In dem berühmten Thonet Steckkartenkatalog von 1930/31 ist auf dem Bild von dem B 9 Beistelltisch und dem B 25 Lounge Chair auch eine kleine Leuchte auf dem B 9 zu sehen. Während der Thonet B 25 und der Thonet B 9 Marcel Breuer zugeschrieben werden, bleibt die Herkunft der Leuchte offen. Eine Thonet Leuchte ist es jedenfalls nicht. Thonet stellt schließlich keine Leuchten her. Thonet stellt Tische, Stühle, Regale und andere Möbel her. Keine Leuchten.
Oder zumindest war das so.
Im Jahr 2010 brachte Thonet die Lum Leseleuchte von Ulf Möller als Stehleuchte heraus, 2015 folgte eine Tischversion. Im April 2015 erschien die Pendelleuchte Linon von Andrea Scholz und auf der IMM Cologne 2016 präsentierte Thonet den neuesten Zuwachs im Leuchtenprogramm: die Tischleuchte Kuula vom Berliner Designer Uli Budde.
Wir finden die Tatsache, dass Uli Budde der Designer ist, wunderbar ironisch. Nicht weil Uli Budde keine Leuchten entwerfen kann – das kann er mit Sicherheit und hat es mit Arbeiten wie Hazy Day für Marset oder Balloon für Vertigo Bird auch nicht nur einmal bewiesen. In unserem letzten Interview mit Uli Budde erzählte er uns jedoch, dass er „nicht nur als Leuchtendesigner gesehen werden möchte“, so sehr er auch die Herausforderung und die Geschwindigkeit des technischen Wandels im zeitgenössischen Lichtdesign schätze und diesen Bereich auch nicht aufgeben möchte.
Diese Erfahrung als Lichtdesigner war es jedenfalls, die zu dem Auftrag führte.
„Wir waren einige Jahre mit Uli in Kontakt, ohne je über konkrete Projekte zu sprechen“, so Mirko Nordheim, Leiter Produktentwicklung bei Thonet. „Zu Beginn der Zusammenarbeit mit einem Designer ziehe ich es normalerweise vor, an einem Beistelltisch zu arbeiten. Stühle werden in puncto Sitzkomfort immer subjektiv wahrgenommen, bei einem Tisch zählen die harten Fakten, Größe, Gewicht, Preis. So lernt man sich kennen und man lernt, auf einer rationaleren Basis zusammenzuarbeiten. Mir gefallen viele von Ulis Leuchtendesigns und vor allem die Idee dahinter. Also beschlossen wir Uli zu bitten, sich Gedanken darüber zu machen, wie ein Bauhäusler heute eine Leuchte designen würde, die eine funktionale, aber auch dekorative Thonet Leuchte sein könnte.“
2014 wurde diese Frage in Mailand gestellt und Uli Budde, wenig überrascht, fand das Angebot „fantastisch“ und nahm die Herausforderung an. Aber wo beginnt man, wenn man eine Lampe nach solchen Vorgaben designen soll?
„Zunächst recherchierte ich über Bauhausleuchten“, so Uli Budde, „im Allgemeinen verbindet man Bauhaus mit Reduktion, geometrischen Formen und so habe ich damit begonnen. Der erste Gedanke, der einem zu Bauhaus-Tischleuchten kommt, ist natürlich der an die Wagenfeld Leuchte. Das war ein naheliegender Ausgangspunkt.“
Wir wagten zu fragen, ob man bei so einem Projekt nicht in Versuchung gerät, zu ignorieren, was es schon gibt, um das Risiko zu umgehen, sich zu sehr von einem bestehenden Objekt beeinflussen zu lassen.
„Nein, einerseits ist das Bauhaus noch heute sehr relevant und andererseits ist es so sehr in unserem Bewusstsein verankert, dass es keine Option war, es zu ignorieren“, antwortet Uli Budde. „Nach der Recherche zu dem Thema beschloss ich mich darauf zu konzentrieren, zu versuchen das Wagenfeld Design noch weiter zu reduzieren und es durch moderne Technologie auf den neuesten Stand zu bringen.“
Das Ergebnis ist eine Leuchte, die formal genauso reduziert wie materiell ist.
Formal ist Kuula viel weniger verschnörkelt, weniger überladen als Wilhelm Wagenfelds Leuchte. Vielmehr erinnert sie in vielerlei Hinsicht an Luciano Vistosis pilzartige Onfale Leuchte aus dem Jahr 1931, wenn auch weniger fragil, weniger dekorativ. Dieses ruhige Erscheinungsbild wird von der Entscheidung unterstützt und begünstigt, auf einen On/Off-Schalter und einen Dimmer zu verzichten. Beide Funktionen wurden im und mit dem Kabeleinlass kombiniert, was nicht nur eine noch reduziertere Form ermöglicht, sondern auch Material und Produktionsschritte spart. Eine Ressourceneinsparung, die durch den nüchternen Aluminiumsockel verstärkt wird.
Sollte es bei der Kuula Leuchte einen Hinweis auf Luxus und Überfluss geben, so handelt es sich ohne Frage um die manuell sandgestrahlte, mundgeblasene Glaskugel, wahre Handwerkskunst und das bestimmende visuelle Element der Leuchte. Die Entscheidung für das Sandstrahlen gegenüber anderen, möglicherweise weniger aufwendigen Prozessen, wurde getroffen, um eine exakte Trennung zwischen den undurchsichtigen und den transparenten Abschnitten der Kugel zu garantieren und so den Kontrast zu betonen und die Wirkung zu verstärken.
Die Leuchte Kuula, deren Name im Finnischen Ball/Kreis bedeutet, wurde in Zusammenarbeit von Thonet und dem deutschen Leuchtenhersteller Oligo entwickelt. Thonet war für die formale und ästhetische Entwicklung zuständig, während Oligo für die technischen und funktionalen Aspekte, die in der bescheidenen Form der Kuula Leuchte stark vertreten sind, verantwortlich war.
Der oben genannte kombinierte Schalter-Kabeleinlass trägt zur Ästhetik der Leuchte bei und ist auch eine sehr raffinierte und logische funktionale Lösung und somit ein weiterer Wink in Richtung der Bauhaus-Tradition. Abgesehen davon befindet sich die LED-Lichtquelle im Leuchtenfuß und wird von einer inneren Linse präzise fokussiert, sodass sie nur den sandgestrahlten Teil des Leuchtenschirms beleuchtet, was ein blendfreies Licht garantiert. Zudem ist die Kuula Leuchte in drei verschiedenen Lichttemperaturen erhältlich – wohnliches Warmweiß, Warmweiß oder neutrales Weiß – und ermöglicht so die passende Beleuchtung für jeden Raum, ob für das Wohnzimmer, den Flur oder das Schlafzimmer.
Außerdem ist die Leuchte natürlich eine sehr passende Begleitung für den B 9 und den B 25…
Weitere Details zu Kuula und Uli Buddes anderen Projekten gibt es auf http://ulibudde.com/.