Man kann durchaus sagen, dass die Universität der Künste Berlin, UdK Berlin, über die letzten Jahre und Jahrzehnte den Großteil der interessantesten und bedeutungsvollsten Designer Berlins hervorgebracht hat. Während dies in der Vergangenheit fehlenden Alternativen geschuldet war, reagiert die Schule mittlerweile auf steigende Konkurrenz mit der Aufstellung eines qualifizierten und vernünftigenLehrkörpers, der den Studenten ebenso qualifizierte und vernünftige Semesterprojekte vorgibt, aber gleichzeitig Freiräume für die Entwicklung eigener Projekte lässt, wo sie sinnvoll scheinen. Qualifiziert. Vernünftig. Oder wie auch immer.
Das konnte man eindeutig auf der Ausstellung zum Jahresende Rundgang 2015 beobachten.
Nach der kürzlich stattgefundenen Summaery 2015 an der Bauhaus Universität Weimar,auf der einige der „üblichen“ Kurse, die sonst gut sind, es nicht waren und es vielen freien Projekten an echter Überzeugungskraft oder solider Begründung fehlte, kann in keinster Weise von einem typischen Jahr gesprochen werden. Viel zu oft fragten wir uns weniger, warum ein Projekt entwickelt worden war, sondern fühlten uns eher, als müssten wir dem Projekt selbst bei dessen eigener Identitätskrise unter die Arme greifen. Wer bin ich? Warum bin ich hier? 42??? schrien sie. Antworten hatten wir keine. Außer, dass sie unschuldig und frei geboren worden waren.
Nachdem das gesagt ist, gab es immerhin ein paar Projekte, die unsere Aufmerksamkeit erregten.
Was hier folgt, betrifft nur die Abteilung Design, zusätzlich zeigt der UdK Rundgang 2015 aber auch studentische Arbeiten der Fakultäten Kunst, Architektur, Musik, Mode und andere.
Weitere Informationen finden Sie auf http://www.udk-berlin.de
Dinner for Two von Philipp Hainke
Da unsere Spezies einem angeborenen Hang zu Kitsch und seelenlosem Kram erlegen ist, wird unsere Welt immer mehr überflutet von unsinnigen elektronischen Hasen, Blumen, Katzen und Aliens, welche uns wissen lassen, wenn ein gerade weit entfernt lebender geliebter Mensch online ist. Die Blume erblüht. Die Katze winkt. Das Alien piept. Juhu, mein Liebling checkt seine Nachrichten. Digitale Nähe stellt sich ein. Dinner for Two von Phillipp Hainke ist die analoge Version davon, die non-verbale Kommunikation und ein Gefühl geistiger Zusammengehörigkeit über eine Distanz von nur einem Meter vermittelt.
Gleichzeitig ist sie auch um einiges mehr reizvoll, praktisch, interessant und gewinnend.
Im Rahmen des Hot Spots Seminars entworfen, ist Dinner for Two eine Wippe mit mittig angebrachtem Tisch, der zu einer geselligen Mahlzeit zu zweit einlädt und dabei die Bereiche der normalen Kommunikation um die stetigen, unvorhersehbaren Bewegungen des Gegenübers erweitert. Dies erfordert nicht nur eine direkte, sofortige und unausgesprochene Interaktion der beiden Partner, sondern zwingt einen selbst auch, den anderen zu berücksichtigen. Wer ist schwerer? Größer? Ist es in Ordnung, wenn ich mich jetzt bewege? Soll ich mich überhaupt bewegen? Vertraue ich ihm/ihr? Warum vertraut er/sie mir nicht?
Dabei muss die Mahlzeit keinesfalls gesellig oder fröhlich sein; eine eisige, übellaunige Stimmung nimmt ganz andere Dimensionen an und kann auf neue Ebenen theoretischer Grausamkeit gehoben werden, sobald die Sitzgelegenheiten der Teilnehmer physisch miteinander verbunden sind.
Gleichzeitig muss es sich auch überhaupt nicht um eine Mahlzeit handeln. Mal abgesehen davon, was vielleicht passiert wäre, hätten Anatoly Karpov und Viktor Korchnoi solch eine Konstruktion während ihrer „Begegnung“ bei der Schach Weltmeisterschaft 1978 zwischen sich gehabt, scheint Dinner for Two besonders interessant zu werden, sobald der Alkoholeinfluss zu- und die wahrgenommene Standfestigkeit abnimmt.
Solch ein wahrhaft wunderbares Konzept wie Dinner for Two können wir uns besonders gut an öffentlichen Orten wie Picknick-Tischen vorstellen. Oder in der Kantine der Vereinten Nationen.
TEA43 von Dennis Nguyen
Obwohl Dennis Nguyen TEA43 für das dezente und kultivierte Ritual des Teetrinkens entworfen und konzipiert hat, können wir uns nicht dagegen wehren, die Porzellankugel vor unserem inneren Auge mit Bier zu füllen. Entschuldigung, so sind wir nun mal und wir sind auch viel zu alt und zu stur um uns zu ändern. TEA43 wird „tea for three“, also „Tee für drei“ ausgesprochen und ist als Teekanne gedacht, die das Erlebnis des gemeinschaftlichen Teetrinkens fördern soll. Der Sockel, auf dem der Pot steht, enthält ein Teelicht, um den Tee warm zu halten, der von allen Seiten und in alle Richtungen gegossen werden kann. Allerdings funktioniert TEA43 für uns als ein Konzept für Tee einfach nicht. Der Eingießprozess ist falsch, denn dazu braucht man nicht drei Ausgüsse, sondern einen. Aber für Bier, als zentraler Bestandteil eines Biergartentisches? Perfekt. Dazu könnte man vielleicht noch das Verbindungssystem verwenden, das Erik Wester für seine sträflich übergangene Standing Task Light entwickelt hat und schon hat man einen Gießer, der gießt. Aber nicht umfällt. Und ja, alternativ könnte man auch Wasser einfüllen, zum Beispiel auf einem Restaurant- oder dem Wohnzimmertisch.
Was nicht heißen soll, dass wir die Arbeit, die Dennis Nguyen in sein Projekt gesteckt hat, nicht mögen oder anerkennen. Das tun wir. Sehr. Es ist ein gut durchdachtes und begründetes Projekt. Es kommt uns nur so vor, als hätte eine andere Schlussfolgerung gezogen werden sollen oder können.
Aber es ist, wie es immer ist, was wissen wir schon.
Knot a Tent von Christine Oehme & Pauline Schlautmann
Ein Zelt ist im Kern ein sehr einfaches Objekt. Knot a Tent ist ein noch einfacheres Objekt und ein herrlicher Wortwitz.
Im Rahmen des Zweitsemesterkurses „Fluss oder Regen“ von Christine Oehme und Pauline Schlautmann entworfen, ist Knot a Tent grundlegend ein Verbindungselement aus Silikon, das aufgrund seiner äußeren Form an eine Fliege oder einen abstrakten Oberschenkelknochen erinnert. Dieser kann verwendet werden, um eine beliebige Zahl kräftiger Stöcke zu einem Stativ zusammenzuhalten und so ein behelfsmäßiges Zelt zu errichten.
Warum man nicht einfach ein Stück Seil verwendet? Fragen Sie die schlauen Kinder, die vorn in der Klasse sitzen.
Eine Frage, auf die wir keine überzeugende oder ehrliche Antwort wissen, außer, dass Knot a Tent eine fortschrittliche Version des klassischen Seils in einer kompakteren und einfacher zu transportierenden Form liefert. Hergestellt aus einem Material, das sowohl über die Zeit als auch durch Regen kaum verfällt, ist es außerdem nicht nötig, die dunklen Künste des Knotenbindens in Perfektion zu beherrschen, um Stabilität zu gewährleisten. Dazu kommt, dass Knot a Tent einen schnelleren Zeltaufbau ermöglicht, als wenn man mit Seilen hantieren muss, was ziemlich wichtig ist, wenn es bereits regnet.
Außerdem, Achtung Schlaumeier, kann Knot a Tent, genauso wie ein Seil, zu vielen verschiedenen Zwecken benutzt werden. Viele von Ihnen werden sich sicher an Danish Dynamite von Alexander Münchberger aus Mailand 2014 erinnern. Knot a Tent kann ähnlich verwendet werden, als Knot a Stool, Knot a Table oder einfach als Hänge-/Befestigungs-/oder Verbindungshilfsmittel in allen vorstellbaren Situationen, Orten oder Umgebungen. Zu Hause oder in der Wildnis.
Und wo ein Seil vielleicht ungeeignet ist.
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