Bei dem Besuch der Werkschau-Ausstellung der Peter Behrens School of Arts in Düsseldorf werden wir an die Zeit des Namensgebers der Schule erinnert. Wenn auch nicht wegen der Gründe, die vielleicht auf der Hand liegen…
Unter den vielen interessanten Gebäuden, die es nicht in unsere Tour de l’architecture geschafft haben, ist eines der interessantesten und gleichzeitig wichtigsten Gebäuden die ehemalige Kunstgewerbeschule, die sich direkt in der Düsseldorfer Altstadt befindet. Auch wenn die Schule nur von 1883 bis 1918 in Betrieb war, so kann sie doch stolz von sich behaupten, einige führende Protagonisten ihrer Zeit zum Direktor gehabt zu haben. Da wäre unter anderem Wilhelm Kreis, der für viele von Düsseldorfs markantesten Gebäuden wie etwa den Ehrenhof-Komplex oder das Wilhelm-Marx-Haus – seinerseits Deutschlands erster Wolkenkratzer – zuständig war. Auch Peter Behrens, unumstritten eine der wichtigsten Figuren in der Entwicklung von Architektur und Design in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nahm maßgeblichen Einfluss auf die Schule. Er war derjenige, der durch deine programmatischen und konzeptionellen Veränderungen das Currikulum der Schule prägte und den Fokus weg vom dekorativen hin zum funktionellen Ansatz lenkte und der Kunstgewerbeschule zu ihrer Reputation verhalf. Fortan war Düsseldorf ein Ort, der für seine Lehre in den Bereichen Design und Architektur über seine Grenzen hinweg bekannt war. All das geschah in einer Zeit in der die Rolle der Architekten, Künstler und Handwerker sich rasch veränderte, also in vielerlei Hinsicht eine Zeit, die der heutigen ähnelt. Behrens‘ Amtszeit in Düsseldorf war außerdem geprägt von den vielen Reisen, die er unternahm. Laut Friedrich Tamms1 verreiste Behrens zwischen seinem Amtsantritt im März 1903 und seinem Abgang im August 1907 sage und schreibe 72 Mal. Wenn man so will, war er nicht selten ein abwesender Direktor, der zwar gute Ideen hatte, sich aber darauf verließ, dass andere diese umsetzten.
Die derzeitige Peter Behrens School of Arts (PBSA) Düsseldorf ist kein direkter Nachfolger der Kunstgewerbeschule. Vielmehr ist sie die Architektur- und Kunstfakultät der Hochschule Düsseldorf, einer Institution mit mehreren Schwerpunkten, die sich 1971 durch den Zusammenschluss bereits existierender Hochschulen bildete. Am entscheidendsten für die spätere PBSA sind die Düsseldorfer Handwerkerschule, der Architektur- und Innenarchitekturbereich der Werkkunstschule Krefeld und die Peter-Behrens-Werkkunstschule Düsseldorf. Letztere nimmt Behrens Namen, ähnlich wie die PBSA, als Attribut zu eben jenem und identifiziert sich dementsprechend mit seinen Ideal- und Wertvorstellungen. Neben einer Vorstellung der Bachelor- und Masterstudiengänge, die sich über die gesamte Bandbreite von Architektur, Innenarchitektur und Design bewegen, bietet die Werkschau der Peter Behrens School of Arts zudem die Möglichkeit einen Eindruck davon zu bekommen was und wie die Studenten gelernt haben. Besonders interessant ist, wie sie dieses Wissen in ihr eigenes Verständnis von Design umgesetzt haben. Dabei wurde deutlich, dass selbst Anno 2017 der Geist von Peter Behrens in der Schule spürbar ist…
Eine Werkschau existiert der Logik nach, um Werke zu zeigen. Inbesondere bei Designschulen und Abschlussprojekten ist das der Fall. Dafür bedarf es jedoch ein paar Voraussetzungen, Offenheit beispielsweise. Ja, das erscheint zwar logisch, aber ist scheinbar nicht zu allen Studenten der Peter Behrens School of Arts durchgedrungen. Zu manchen ja – aber längst nicht zu allen. Viele verfolgen anscheinend die Behren’sche Doktrin der Abwesenheit. Und so waren viele Räume um 12.30 Uhr noch verschlossen, obwohl der Beginn für 12 Uhr angekündigt war. Während der nächsten halben Stunde trudelten sichtlich unbeeindruckt von ihrer Verspätung ein paar Studenten ein. Um 13 Uhr waren dann schließlich fast alle Räume geöffnet. Also (nur) eine Stunde zu spät. Man kann uns ruhig als altmodisch bezeichnen, aber wenn man eine Ausstellung plant und ankündigt, dass diese um 12 Uhr beginnt, dann muss man auch um 12 Uhr fertig und bereit für die Eröffnung sein. Oder was war doch gleich das moderne Argument gegen eine solche Einstellung? Ach ja: Hygge. Es war uns wirklich egal, wann das Event beginnt: 12, 13, 18, 21 Uhr – solange es pünktlich beginnt. Was doch wirklich nicht zu viel verlangt ist. Manche Studenten waren pünktlich und wir wollen auf keinen Fall alle über den Kamm der Unpünktlichkeit scheren – das wäre unfair. Aber: Wir schauen uns viele Ausstellungen von Studenten an. Noch nie haben wir so viele verschlossene Türen gesehen. Es sei denn, wir sind am falschen Tag aufgetaucht – was durchaus schon passiert ist. Vor ein paar Jahren wären wir nach einer Viertelstunde gegangen, aber mit fortschreitendem Alter sind wir weicher geworden. Nichtsdestotrotz waren wir ziemlich unbeeindruckt von der Attitüde mancher Studenten und uns nicht so ganz sicher, warum wir überhaupt da sind… Zum Glück haben haben uns einige Projekte dann doch begeistert…
Am Anfang war es ein Detail, das uns an „Es klappt!“ begeisterte; etwas, das wir nicht ganz entschlüsseln konnten, aber das uns irgendwie anzog… Es stellte sich heraus, symbolischer könnte es fast nicht sein, dass dieses Detail ein Haken war. Während man meinen könnte, dass ein Haken, der nicht auch auf den ersten Blick als ein solcher erkennbar ist, ein schlecht designter Haken ist, so lag der Fehler ganz bei uns und unserer irritierten Verfassung. Der „Es klappt!“-Haken ist ein überaus intelligenter, logischer und gut durchdachter Haken. Auch wenn es im Prinzip nichts anderes als ein modulares Organisationssystem ist, so ist „Es klappt!“ doch so viel mehr. Es bietet intelligente, logische und durchdachte Lösungen, wie in etwa die Lampe. Sie ist innerhalb des Moduls von allen vier Seiten umschlossen, die wiederum so positioniert werden können, dass das Licht in unterschiedliche Richtungen geleitet werden kann. Oder aber die Seiten bleiben geschlossen, sodass kein Staub eindringt. Außerdem sind die inneren Oberflächen mit reflektiver Farbe bestrichen, die die Illuminierung im Körper verstärken. Fast so wie in früheren Zeiten, als Fliesen zur Reflexion angebracht wurden, um die maurischen Paläste zu erhellen. Genauso zufriedenstellend sind die Stapelelemente mit Klappen, oder besser gesagt, die Stapelelementklappen, die nach oben hin geöffnet werden können, was es möglich macht sie als kleine Arbeitsfläche und/oder Tisch zu nutzen. Und dann wären da noch die Haken, die nach außen geklappt werden können wenn sie benötigt werden, und nach innen, wenn kein Bedarf für sie besteht. Der Name des Projekts ist ein durchaus cleveres Wortspiel: „Es klappt – Es hat Klappblenden“ versus „Es klappt – Es funktioniert“. Beide Aussagen sind definitiv zutreffend. Ja, eigentlich sind wir ziemlich gelangweilt von stapelbaren, quadratischen Sperrholzboxen, sehr gelangweilt sogar. Trotzdem: „Es klappt!“ hat eine innewohnende Ehrlichkeit. Es fühlt sich nicht erzwungen an, nicht so als sei eine quadratische Sperrholzbox designt worden, sondern so, als ob die Box das einzig logische Ergebnis für ein Problems gewesen. Es wirkt wie ein kleiner Unterschied, ist aber ausschlaggebend wenn es um Design geht. Außerdem denken wir, dass es als System noch nicht ganz komplett ist, vielmehr können wir uns vorstellen, dass noch mehr Module darauf warten entdeckt zu werden. Man muss nur danach suchen. Wie bei allen System dieser Art und obwohl Yejizi He sehr überzeugend erklärt, dass die Module immer wieder neu angeordnet werden können, um so beispielsweise Sitzgruppen und Tische verschiedener Höhen zu kreieren, glauben wir nicht eine Minute, dass das irgendjemand auch tatsächlich machen wird. Sobald man beginnt Bücher, Vasen, Hundeleinen etc. einzuräumen, steht das System wie es eben steht. Was es keinesfalls schlecht machen soll, ganz im Gegenteil. Das ist einfach die Realität.
Das geschickt benannte „Horse“ von Jakub Gurecký, gesehen bei der Tendence Frankfurt 2015, bleibt unser ewiger Favorit der Gattung Equus vel gestatio, aber wir mögen Mauro Mulas‘ bisher noch unbenannten Vollblüter auch sehr gerne. Genauso wie bei „Horse“ oder dem Plastikschaukelpferd, das Walter Papst 1960 für Wilkhahn designte, sind wir sehr angetan von der pferdeartigen Form, bei der man genau weiß was sie darstellen soll. Selbst wenn sie anatomisch nicht ganz korrekt ist, so ist sie doch genauso ästhetisch, funktional und ausdauernd wie ihr Vorbild. Mauros Pferd hat mit Sicherheit einen gewissen Charme und das sagen wir, obwohl mit nicht leicht zu beeindrucken sind – am Tag der PBSA Werkschau sogar noch weniger als ohnehin. Doch sobald es seine Mähne bei dem Goldsmith Workshop in unsere Richtung geworfen hatte, war es um uns gesehen. Wobei wir stark annehmen, dass das nicht zuletzt dem Schicksal zu verdanken ist. Der Goldsmith Workshop ist bzw. war nicht auf dem offiziellen Werkschau-Plan, und auch Mauro Mulas war nicht zu finden; trotzdem war der Raum um 12 Uhr geöffnet. Warum? Handgemacht mittels zweier identischer, wenn nicht sogar gespiegelter Formen, stellt sich der Produktionsprozess relativ einfach dar – zumindest so einfach wie gebogenes Holz eben sein kann. Weil man das Pferd nicht testen konnte, müssen wir einfach davon ausgehen, dass es eine perfekt wippende Bewegung macht und eine stabile Struktur besitzt. Alles in allem ist das Pferd eine wahre Freude und etwas, das wir gerne in Krankenhäusern auf der ganzen Welt sehen würden. Und Pferde sind bekannterweise sehr soziale Tiere, die schrecklich leiden wenn sie allein sind…
Mehr Informationen über die Peter Behrens School of Arts Düsseldorf können auf folgender Website gefunden werden: https://pbsa.hs-duesseldorf.de/
1. „Friedrich Tamms. Von Menschen, Städten und Brücken“, Econ-Verlag, Düsseldorf 1974
Tagged with: #campustour, Düsseldorf, Peter Behrens, School of Arts Düsseldorf