen und präsentiert und erforscht dazu die unterschiedlichsten luftgefüllten synthetischen Materialien. Dazu zählen die frühen, hauptsächlich aus Gummi bestehenden, industriellen Anwendungen, die Ideen der aufblasbaren Kunststoffe im Kontext der Utopien aus der Mitte des 20. Jahrhunderts sowie deren Niedergang, als die Gesellschaft des späten 20. Jahrhunderts begann, zunehmend nach der Umweltverträglichkeit zu fragen. Und schließlich ein langsames Revival im 21. Jahrhundert, da jetzt erneuerbare, synthetische Materialien eine Neuinterpretation der frühen industriellen Anwendungen und der Utopien des 20. Jahrhunderts ermöglichen.

Mit einer Präsentation, die Kunst, Architektur und Design umfasst und Projekte von so unterschiedlichen ProtagonistInnen wie Frei Otto, Andy Warhol, Haus-Rucker-Co, Bernard Quentin, Otto Piene oder De Pas, Urbino & Lomazzi vorstellt, soll „Aerodream“ nicht nur ein differenziertes Verständnis der Geschichte der aufblasbaren Strukturen und Objekte des 20. und 21. Jahrhunderts ermöglichen, sondern auch qualifiziertere Überlegungen darüber liefern, ob und wie wir ein so banales und offensichtliches Konzept nutzen können, um eine demokratischere und nachhaltigere Gesellschaft zu schaffen. „Aerodream. Architektur, Design und Aufblasbare Strukturen 1950-2020“ wird am Samstag, den 30. Januar im Centre Pompidou-Metz, 1 Parvis des Droits de l’Homme, 57000 Metz eröffnet und läuft bis Montag, den 23. August. Bitte besuchen Sie die Website des Centre Pompidou-Metz für aktuelle Informationen.

Pavillon du groupe Fuji, Osaka by Yutaka Murata, 1970 (photo © Yutaka Murata, courtesy Centre Pompidou-Metz)

Pavillon du groupe Fuji, Osaka von Yutaka Murata, 1970 (Foto © Yutaka Murata, mit freundlicher Genehmigung des Centre Pompidou-Metz)

„Frauenklasse? Klasse Frauen!“, Stiftung Bauhaus Dessau

So sehr das Bauhaus auch als besonders revolutionär hochgehalten wird, so sehr war die Institution auch ihrer Zeit verpflichtet. Das wird besonders deutlich im Kontext der Frauenabteilung, auch Weberei genannt, jener Platz der Frauen am Bauhaus, den nur sehr wenige mieden, und viele andere ablehnten, und der sowohl das Geschlechterverhältnis in den 1920er Jahren als auch das Rollenverständnis der Frau in den Bereichen Architektur und Design während der 1920er Jahre widerspiegelt. Präsentiert von der Stiftung Bauhaus Dessau nimmt „Frauenklasse? Klasse Frauen!“ Sie mit auf eine chronologische Reise durch die Geschichte der Bauhaus-Weberei und beleuchtet damit sowohl die zahlreichen Manifestationen, die sie in Weimar und Dessau erlebte, als auch ihre immer wieder neuen Beziehungen zur Schule.

Für unseren Geschmack fällt diese Reise einen Hauch zu euphorisch aus. Das ist ein Punkt, der unserer Meinung nach auf die meisten Online-Ausstellungen der Stiftung Bauhaus Dessau zutrifft. Dieser Charakterzug resultiert, so denken wir, aus dem Versuch, dem Bauhaus eine Sonderstellung zu sichern, die es letztlich einfach nicht hat und auch nicht haben muss. Das Bauhaus hat eine Bedeutung, die ausreicht. Das, was die Online-Ausstellung in ihrer atemlosen Euphorie auslässt, ist allerdings so deutlich auch ein Teil der Geschichte des Bauhauses, dass „Frauenklasse? Klasse Frauen!“ immer noch eine sehr prägnante, sehr schlüssige und wichtige Einführung in eine der relevanteren und interessanteren Komponenten des Bauhauses bietet, und als offene Einladung verstanden werden sollte, weiterzuforschen und Antworten auf jene unangetasteten, aber sehr drängenden Fragen zu suchen.

Stiftung Bauhaus Dessau – Frauenklasse? Klasse Frauen!

Frauenklasse? Klasse Frauen! Stiftung Bauhaus Dessau

„De Chirico. Magische Wirklichkeit“ in der Hamburger Kunsthalle

Mit seiner „pittura metafisica“, seiner metaphysischen Malerei, gehörte der italienische Künstler Giorgio de Chirico zu den wichtigsten WegbereiterInnen des Surrealismus und der Neuen Sachlichkeit, was, nein, kein Widerspruch ist. Nur eine weitere Bestätigung, dass Entwicklungen in Kunst, Architektur und Design selten linear verlaufen und sich sauber abbilden lassen, auch wenn wir das alle immer wieder versuchen.

Mit einer Präsentation von über 80 Werken nicht nur von de Chirico selbst, sondern auch von ZeitgenossInnen wie u.a. Giorgio Morandi und Pablo Picasso sowie von SymbolistInnen wie Arnold Böcklin und Max Klinger, die für de Chiricos Kunst einflussreich waren, soll „Magische Wirklichkeit“ nicht nur eine umfassende Einführung in das Werk von Giorgio de Chirico liefern und helfen, ihn besser in die Kunstgeschichte einzuordnen, sondern auch eine differenzierte Perspektive darauf ermöglichen, wie sich Architektur und Design im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelt haben. Dazu gehört auch die Einsicht, dass Kunst, Architektur und Design, so sehr sie sich heute auch voneinander abgrenzen lassen, in früheren Zeiten viel enger miteinander verbunden waren und in einem viel engeren Dialog standen. Da schließt sich die Frage an, ob diese Nähe, dieser Dialog mit der Kunst in der zeitgenössischen Architektur und im zeitgenössichen Design nicht notwendig oder zumindest wünschenswert, zweckmäßig ist?

Die große Leere in vielen von de Chiricos Arbeiten könnte für ein wenig (dringend benötigte) Katharsis sorgen, während wir nach einem Ausweg aus unserer momentanen, wenig magischen Realität suchen. Außerdem bietet die Ausstellung eine rechtzeitige Erinnerung daran, dass es nicht darauf ankommt, was man sieht, sondern wie man es sieht.

„De Chirico. Magische Wirklichkeit“ wird am Freitag, den 22. Januar in der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, 20095 Hamburg eröffnet und läuft bis Sonntag, den 25. April. Bitte besuchen Sie die Website der Hamburger Kunsthalle für aktuelle Informationen.

Giorgio de Chirico, Le Cerveau de l'enfant, 1914, part of De Chirico. Magical Reality, Hamburger Kunsthalle, Hamburg (image © Moderna Museet, Stockholm, courtesy Hamburger Kunsthalle)

Giorgio de Chirico, Le Cerveau de l’enfant, 1914, „De Chirico. Magische Wirklichkeit“, Hamburger Kunsthalle, Hamburg (Bild © Moderna Museet, Stockholm, mit freundlicher Genehmigung der Hamburger Kunsthalle)

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