Während Aprilwetter eher dafür sorgt, dass man nass, schlecht gelaunt und verspätet ist, ist so ein Maischauer sehr viel angenehmer – oder genauer gesagt, sind die Eta-Aquariiden sehr viel angenehmer: ein himmlisches Spektakel, das seinen Höhepunkt Anfang Mai erreicht und, da die Natur so wunderbar demokratisch ist, von überall auf der Erde sichtbar ist. Für alle, die gern von einem Museum oder einer Galerie aus die Sterne betrachten, ohne dass sie den abendlichen Himmel nach dem Wassermann absuchen müssen, gibt es hier unsere Empfehlungen für Architektur- und Designausstellungen, die im Mai eröffnen. Nicht ganz traditionsgemäß sind es diesmal sechs und nicht fünf. Wenngleich fünf Veranstaltungsorte …
„Parkomanie. Die Gartenlandschaften des Fürsten Pückler“ in der Bundeskunsthalle, Bonn
Was im Rest der Welt als „Neapolitan Icecream“ bekannt ist, kennen Deutsche als „Fürst-Pückler-Eis“. Es ist eine Hommage an Hermann Fürst von Pückler-Muskau, für den das erste aus den drei Sorten Vanille, Schokolade und Erdbeer* bestehende Eis angeblich ursprünglich kreiert wurde. Der gute Fürst Pückler war allerdings nicht nur ein großer Fan von gefrorenen Desserts, sondern auch ein Reisender, Lebemann, Schriftsteller, Staatsmann und Gartendesigner. Fürst Pückler wurde von der englischen Gartenarchitektur des späten 18. / frühen 19. Jahrhunderts inspiriert und begann 1815 mit der Umgestaltung seines Grundstücks in Bad Muskau, einer Gemeinde an der deutsch-polnischen Grenze in der Nähe von Cottbus, in seine Interpretation des zeitgenössischen englischen Gartens. Wenngleich sein Garten im Gegensatz zu den meisten anderen englischen Gärten zu der Zeit allen offen stand. Mit einer Fläche von etwa 830 Hektar wurde der Muskau Park 2004 in die Liste der UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen und auf der Homepage der Organisation stand „der Park bahnte Wege für neue Ansätze in der Landschaftsgestaltung und beeinflusste die Entwicklung der Landschaftsarchitektur in Europa und Amerika. Als „Gemälde mit Pflanzen“ designt, sollten es keine klassischen Landschaften, das Paradies oder verlorene Perfektion werden. Stattdessen wurden heimische Pflanzen genutzt, um die Qualität der existierenden Landschaft zu verbessern.“ Zusätzlich zu dem Muskau Park entwarf Hermann Fürst von Pückler-Muskau auch Landschaftsgärten für sein Grundstück in Branitz und für den Park Babelsberg in der Nähe von Potsdam. Diese Gärten gehörten zu den modernsten und innovativsten ihrer Zeit und gehören somit zu einigen der besten Beispiele des Gartendesigns des 19. Jahrhunderts und der Möglichkeiten der Landschaftsarchitektur. Sie bilden auch den Fokus von „Parkomanie“. Mit etwa 250 Objekten inklusive Originalpflanzen, historischen Fotografien und einer Erstausgabe des Buches „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ aus dem Jahre 1834 von Fürst Pückler stellt die Ausstellung einen exzellenten Überblick über einen wichtigen Protagonisten eines Bereichs in Aussicht, den wir alle zu schätzen wissen, der aber, wenn wir ehrlich sind, nur von wenigen den Respekt bekommt, den er verdient. Zusätzlich zu der Ausstellung selbst gibt es in „Parkomanie“ auf dem Dach der Bundeskunsthalle einen Garten à la Pückler. Leider können wir keine Informationen darüber finden, welche Eissorten es im Café der Bundeskunsthalle gibt/geben wird …
„Parkomanie. Die Gartenlandschaften des Fürsten Pückler“ wird am Samstag, den 14. Mai in der Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn eröffnet und läuft bis Montag, den 14. September.
*Ja, wir wissen, dass es alle möglichen Versionen davon gibt, aber lasst uns einfach so tun, als hätten wir recht.
„Olivetti: Beyond Form and Function“ im Institute of Contemporary Arts, London, England
Nur wenige Firmen repräsentieren die Entwicklung des europäischen Industriedesigns der Nachkriegszeit und besonders Italiens Bedeutung hierfür besser, als der Schreibmaschinen-, Computer- und Telekommunikationshersteller Olivetti. Olivetti wurde 1908 gegründet und war und ist in vielerlei Hinsicht das europäische Pendant zu Amerikas IBM: ein Unternehmen, das sehr früh verstand, dass es von Vorteil ist, einen ganzheitlichen designorientierten Ansatz zu verfolgen und zwar nicht nur bei ihren Produkten, sondern auch in den Bereichen Produktionsprozesse, Verwaltung, Interior Design und Kommunikation. Das Unternehmen wusste auch, wie man so etwas durchführen und optimieren konnte. Es kooperierte mit einer beneidenswerten Auflistung internationaler Designer und Architekten, wie zum Beispiel Studio BBPR, Le Corbusier, Mario Belini oder Michele de Lucchi und die Olivetti Legende entstand überwiegend durch Schreibmaschinen wie der Lettera 22 von Marcello Nizzoli aus dem Jahr 1959 oder der Valentine von Ettore Sottsass aus dem Jahr 1969. Die Ausstellung im Institute of Contemporary Arts wurde von der Associazione Archivio Storico Olivetti organisiert und konzentriert sich größtenteils auf die Nachkriegsjahre, als Olivetti schneller erfolgreich wurde als jeder andere europäische Industriekonzern. Sie verspricht Objekte, Fotografien und Filme, die sich den Unternehmensbereichen Raumgestaltung, Grafikdesign und Architektur widmen. Wenn auch nicht dem Produktdesign per se. Aber für Olivetti war Produktdesign auch immer ein Teil einer umfassenderen, universelleren und integrierten, gemeinsamen Philosophie.
„Olivetti: Beyond Form and Function“ wird am Mittwoch, den 25. Mai im Institute of Contemporary Arts, The Mall, London SW1Y 5AH eröffnet und läuft bis Sonntag, den 17. Juli.
„Bent, Cast & Forged. The Jewelry of Harry Bertoia“ und „Atmosphere for Enjoyment. Harry Bertoia’s Environment for Sound“ im Museum of Arts and Design, New York City, New York, USA
Harry Bertoia war kein Möbeldesigner, obgleich er für seine Möbeldesigns wahrscheinlich am bekanntesten ist. Er war ein Künstler und Schmied, für den das Möbeldesign nur eine Art war, seine Kreativität auszudrücken. Wir können uns vorstellen, dass das Museum of Arts and Design New York dies in Bezug auf die Ausstellung über Harry Bertoia besonders betonen wird. Ursprünglich stammt „Bent, Cast & Forged“ aus der Cranbrook Academy of Art, Harry Bertoias Alma Mater, und bildet die erste museale Erkundung des Schmuckdesigns von Harry Bertoia und so auch eines zentralen Aspekts von Harry Bertoias Werk. Schmuckdesign war einer der ersten Bereiche, in dem Harry Bertoia experimentierte, etwas, das er entwickelte, als er 1939 die Verantwortung für die Cranbrook Metallwerkstätten übernahm. Seine Erfahrungen mit Form, Raum, Material und Reduzierung sollten für seine späteren skulpturalen Arbeiten und seine Möbeldesigns von Bedeutung sein. Und für seine musikalischen Arbeiten. Ab den 1960er Jahren entdeckte Harry Bertoia die Möglichkeit Skulpturen zu entwickeln, die jeder, ungeachtet seines Talents, als Musikinstrument spielen konnte. Im Laufe der nächsten zwei Jahrzehnte kreierte er um die 100 Sound-Skulpturen, mit denen er 11 Alben aufnahm. Unter dem Titel „Atmosphere for Enjoyment“ zeigt das Museum of Arts and Design nicht nur einige von Bertoias Sound-Skulpturen, sondern verspricht auch Originalaufnahmen, eine Sound-Installation von John Brien aus Bertoias Originalaufnahmen und eine Reihe von Konzerten.
„Bent, Cast & Forged. The Jewelry of Harry Bertoia“ und „Atmosphere for Enjoyment. Harry Bertoia’s Environment for Sound“ werden am Donnerstag, den 3. Mai im Museum of Arts and Design, MAD, 2 Columbus Circle, New York, NY 10019 eröffnet und laufen bis Montag, den 25. September.
„Pierre Paulin“ im Centre Pompidou, Paris, Frankreich
Der Name Pierre Paulin dürfte vielen vielleicht nicht so viel bedeuten – im Gegensatz zu seinen Stuhldesigns und besonders Arbeiten wie dem Oyster Chair, Orange Slice, Little Tulip oder Ribbon Chair. Pierre Paulin wurde 1927 in Paris geboren und studierte dort an der École Camondo, bevor er zunächst für Thonet und dann für den niederländischen Hersteller Artifort arbeitete, für den er den Großteil seiner wichtigen und dauerhaft bekannten und beliebten Möbelarbeiten realisierte. Pierre Paulins Möbel grenzen sich klar von den exakten Quadraten und der Strenge der Funktionalisten aus der Zeit zwischen den Kriegen ab. Dennoch weisen seine Möbel die Reduzierung der Materialien und des Volumens und Experimente mit Konstruktionsprinzipien auf, allerdings sind die Objekte sehr viel wohnlicher, häuslicher und einladender, als die subjektiveren Arbeiten der Funktionalisten. Pierre Paulin half dabei, den Weg für viele Entwicklungen des zeitgenössischen Möbeldesigns zu ebnen. Zusätzlich zu seiner Arbeit im Möbeldesign war Pierre Paulin auch ein sehr gefragter Interior Designer. Er entwarf das Interieur für die privaten Apartments von zwei französischen Präsidenten im Elysée-Palast – Georges Pompidou (1971) und François Mitterand (1984) – und war auch verantwortlich für das Interior Design des Denon Flügels des Louvre. Pierre Paulin starb im Jahr 2009 und mit der bevorstehenden Ausstellung möchte das Centre Pompidou nicht nur den bekannten Pierre Paulin, sondern auch den unbekannten Pierre Paulin zeigen und zwar mithilfe von kleineren und weniger bekannten Werken, Modellen und Prototypen. Mit etwa 100 Objekten ist die Ausstellung nicht groß, verspricht aber einen Rundgang durch Pierre Paulins 50 Jahre Kreativität und sollte so nicht nur einen der wichtigsten französischen Designer des 20. Jahrhunderts ehren, sondern auch bei der Erklärung helfen, warum Pierre Paulin einer der wichtigsten französischen Designer des 20. Jahrhunderts ist.
„Pierre Paulin“ wird am Mittwoch, den 11. Mai im Centre Pompidou, Place Georges-Pompidou, 75191 Paris eröffnet und läuft bis Montag, den 22. August.
„Große Pläne! Moderne Typen, Fantasten und Erfinder. Die Angewandte Moderne in Sachsen-Anhalt 1919-1933“ am Bauhaus Dessau
Wir möchten nicht frech erscheinen, aber wenn man durch Sachsen-Anhalt fährt, was wir oft tun, dann erscheint es bemerkenswert, wenn nicht absurd, dass eine der wichtigsten Bewegungen in der europäischen Architektur- und Designgeschichte seine Wurzeln teilweise in dieser Region im Osten Deutschlands hatte. In einer Region ein wenig südlich von Berlin, aber noch weit genug entfernt, um von der deutschen Hauptstadt ungestört zu bleiben. So war es aber. Nicht nur ab 1925 in Form des Bauhauses Dessau, sondern schon viel eher. Die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, die Firma Junkers in Dessau, die architektonischen Innovationen Bruno Tauts in Magdeburg oder die Experimente in der Chemie- und Raketenindustrie und viele andere Beispiele machten Sachsen-Anhalt zu einem der kreativen Hotspots des Europas der Zwischenkriegszeit. Wie wir schon erwähnten, möchten wir nicht frech erscheinen, aber wenn man da durchfährt … Um den Beitrag der Region zur internationalen Moderne zu feiern und durch Extrapolation zeitgenössischer Architektur und Designs, hat die Stiftung Bauhaus unter dem Titel „Große Pläne!“ ein Ausstellungsprogramm organisiert, das über die bekannten Gropius Wände hinausgeht und Events und Ausstellungen an Orten wie Halle, Quedlinburg und Leuna miteinschließt. „Moderne Typen, Fantasten und Erfinder“ ist der eigene Beitrag des Bauhauses Dessau und in vielerlei Hinsicht das Eröffnungsevent des Programms. Der Fokus liegt auf den vier Hauptthemen Aufstieg, Systematische Ansiedlung, Praktizierendes Lernen und Werbemechanismen und die Ausstellung stellt in Aussicht, die Relevanz und das Erbe der Entwicklungen in den Bereichen Luftfahrttechnik, Mechanik, Wohnungsbau, Städteplanung, Bildung und Werbung, die in Sachsen-Anhalt im Laufe der 1920er Jahre aufkamen, mithilfe einer Kombination aus Dokumenten, Fotos und Filmen zu erkunden. Zusätzlich zu der Ausstellung in Dessau beinhaltet „Große Pläne“ etwa 17 Ausstellungen im Sommer in der Region. Alle Details gibt es auf http://grosse-plaene.de/.
„Große Pläne! Moderne Typen, Fantasten und Erfinder. Die Angewandte Moderne in Sachsen-Anhalt 1919-1933“ wird am Mittwoch, den 4. Mai in der Stiftung Bauhaus Dessau, Gropiusallee 38, 06846 Dessau-Roßlau eröffnet und läuft bis Freitag, den 6. Januar 2017.