2011 in Brüssel von den in Frankreich geborenen und in Belgien ansässigen Handwerkern Jean Angelats und Jonathan Renou gegründet, veröffentlichten Ateliers J&J ihre erste Kollektion 2013. Mit einer Reihe Möbelstücke, die aus gebogenem Stahlrohr und Massivholz hergestellt wurden, schufen die Ateliers J&J nichts wirklich Innovatives – und taten dies jedoch mit einer selbstbewussten Anmut und Gelassenheit, die die Kollektion weit über ein durchschnittliches Maß hob und uns alle daran erinnerte, wie bereichernd ernsthaft durchdachte, wohlproportionierte und gut gemachte Möbel sein können. Im frühen Sommer 2015 verließ Jonathan Renou die Kooperation, Jean Angelats entschied, unter dem bestehenden Namen weiterzumachen und im Oktober 2015 veröffentlichen Ateliers J&J zwei neue Produktlinien: Collection 01 Evolution als eine Erweiterung der Collection 01 mit einem wirklich ungeheuerlichen Schaukelstuhl zusätzlich zu zahlreichen gepolsterten Objekten, und Collection 02, ein Sortiment von komplett neuen, zerlegbaren Produkten inklusive eines Sofas, eines Bettes und einer Lampe.
Vor der Veröffentlichung der neuen Objekte trafen wir uns mit Jean Angelats beim neuen Ateliers J&J Workshop im Zentrum Brüssels, um über die neue Kollektion zu reden, die Wurzeln von Ateliers J&J und zeitgenössisches Möbeldesign, aber begannen mit der Frage, wie er persönlich zum Möbeldesign kam…
Jean Angelats: Nachdem ich in verschiedenen Branchen gearbeitet hatte, verbrachte ich einige Jahre mit Bausanierungsprojekten, war also in allen möglichen Bereichen von Gebäude- und Bauarbeiten beschäftigt und entschied an irgendeinem Punkt, dass es vielleicht interessant wäre, in einem kleineren Maßstab zu arbeiten, nicht weil ich dachte, es wäre leichter, sondern weil ich dachte, es wäre interessanter.
smow blog: Das heißt, du hattest keine formale Schulung in der Möbelherstellung und hast nie Design oder irgendetwas in der Richtung studiert?
Jean Angelats: Nein, sowohl Jonathan als auch ich haben uns alles selbst beigebracht, es war alles Learning by Doing.
smow blog: Du sagst, du dachtest Möbelherstellung wäre vielleicht interessanter. Hattet ihr deshalb bestimmte Ziele oder Vorstellungen davon, was ihr erreichen wolltet, als ihr Ateliers J&J gegründet habt?
Jean Angelats: Am Anfang wollten wir einfach nur Möbel herstellen. Oder es zumindest versuchen. Als selbst erlernte Handwerker und ohne anderen Anhaltspunkt begannen wir mit den Materialien, das schien der logische Punkt, anzufangen und deshalb waren es die Materialien, die die Basis unserer ersten Versuche wurden. Wir arbeiteten mit den Materialien, versuchten, die Materialien zu verstehen, wir testeten die Materialien und erforschten, was möglich war. Wir fingen nie damit an, etwas zu zeichnen und es dann zu bauen, sondern es war immer zuerst das Bauen und dann das Zeichnen.
smow blog: Es ist interessant, dass du das sagst, weil wir mal geschrieben haben, dass es gar nicht so aussieht, als wärt ihr daran interessiert gewesen, Möbel zu machen, sondern eher Formen; aber jetzt stellt sich heraus, dass wir vielleicht die falsche Schlussfolgerung gezogen haben. Wir dachten, die Form wäre der wichtigste Aspekt, jetzt denkt man, es ist vielleicht doch die Funktion…
Jean Angelats: …das Wichtigste ist die Funktion. Immer die Funktion. Wenn wir einmal wissen, was wir wollen, fangen wir an, es zu entwickeln. Und obwohl wir eine Vorstellung der Form haben, gibt das Material Stahlrohr, mit dem wir arbeiten, zu großen Teilen vor, was möglich ist: Stahlrohr ist nicht das flexibelste Material, tut nicht immer, was man von ihm verlangt und deshalb muss man hin und wieder sagen: „Okay. So sieht’s aus!“ Was nicht automatisch etwas Schlechtes ist, es heißt nur, dass man den Prozess nicht immer unter Kontrolle hat. Mit Rundstahl muss man immer darauf vorbereitet sein, Kompromisse einzugehen.
smow blog: Und war das eines der Dinge, die ihr lernen musstet, einer der Gründe, weshalb es zwei Jahre dauerte, bis etwas veröffentlicht wurde?
Jean Angelats: Das größte Problem am Anfang war, dass wir Wege finden mussten, die Werkstatt zu finanzieren, die Materialien, die Maschinen, unsere eigene Miete zu zahlen und solche Sachen. Und so dauerte es einige Monate, bis wir die ersten paar Objekte hatten und realisierten, dass das, was wir taten Möglichkeiten bereithielt. Nach einem Jahr hatten wir dann genug monatliches Einkommen, um zumindest die Kosten der Werkstatt zu decken und dann konnten wir uns mehr auf die Kollektion konzentrieren. Aber es war schwierig, zu manchen Zeiten mehr als schwierig.
smow blog: Das „wir“ in all dem ist wichtig. Der Name Ateliers J&J entstand aus dem J wie Jean und dem J wie Jonathan. Jonathan ist jetzt gegangen, warum? Kreative Differenzen?
Jean Angelats: Nein, nein. Vor dem Sommer entschied Jonathan, dass nach all der Arbeit an der ersten Kollektion die Zeit reif war für einen Berufswechsel, oder besser gesagt eine Rückkehr zu der Bau- und Gebäudearbeit, die er vorher gemacht hatte. Er entschied, dass es für ihn die richtige Entscheidung war und deshalb verließ er die Firma und nun bin ich allein mit meinem Assistenten, Thomas Heliot.
smow blog: Also ist die neue Kollektion komplett deine eigene Arbeit oder sind auch Komponenten von Jonathan dabei?
Jean Angelats: Die neue Kollektion ist meine eigene Arbeit, mit der Hilfe von Thomas. Während der Entwicklung haben wir die ganze Zeit geredet, fragten uns gegenseitig was hältst du davon, hiervon, davon, probierten neue Sachen aus und durch diese Diskussion entstanden die Objekte. Trotzdem liegt das letzte Wort und die endgültige Entscheidung immer bei mir. Es muss immer jemanden geben, der über „Ja“ oder „Nein“ entscheidet.
smow blog: Die neue Kollektion ist ja eigentlich zwei Kollektionen, die „richtige“ Collection 02 und Collection 01 Evolution. Ist die „Evolution“ nur zum Füllen der Lücken im Portfolio oder was ist der Gedanke dahinter?
Jean Angelats: Als wir die erste Kollektion machten, hatten wir nicht viel Geld oder viel Zeit und deshalb war die Kollektion nicht so ausgeweitet, wie sie hätte sein können. Jetzt haben wir etwas mehr Freiheit, sie in ein paar Richtungen weiterzuentwickeln, in die wir vorher nicht gehen konnten. Der Schaukelstuhl war das letzte Objekt in der Entwicklung von Collection One, dann kam die zerlegbare Kollektion.
smow blog: Was natürlich die offensichtliche Frage aufwirft, warum zerlegbar?
Jean Angelats: Im Grunde genommen war es der Gedanke, dass Demontierbares besser zu verschiffen ist.
smow blog: So einfach?
Jean Angelats: So einfach.
smow blog: Auch so einfach zu realisieren?
Jean Angelats: Was an den zerlegbaren Objekten interessant war, war, dass man immer daran denken musste, dass jedes Objekt zerlegbar sein musste und deshalb auch nur das haben kann, was es dringend braucht und nichts Unnötiges. Man baut seine Konstruktion und das war’s. Keine Extras. Und die Herausforderung, solche reduzierten Objekte zu schaffen war ein sehr interessanter und anregender Prozess…
smow blog: …aber deine Arbeit ist so reduziert! Da war doch schon vorher nicht sonderlich viel da…
Jean Angelats: Was genau das ist, was ich erreichen will, die einfachsten Möbel zu machen, die möglich sind; wenn Leute auf unsere Möbel schauen, sollten sie die Konstruktion verstehen, unserem Gedankengang folgen und damit auch die Arbeit verstehen, die dahintersteckt.
smow blog: Was auch das ist, was wir an euren Arbeiten immer mochten, dieses offene, fast brutalistische Konstruktionsprinzip, bei dem man sehen kann, wie es aufgebaut ist. Was natürlich die Frage aufwirft, warum die Polsterung in der Kollektion Evolution, ist das nicht eine zu starke Abweichung?
Jean Angelats: Wir wollten etwas Anderes anbieten als nur den hölzernen Sitz, aber selbst mit der Polsterung ist alles sichtbar und leicht verständlich, es gibt kein Mysterium, kein großes Geheimnis, der Eigentümer kann sehen, wie es hergestellt wurde.
smow blog: Wir wissen, dass du alle Holz- und Metallteile selbst machst, machst du auch die Polsterung?
Jean Angelats: Nein, das wird von Atelier Biermann ausgeführt, eine Polsterwerkstatt hier in Brüssel, die von den Brüdern Adrien und Lionel Biermann geführt wird.
smow blog: Du meintest am Anfang, du hast als Handwerker angefangen, aber jetzt, nach der Fertigstellung zweier Möbelkollektionen und all der Designüberlegungen, die offensichtlich dazugehören, fühlst du dich eher wie ein Designer?
Jean Angelats: Um ehrlich zu sein, denke ich über so etwas nicht nach. Ich habe eine Werkstatt und ich stelle meine Möbel her. Andere müssen entscheiden, wo ich reinpasse. Heutzutage hat man so viel, das als Design vermarktet wird und für mich ist Möbeldesign ganz ähnlich wie Musik, es scheint sich viel schneller als früher zu entwickeln, aber nicht unbedingt besser. Die Musik der 60er war gut, die 70er waren gut und dann nach den 1980ern lief alles ein bisschen, naja…
smow blog: ….nichts allzu Gutes seit den 80ern?
Jean Angelats: Nichts Gutes seit der Italo-Disco!
smow blog: Das gefällt uns, Ateliers J&J als Italo-Disco des Möbeldesigns!
Jean Angelats: Nein, nein, und natürlich werden heute auch viele gute Sachen produziert, aber wenn man zu einer Messe wie in Mailand geht, erkennt man, wie kommerziell die Branche ist. Viele Leute designen heute, um Geld zu machen. Und für mich reicht das nicht. Wir sollten designen, weil wir Dinge brauchen, für mich ist Design ein sehr grundlegendes Bedürfnis; wir brauchen Architektur für Gebäude und wir brauchen Design für alles innerhalb der Gebäude. Es ist nicht kompliziert und es sollte nicht so teuer sein.
smow blog: Du hast nie Design studiert. Denkst du, dass das hilft, erlaubt es dir vielleicht eher, Dinge anders zu verstehen als die Designer, die studiert haben und hilft es vielleicht, deinen eigenen Weg zu finden?
Jean Angelats: Ich weiß es nicht, es ist schwer zu sagen. Thomas hat gerade seinen Master in Design an der La Cambre gemacht und mit Sicherheit weiß er Dinge über Design, die ich nicht weiß. Aber ich kenne meine Werkstatt, ich kenne meine Materialien, weiß, was ich machen will und ich kenne Leute, die die Dinge machen können, die ich nicht kann. Die Frage ist, ob ich mehr wissen oder haben muss, um meine Möbel zu machen?
smow blog: Aber gibt es andere Designer, deren Arbeiten du bewunderst, Designer, zu deren Arbeiten du aufschaust?
Jean Angelats: Jean Prouvé wäre wohl meine wesentliche Inspiration, wenn man die Arbeiten sieht, die er entworfen hat und wann er sie entworfen hat, das ist einfach unglaublich. Aber dann auch Leute wie Le Corbusier oder Alvar Aalto. Ich kenne vielleicht zehn Designer und die sind alle alt, also alle vor der Italo-Disco!
smow blog: Im Hinblick auf die Zukunft, planst du, das Ateliers J&J Portfolio weiterhin selbst zu entwickeln oder kannst du dir beispielsweise vorstellen, mit externen Designern zu arbeiten?
Jean Angelats: Ich würde wirklich gerne mit anderen Designern arbeiten, besonders jungen Designern. Ich denke, es kommt gerade eine neue Generation, die mehr daran interessiert ist, was sie machen, als einfach nur Geld zu machen. Außerdem denke ich, dass die neue Generation mehr mit Materialien und weniger mit Computermodellen fernab der Werkstatt arbeiten will. Also ja, wenn ich junge Designer finde, würde ich definitiv mit ihnen arbeiten.
smow blog: Aber wirst du beim Stahlrohr bleiben oder können wir in der nächsten Kollektion ein neues Material erwarten?
Jean Angelats: Andere Materialien sind immer möglich, aber die oberste Priorität sind neue Maschinen und neue Produktionsmethoden, sodass wir die bisherigen Objekte effizienter und zu erschwinglicheren Preisen herstellen können.
smow blog: Und wir vermuten, das wird dann hier in Brüssel sein?
Jean Angelats: Erstmal ja, allerdings ziehe ich vielleicht demnächst nach Paris, nicht zuletzt, weil, obwohl es in Deutschland, Belgien oder Holland sehr viele gibt, in Frankreich zur Zeit nicht so viele Designer sind. Okay, ja, dort sind die Großen, aber die haben so eine Art Monopol und deshalb denke ich, es wäre sehr interessant zu sehen, was in Frankreich möglich ist.
smow blog: Aber immer noch Möbel, oder…?
Jean Angelats: Ich bin nicht sicher. In Bezug auf Möbel können wir alle wesentlichen Teile anbieten, deshalb denke ich, der nächste Schritt ist, ein kleines demontierbares Haus zu erschaffen!
smow blog: Lustig, aber wir ahnen, dass du das ernst meinst…
Jean Angelats: Auf jeden Fall! Ich denke, es ist Zeit, ein solches Objekt zu entwerfen, etwas Einfaches, nicht zu teuer, vielleicht 25 oder 30 Quadratmeter, aber im Moment ist es nur eine Idee.
smow blog: Und eine, auf die wir jetzt schon durchaus gespannt sind…
Weitere Informationen zu Ateliers J&J und deren Arbeit finden Sie auf http://ateliersjetj.com
Wir haben noch nicht alle Arbeiten gesehen und werden deshalb unser Urteil zurückhalten, bis es soweit ist, hier sind trotzdem ein paar Fotos der derzeitigen Ausstellung mit freundlicher Genehmigung des Ateliers J&J :
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