An Eames Celebration im Vitra Design Museum

Mit der Ausstellung „The Work of Charles and Ray Eames“ im Jahr 1997 veranstaltete das Vitra Design Museum eine der ersten großen Charles und Ray Eames Retrospektiven.

Zwanzig Jahre später kehrt das Museum mit „An Eames Celebration“ zu zwei der bedeutendsten Kreativen des 20. Jahrhunderts zurück – diesmal mit weniger Charles und Ray, dafür mehr von der Diversität, Tiefe und Relevanz ihrer Arbeit.

Charles & Ray Eames. The Power of Design, Vitra Design Museum

„Charles & Ray Eames. The Power of Design“, Vitra Design Museum

Die Tatsache, dass schon 20 Jahre vergangen sind seitdem das Vitra Design Museum Charles und Ray Eames eine Ausstellung gewidmet hat, sollte nicht als mangelndes Interesse am Thema aufgefasst werden. Museumsdirektor Mateo Kries weist darauf hin, dass die Kollektion mit Eames Prototypen und Modellen zu den Grundpfeilern des Museums gehört; vielmehr habe die Vielzahl an möglichen Themen in Verbindung mit dem Bedürfnis immer etwas neues zu erforschen einfach dafür gesorgt, dass man es schlicht nicht in Erwägung gezogen hat.

Die Ausstellung des Barbican London The World of Charles and Ray Eames im Jahr 2015 sorgte allerdings für ein Umdenken. Das Museum war sich darüber klar, dass man in Anbetracht des Maßstabes und der Reichweite der Barbican Art Gallery nicht in der Lage sein würde eine Eames Ausstellung in ähnlichem Maßstab innerhalb der nächsten paar Jahre zu präsentieren. Folglich entschied man sich nicht nur die Ausstellung des Barbican zu zeigen, sondern diese als Basis für eine eigene Erforschung des Eames Œuvres zu nutzen. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass 20 Jahre vergangen sind seit der letzten Eames-Ausstellung. Oder wie es Jolanthe Kugler, Kuratorin des Vitra Design Museums erklärt: „Seit unserer letzten Ausstellung im Jahr 1997 ist eine Menge neues Material ans Licht gekommen. Es wurde viel geforscht in der Zwischenzeit. Das bedeutet, dass wir ein sehr viel besseres Verständnis, vor allem in Hinblick auf ihre Filme und Ausstellungen haben – beides Themen, die zuvor weniger im Fokus standen. Meist ging es um Ray und Charles Eames als Möbeldesigner, auch wenn sie so viel mehr waren als das. Die Ausstellung des Barbican war für uns die perfekte Gelegenheit die tatsächliche Bandbreite ihrer Arbeit zu zeigen.“

1940s moulded plywood leg splints by Charles and Ray Eames through Evans, as seen at Charles & Ray Eames. The Power of Design, Vitra Design Museum

Beinschienen aus Formschichtholz aus den 1940er Jahren von Ray und Charles Eames, gesehen bei „Charles & Ray Eames. The Power of Design“, Vitra Design Museum

Mit vier Ausstellungen verteilt auf dem gesamten Vitra Campus ist der wichtigste Teil der „Eames Celebration“ des Vitra Design Museums die Ausstellung „Ray & Charles Eames. The  Power of Design“ im Gehry Building des Vitra Design Museums. Dabei handelt es sich im Grunde um die Ausstellung der Barbican. Anstatt die Ausstellung aber einfach zu übernehmen hat sie das Vitra Design Museum weiterentwickelt. Die überwiegende Mehrheit wurde beibehalten, aber dort sinnvoll ausgebaut wo es Sammlung und Erfahrungen des Vitra Design Museums zuließen. Was also den Inhalt der Ausstellung „The Power of Design“ angeht, verweisen wir unsere werten Leser auf unseren Barbican Post. Einige Abschnitte der Ausstellung fehlen in Weil am Rhein, aber Ablauf und Schwerpunkte sind die gleichen, genauso wie auch viele unserer Gedanken dazu. Insofern ja, unserer Meinung nach erfährt man nach wie vor zu wenig über die Personen Ray & Charles Eames, über ihr Privatleben. Aber der Brief mit dem Heiratsantrag Charles‘ ist immer noch zu sehen und so charmant wie eh und je. Nicht zuletzt weil er auf dem offiziellen Papier des Cranbrook College of Art geschrieben ist – als internes Memo quasi.

Neben „The Power of Design“ hat das Vitra Design Museum drei kleinere Ausstellungen hinzugefügt: „Kazam!“ im Schaudepot, die sich mit den Experimenten der Eames bei der Entwicklung von Schichtholz und Fiberglasmöbeln befasst; „Play Parade“ in der Galerie widmet sich den Designs der Eames für Kinder; und „Ideas and Information“ im Hadid Feuerwehrhaus zeigt ein Programm mit Filmen von Ray & Charles Eames. Ein cinematografisches Programm, das durch die anderen drei Ausstellungen erweitert und vervollständigt wird: gerade durch die Allgegenwart von Filmen begreift man welch zentrale Rolle Filme und das Filme machen für die Eames gespielt haben.

Damals bei der Ausstellung „Eames and Hollywood“ im ADAM in Brüssel erklärte uns Eames Demetrios, Direktor des Eames Office und Enkel von Charles Eames, wie wichtig die Fotografie für den jungen Charles Eames war. Kann man also vorsichtig fragen ob nicht vielleicht die Filmarbeit aus diesem Interesse an der Fotografie hervorgegangen ist? „Ich denke nicht, dass sich die Filmarbeit exklusiv aus der Fotografie entwickelt hat, bzw. von Charles Eames ausging“ antwortet Eames, „aufgrund ihrer Ausbildung bei Hans Hofmann und ihrer Erfahrungen in der Kunstszene New Yorks kannte Ray den Film und die Filmexperimente, beispielsweise der deutschen Expressionisten. Charles hatte seinen ersten Film in Cranbrook gemacht, bevor sich die beiden trafen. Film hat also von Beginn ihrer Beziehung an eine Rolle gespielt, und in der Korrespondenz, die ihrer Ehe vorweg ging, sprachen sie darüber nach Hollywood zu gehen und Kurzfilme über beispielsweise Architektur oder den richtigen Gebrauch von Materialien zu machen. Ich denke beide sahen es als neue Kommunikationsmethode. Beide waren sehr interessiert daran ihre Ideen umzusetzen und sahen im Film eine interessante und neue Option“. Dieser Standpunkt wird durch „An Eames Celebration“ wohl noch unterstrichen.

Watching Charles and Ray Eames 1952 film Parade, part of Ideas and Information

Betrachter des Eames Films „Parade“, Teil von „Ideas and Information“, Vitra Design Museum

Wie bei „The World of Charles and Ray Eames“ zuvor, ist „An Eames Celebration“ eine ausführliche und umfassende Präsentation in einer sehr verknappten, ausgesuchten Art und Weise; was kein Widerspruch oder eine Beschwerde ist, sondern eine Notwendigkeit, die sich aus dem Thema ergibt. Im Jahr 2015 schon haben wir festgehalten, dass es, um den Eames tatsächlich gerecht zu werden, fünf Barbican Art Galleries geben müsste. Mit „An Eames Celebration“ kann auch der Umfang des Vitra Campus nicht alles abdecken, was auch die Präsentaion der Eames Filme wunderbar auf den Punkt bringt. Mit 60 der ungefähr 110 Filme, die die Eames gemacht haben, läuft das gesamte Programm ca. 8 Stunden und 10 Minuten. Was bedeutet, dass jeder Film nur einmal täglich zu sehen ist. Das geht in Ordnung, wenn man nur einen kleinen Einblick ins Eames Œuvre haben will, oder beschließt den ganzen Tag nur Filme zu schauen. Ansonsten ist die Sache schwierig. Aber was wäre die Alternative? Nur eine Stunde Eames Filme? Oder 16 Stunden? Entweder zeigt man zu wenig oder zu viel…

Mit der Entscheidung für so viele Filme der Eames folgt das Vitra Design Museum in vielerlei Hinsicht einer Eames’schen Philosophie, „in all ihren eigenen Ausstellungen produzierten die Eames immer eine Überfrachtung, sei es an Material oder Information“ erklärt Jolanthe Kugler „allerdings verlangten sie von den Besuchern niemals alles erfassen zu müssen. Vielmehr organisierten sie die Ausstellungen so, dass es den Besuchern überlassen blieb, so viel oder so wenig mitzunehmen wie sie wollen, aus den Bereichen, die sie interessieren – so wurde der Ausstellungsbesuch eine persönlichere Erfahrung.“ Und ob nun innerhalb der einzelnen Ausstellungen oder hinsichtlich der Auswahl der einzelnen Ausstellung, bietet „An Eames Celebration“ genau das an: man hat die Möglichkeit sich auf die Bereiche und die Aspekte zu konzentrieren, die einen individuell interessieren. Und ganz egal ob man sich beispielsweise auf Möbel, Film oder Experimente konzentrieren möchte, oder eher die gesamte Bandbreite ihrer Aktivitäten im Blick hat, man wird auf eine informative und interessante Untersuchung stoßen. Und auf eine Menge Input für weitere Recherchen auf eigene Faust. Und schließlich ist das etwas, was jede gute Ausstellung befördern und anstoßen sollte.

Kazam! in the Vitra Design Museum Schaudepot

„Kazam!“ im Vitra Design Museum Schaudepot

Abgesehen von den Filmen präsentiert „Play Parade“ eine detaillierte und vor allem interaktive Ausstellung, die sich mit der eher kindlichen Seite der Eames’schen Kreativität befasst, und dazu gehören der „The Toy“ Baukasten und ihr „House of Cards“. Objekte, die obwohl sie fast schon naiv analog anmuten, zeitgenössisch bleiben. Schließlich haben sich die grundlegenden Punkte, wenn es darum geht, Kinder zu unterhalten, in den dazwischen liegenden Jahrzehnten nicht geändert. Nur die Methoden, auf die Eltern dabei zurückgreifen, sind andere. „Kazam!“ wiederum untersucht anhand von ausgesuchten Prototypen und Modellen, wie die Eames ihre Möbel entwarfen.

Ein Kernstück von „Kazam!“ ist das namensgebende Gerät, das Ray & Charles Eames entwickelten um ihre Sitzschalen aus Formsperrholz zu realisieren. Dabei handelt es sich im Grunde genommen um einen Luftballon der in einer Form aufgeblasen wird und das Sperrholz so in die Form presst. Die Kazam Maschine wirft nicht nur ein Licht auf die Do it Yourself- Anfänge der Eames, sondern zeigt auch wunderbar wie sie es anstellten, das zu erreichen was sie wollten. Wie sie, wenn die Technologie für ihren Zweck nicht zur Verfügung stand, das unter die Lupe nahmen, was bereits da war und es dann gegebenenfalls anpassten. Wie wir bei der Ausstellung Plywood: Material of the Modern World im V&A Museum London gelernt haben, wurde das ‚Luftballon in Form Konzept‘ in den 1910er Jahren von den Brüdern Loughead erfunden. Und zwar um Flugzeugteile aus Formsperrholz zu produzieren. Und indem die Eames diese Prinzipien ihren eigenen Anforderungen anpassten, taten sie es in mehrfacher Hinsicht Michael Thonet gleich, der ein Jahrhundert früher ein Verfahren aus dem Schiffsbau benutzte um sein Bugholz-Verfahren zu entwickeln. Interessant ist auch, dass als sie wiederum ihre Fiberglasstühle entwickelten, auch wieder auf ein Material und eine Technologie zurückgriffen, die bei der experimentellen Entwicklung von Flugzeugflügeln eingesetzt wurden.

So interessant wie die ausgestellten Objekte ist wohl auch die Tatsache, dass „Kazam!“ wohl der einzige Teil der Ausstellung ist, mit dem die Eames nicht einverstanden gewesen wären, denn wie wir in London gelernt haben, waren die Eames eher der Meinung dass das Blut nicht gezeigt werden sollte – dass man Resultate zeigt und nicht die Arbeitsschritte. Wir sind natürlich der Meinung, dass Blut die Basis des Lebens ist, und dass es zu studieren uns hilft zu verstehen aus welchem Organismus heraus es entstanden ist. Insofern kann für uns eine Ausstellung über einen Designer auch gar nicht blutig genug sein!

Masks, as seen at Play Parade, Vitra Design Museum Gallery

Tiermasken von Charles und Ray Eames, gesehen bei „Play Parade“, Vitra Design Museum Galerie

Wanderausstellungen verändern sich immer wenn sie an einem neuen Ort gezeigt werden, und mit dem Gehry Building in Weil am Rhein, dem wohl eigentümlichsten aller Museen, bringt die Präsentation einer so breit angelegten Ausstellung die üblichen Herausforderungen mit sich. Herausforderungen, denen sich das Team des Vitra Design Museums auf wunderbare Art und Weise angenommen hat. Ja, es gibt eine Menge Stühle und Podeste, mit dem Raum wurde allerdings intelligent umgegangen, die Ausstellungsstücke wurden klug in die Geometrie Gehrys integriert. Man könnte allerdings anmerken, dass Charles Antworten auf die Fragen, die ihm in der Ausstellung „What is Design“ in Paris 1969 gestellt wurden, nicht optimal platziert sind. Sind sie doch unserer Meinung nach ein wichtiges Kernstück wenn es darum geht den Designansatz der Eames zu verstehen, und insofern nicht optimal platziert. Aber sie sind da und man findet sie auch…

So untehaltsam, informativ und interessant eine Präsentation wie „An Eames Celebration“ auch ist, man sollte nicht vergessen, dass die eigentliche kuratorische Arbeit von der Barbican Art Gallery in London geleistet wurde – worauf das Vitra Design Museum sehr offen und deutlich hinweist. Das Vitra Design Museum hat die Tragweite der Ausstellung und so ihre Relevanz sehr klug und unterhaltsam erweitert und ausgebaut. Die Samen aus der Barbican Gallery konnten auf dem Vitra Campus ganz natürlich aufgehen. Und es gilt zu bedenken: es könnte für die nächsten paar Jahrzehnte die letzte Chance sein!

An Eames Celebratuion läuft im Vitra Design Museum, Charles Eames Strasse 2, 79576 Weil am Rhein bis Sonntag den 25. Februar. Alle Details und Informationen zum Begleitprogramm finden sie unter www.design-museum.de.