Während Frankfurt für sich beanspruchen kann der Geburtsort des deutschen Dichters, Dramatikers, Wissenschaftlers, Staatsmannes usw. Johann Wolfgang von Goethe zu sein, war das Nahe gelegene Offenbach nicht nur der Geburtsort seiner fast verheirateten und langjährigen Geliebten Lili Schönemann, sondern es war auch die damalige, relative Ruhe von Offenbach, in der sich Goethes Liebe zu Lili entwickelte und wuchs; „Lili war die erste Person, die ich zutiefst liebte, und vielleicht war sie die letzte“. Das habe, so wird berichtet, der achtzigjährige Goethe einem Freund anvertraut.
Hätte eine solche Liebe dem Besuch des Rundgangs 2018 an der Hochschule für Gestaltung standgehalten? Würden wir uns unserer eigenen Lili noch immer so verbunden fühlen?
Die Geschichte der Hochschule für Gestaltung, HfG Offenbach beginnt mit der Gründung 1832 durch eine von Georg Fink privat finanzierte Handwerksschule, die offenbar dringend nötig war, bedenkt man, dass die Einrichtung erstmals 1846 vom örtlichen Handwerksverband und dann 1875 von der Gemeinde übernommen wurde, die dann wiederum 1877 die Handwerksschule mit der örtlichen Kunstgewerbeschule zusammenschloss, um die Technischen Lehranstalten zu Offenbach am Main zu gründen, die zum Glück 1885 in Hochschule für Gestaltung umbenannt wurde. 1903 wurde dem Institut eine Maschinenbauschule angeschlossen, und so beherbergte es schließlich eine Schule für Bauwesen, Maschinenbau, Angewandte Kunst und Handwerk. Das allerdings nur bis Mitte der 1930er Jahre, als die Nazis die Bau- und Maschinenbauschulen nach Darmstadt verlagerten und damit Offenbach wieder zu einer Kunstgewerbeschule machten. Nach dem Krieg etablierte sich das Institut wieder als Offenbacher Werkkunstschule und wurde 1970 zur Hochschule für Gestaltung, die nach zahlreichen Lehrplan- und Schwerpunktwechseln heute Studiengänge in den Bereichen Kunst, Kommunikationsdesign, Szenografie, Kostüm sowie Design anbietet. Innerhalb der von der Schule gepflegten traditionellen deutschen Diplomstruktur sind wiederum Spezialisierungen u. a. in den Bereichen integriertes Design, materialorientiertes Design oder Möbeldesign möglich.
Der Rundgang der Hochschule für Gestaltung Offenbach präsentierte 2018 einen Mix aus Abschlussarbeiten und den Ergebnissen zahlreicher Semesterprojekte – und damit ein Format, das einem die Auffassung, die die Schule von Designausbildung hat, näher bringt und auch einen Einblick in jene Themen, Prozesse, Technologien und Fähigkeiten ermöglicht, die die Schule für relevant hält. Im Fall der HfG Offenbach war für uns der Eröffnungsabend die einzige Möglichkeit den Rundgang zu besuchen – unfreiwillig, da wir Menschenmassen gegenüber abgeneigt sind. Hinzu kam, dass wir aus verschiedenen Gründen nicht so viel Zeit hatten, wie wir es uns gewünscht hätten. Und so ist uns mit ziemlicher Sicherheit die Nuancierung des einen oder anderen Projekts entgangen. Vor allem hatten wir keine Zeit, die Projekte im Institut für Materialdesign ausreichend detailliert zu betrachten, was wir allerdings versuchen so schnell wie möglich nachzuholen.
Was wir jedoch genießen konnten war der tatsächliche Rundgang durch die Gänge und Treppenhäuser von Hugo Eberhardts Gebäude von 1913 sowie dessen jüngster Erweiterung. Ein Rundgang, der deutlich macht, dass man sich in einer etablierten Kunsthochschule befindet. Der Geist der späten 60er Jahre folgt einem auf Schritt und Tritt und erzeugt bis heute eine relevante Resonanz.
Unter den vorgestellten Semesterprojekten hat uns vor allem „Draußen sitzen“ angesprochen, das die Ergebnisse eines Wettbewerbs unter Offenbacher Studenten für die Realisierung eines neuen öffentlichen Freilichtmuseums im Hessenpark in Neu-Anspach vorstellte – ein schönes Beispiel dafür, wie ein Semesterprojekt mit der Realität verbunden werden kann, anstatt in der Theorie hängen zu bleiben oder auf ein rein abstraktes Ergebnis abzuzielen. Der preisgekrönte Entwurf, ein modulares Sitz-/Tischsystem von Karlotta Klußmann, das an das traditionelle rustikale Holzschemel erinnert und sich so kitschfrei mit dem breiteren Museum verbindet, wird, wenn wir es richtig verstanden haben, in Neu-Anspach produziert und eingesetzt werden. Zu einer ähnlichen Verbindung von Design mit der realen Welt kam es auch bei einem Kurs, der soweit wir wissen „What Design Can Do: Kakao“ genannt wurde und bei dem es sich höchstwahrscheinlich um einen Teil einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen der HfG Offenbach und der NGO Bösöppe in Äquatorialguinea handelt.
An anderer Stelle beschäftigten sich zahlreiche Projekte mit Fragen zeitgenössischer urbaner Umgebungen, darunter „Wheel2Wheel“, ein Projekt, das sich mit Fragen zu Fahrrädern und ihrer Nutzung im urbanen Raum auseinandersetzt und das erfreulicherweise nicht nur viele hipsterlastige Klischees hervorbrachte, sondern auch praktische, soziale Aspekte erforschte.
Das Projekt „Infrastruktur und Identität“ hatte mit Überlegungen zur zeitgenössischen EU-Regionalförderungspolitik nichts zu tun, sondern kreiste vielmehr um die Frage, welche Rolle Design im Kontext urbaner Räume in Bezug auf Architektur spielt, bzw. um die Frage, was Designer im Gegensatz zu Architekten in städtische Räume einbringen können. Diese Überlegungen führten unter anderem zu „Faro“ von Martin Stegmaier – ein Projekt, das vorschlägt Laternenpfähle in Stadtmöbel zu verwandeln und so deren Funktion über das einfache Aufhängen von Abfallbehältern hinaus erweitert. Dazu gehört beispielsweise die Integration von modularen und damit austauschbaren und rekonfigurierbaren Komponenten wie z. B. Sitzmöbeln oder Fahrradständern.
In Kontext der eher technischen Fächer wurden die Studierenden in dem Projekt „Nodes“ angehalten sich mit Knoten auseinanderzusetzen, das heißt vor allem mit ihrer innovativen, syntaktischen Struktur. „Future Household Applications“ suchte wiederum in Zusammenarbeit mit VORWERK nach Vorschlägen für zukünftige Haushaltsgeräte. Dann war da noch „Ultrablue“ von und mit Professorin Petra Kellner & Dipl.-Des. Knut Völzke: Ein Projekt, das sich mit der Entstehung, den Eigenschaften und der Wirkung der Farbe Blau beschäftigte und bei uns dazu führte, dass wir für die nächsten drei Tage einen Ohrwurm von International Blue der Manic Street Preachers hatten.
Alle Details zur Hochschule für Gestaltung Offenbach sind unter www.hfg-offenbach.de zu finden.
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