Nein, es sind nicht nur Schulterpolster und grelle Farbkontraste!
Die Ausstellung "1980s - A new era in furniture design" im Museum of Furniture Studies untersucht das Möbeldesign eines bewegten Jahrzehnts. Eines Jahrzehnts, das ein grundlegend neues Verständnis von Möbeldesign hervorbrachte, und einen so nachhaltigen Einfluss hatte wie zuvor nur die 1920er Jahre.
Das im Jahr 2018 als öffentlich zugänglicher Ort für die Möbelkollektion der Designer Kersti Sandin und Lars Bülow gegründete Museum für Möbelstudien ist, wie der Name schon sagt, eher ein Ort der Studien als der Anschauung und aus diesem Grund ein Ort, an dem man mit den Werken hautnah in Kontakt treten kann. Die Dauerausstellung mit rund 500 Objekten ist mehr oder weniger chronologisch in zwei Ebenen angeordnet und ermöglicht einen sehr direkten Zugang.
Da es sich um eine persönliche Sammlung handelt, basiert die Auswahl nicht notwendigerweise auf kulturhistorischen oder designtheoretischen Aspekten, sondern auf Kersti Sandins und Lars Bülows Verständnis von Möbeldesign. Als solche weist die Sammlung zahlreiche Werke und Designer auf, die man in einer Museumssammlung normalerweise nicht finden bzw. nicht erwarten würde. Schwedische Möbel sind stark vertreten. Auf das Museum selbst werden wir aber später nochmal zurückkommen, unser Schwerpunkt liegt auf der aktuellen Sonderausstellung.
Nach den Ausstellungen "Déjà-vu - design themes over the ages", die sich mit wiederkehrenden Themen im Möbeldesign beschäftigte, und "Braided & Laced", die sich auf Flechten und Schnüren als Techniken im Möbeldesign konzentrierte, untersucht das Museum mit "1980s - A new era in furniture design" die Entwicklung des Möbeldesigns in den 1980er Jahren, vor allem im schwedischen Kontext.
Dabei ist zu beachten, dass die 1980er Jahre in vielerlei Hinsicht den Beginn der beruflichen Laufbahn von Kersti Sandin und Lars Bülow darstellen: Beide haben ihren Abschluss Ende der 1970er Jahre an der Konstfack, Stockholm, gemacht, waren in ihren späten 20ern als junge Designer in Mailand auf der Salone 81 für die erste Memphis-Ausstellung, kehrten in diesem Jahrzehnt regelmäßig nach Mailand zurück und machten erste Schritte in der schwedischen Designindustrie. In den 1980er Jahren realisierten sie ihre ersten Projekte, gewannen erste Auszeichnungen und bauten ihre Netzwerke auf.
Bei den 1980er Jahren handelt es sich also um ein Jahrzehnt, in dem Kersti Sandin und Lars Bülow ihr Designverständnis entwickelt haben, und um ein Jahrzehnt, das die beiden authentisch rekapitulieren können. Sie können die Entwicklungen dieser Zeit so legitim vertreten und haben Dank persönlicher Erfahrungen eine Perspektive, die nicht nur kulturelle, soziale, politische und wirtschaftliche Einflüsse der Zeit, sondern auch Individuen, Unternehmen, Publikationen und vieles mehr mit einschließt. Ja, es handelt sich um subjektive Erfahrung, aber diese fließt natürlich immer in kuratorische Forschungen mit ein.
Selten gibt es einen definitiven Ausgangspunkt für eine bestimmte Entwicklung im Design. Aber meist gibt es bestimmte Punkte, die wichtiger sind als andere, und im Falle der 1980er Jahre ist einer dieser Punkte zweifellos die Memphis-Gruppe, die bis heute am prominentesten ein damals neues, umstrittenes Verständnis von Ästhetik, Materialien, Wert und Funktionalität zum Ausdruck bringt. Memphis bildet so auch den Einstieg in die Ausstellung "1980s - A new era in furniture design". Bevor man jedoch zur Mailänder Memphis von Ettore Sottsass, Michele de Lucchi, Peter Shire u.a. gelangt, wird man mit der weniger bekannten "nordischen Memphis" vertraut gemacht, die durch von Memphis inspirierte Werke des schwedischen Architekten und Designers Olle Anderson für Hersteller wie Boréns oder Horreds in der Ausstellung vertreten ist.
Memphis ist jedoch nicht der einzige Impuls der Ausstellung von Anfang der 80er Jahre, nicht der einzige Impuls, der eine neue Ära des Möbeldesigns einleitete. Hinzu kommen Beispiele von Arbeiten von Designern wie Lindau & Lindekrantz, John Kandell oder Gunilla Allard sowie Überlegungen zur Rolle von Herstellern wie Källemo, Lammhults oder Blå Station. Letztere wurde, wie die Ausstellung erklärt, 1986 von dem Designer Börje Lindau als Reaktion auf den Geist der Befreiung gegründet, den ein neues Verständnis des Möbeldesigns und wohl auch die Notwendigkeit neuer Kanäle und Plattformen zur Verbreitung der neuen Werke mit sich brachten.
"1980s - A new era in furniture design" stellt die Entwicklungen auch in einen breiteren, internationalen Kontext: Mit Werken wie Jasper Morrisons Thinking Man's Chair, Tom Dixons S Chair und mehreren Arbeiten des finnischen Designers Yrjö Kukkapuro.
Die Ausstellung endet mit der Frechheit und Rohheit der frühen 1980er Jahre, die zunehmend einer raffinierteren, rationaleren Version dieser Frechheit und Rohheit weichen sollte. Diese Entwicklung wird durch eine Sammlung von Objekten aus dem Hause Alessi, das Moment Bücherregal und das Sofa von Niels Gammelgaard für IKEA repräsentiert. Objekte, die zusammen mit anderen IKEA-Objekten in der Dauer- und Wechselausstellung unterstreichen, wie wichtig das Unternehmen für die Entwicklung des Designs des 20. Jahrhunderts in Schweden war.
In Anbetracht des begrenzten Ausstellungsraumes kann "1980s - A new era in furniture design" nur eine kurze Einführung in die Zeit ermöglichen, und dass vor allem in einem schwedischen Kontext. Die Begleittexte bieten aber eine gute Grundlage für alle, die interessiert sind, ihr Wissen um die Geschichte des Möbeldesigns zu vertiefen. Und das lässt sich sofort in der Dauerausstellung nebenan verwirklichen, die nicht nur Objekte aus den 70er und 80er Jahren umfasst.
"1980s - A new era in furniture design" macht deutlich, warum man über die Oberflächlichkeit der Schulterpolster und grellen Farbkontraste hinausschauen sollte.
Die Ausstellung ist bis Sonntag, den 1. September im Museum of Furniture Studies, Magasin 6, Frihamnsgatan 50, (Frihamnen Harbour), Stockholm zu sehen. Offiziell ist das Museum nur mittwochs geöffnet, Gruppen- und Privatführungen sind allerdings auch an anderen Tagen auf Anfrage möglich.
Alle Details gibt es auf www.mobeldesignmuseum.se.