Wie schon Noël Coward bekanntermaßen festhielt, gehen nur verrückte Hunde und Engländer während der Mittagshitze nach draußen und genauso erfordert es schon eine ziemlich laxe Einstellung zum Leben, eine Ausstellung im August zu eröffnen. Jeder, aber auch wirklich jeder, so scheint es, ist im Urlaub. Oder hat sich zumindest, wie Cowards Karibus, für ein Nickerchen zurückgezogen.
Das ist wahrscheinlich der Grund, weswegen der Großteil der folgenden fünf Ausstellungen erst Ende August eröffnet wird, also nachdem die Sonne aufgehört hat, so glühend heiß zu scheinen, dass man sich vor ihren ultravioletten Strahlen verstecken muss.
„Shelter: Rethinking How We Live in Los Angeles“ im A+D Architecture Museum Los Angeles, USA
Für seine Eröffnungsausstellung im neuen Zuhause in Los Angeles, das irgendwie unglücklich als „Arts District“ benannt wurde, hat das A+D Architecture Museum Los Angeles sich entschlossen, auf ein abgetragenes aber nimmermüdes Genre der Architekturausstellungen zurückzugreifen – die Zukunftsstudie. Im Einzelnen hat das Museum sechs in Los Angeles ansässige Architekturbüros beauftragt, eine städtische Neugestaltungslösung für einen Streifen Land im Norden der Stadt zu entwickeln. Diese soll beispielsweise Themen wie Baugrundknappheit, erhöhte Dichte, sich entwickelnde Vielfalt und derzeitige Umweltumstände berücksichtigen. Dabei handelt es sich zweifelsfrei um eine sehr standortspezifische Herausforderung, nichtsdestotrotz besteht die Hoffnung, dass die Forschung der Architekten neue Visionen zukünftiger Wohnraumlösungen hervorbringt, die sich universell oder zumindest weitreichender anwenden lassen, als lediglich auf einen Streifen Land im Norden von Los Angeles.
„Shelter: Rethinking How We Live in Los Angeles“ wird im A+D Architecture Museum Los Angeles, 900 East 4th St. Los Angeles, CA 90013 am Donnerstag, den 20. August, eröffnet und läuft bis Freitag, den 6. November.
„Lost and Found in Oranienbaum“ im Ampelhaus, Oranienbaum
Wenn wir mal ganz ehrlich sind, bezweifelten wir vor ein paar Monaten noch, dass es eine vierte Jahreszeit im Ampelhaus geben würde, zu viel schien anderswo zu passieren und wir konnten uns einfach nicht vorstellen, dass die Hauptakteure die Zeit finden würden, eine neue Ausstellung auf die Beine zu stellen. Glücklicherweise lagen wir falsch und in der Ausstellung 2015 zeigt das Ampelhaus die Arbeiten von acht Designern und acht Künstlern, die im Rahmen und im Zusammenhang mit einem Aufenthalt in Oranienbaum entstanden sind. Das ist auch schon alles, was wir dazu sagen können. Abgesehen davon, dass die Ausstellung Arbeiten u.a. von Bora Hong, Joost Goudriaan, Birgit Severin, Nienke Jansen und Giuseppe Licari enthalten wird und damit den vielseitigen Mix unterschiedlicher Stile, Herangehensweisen und Philosophien verspricht, der die Ampelhaus Ausstellung so einzigartig, anspruchsvoll und sehenswert macht.
„Lost and Found in Oranienbaum“ wird im Ampelhaus, Brauerstraße 33, 06785 Oranienbaum am Samstag, den 28. August, eröffnet und läuft bis Samstag, den 26. September.
„A New Layer. Taiwanese lacquer art seen through Swedish eyes“ im Röhsska Museum, Göteborg, Schweden
Orientalische Lackware hat nicht nur eine lange Tradition in Kunst und Handwerk, sondern auch in seiner Funktion als Brücke zwischen östlichen und westlichen Kulturen, sowie als Inspiration für Designer und Handwerker unterschiedlichster Hintergründe. Das wohl berühmteste Beispiel ist vielleicht die irische Designerin Eileen Gray, deren erste Schritte im Produktdesign durch japanische Lackkunst angestoßen wurden. Um diese lange Tradition aufrecht zu erhalten, brachten das Röhsska Museum in Göteborg und das National Taiwan Craft Research and Development Institute fünf schwedische Designstudios mit taiwanischen Handwerkern zusammen – mit dem Auftrag, ein neues Produkt zu kreieren. Das Resultat dieses Austauschs und des gemeinschaftlichen Designprozesses ist eine Kollektion aus Sitz- und Stauraummöglichkeiten sowie rein dekorativen Stücken. Wir erwarten nichts wirklich bahnbrechendes, aber sicher ein paar Denkanstöße. Und trotzdem eine Inspiration.
„A New Layer. Taiwanese lacquer art seen through Swedish eyes“ wird im Röhsska Museum Vasagatan 39, 411 37 Göteborg am Dienstag, den 25. August, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 4. Oktober.
„TOYSSIMI. 100 Kids + 100 Designer = 100 extraordinary toys and more“ im Triennale Design Museum Mailand, Italien
Nur recht selten ist die hintergründige Idee zu einer Designausstellung genauso einnehmend wie das tatsächliche Endresultat. So ist es jedoch bei „Toyssimi“ im Triennale Design Museum in Mailand. In Zusammenarbeit mit dem ilVespaio „Kreativ-Workshop“ organisiert, verband das Projekt je einen Designer und ein Kind und stellte das Duo vor die Aufgabe, ein Spielzeug zu entwerfen. Der Großteil der Kinder war zum Zeitpunkt des Projekts in verschiedenen italienischen Kinderkrankenhäusern untergebracht, wo die Designer, bepackt mit einem Koffer voller Materialien, auftauchten und den kreativen Prozess von den Wünschen und Vorstellungen der Kinder beeinflussen, wenn nicht sogar leiten ließen. Dabei war die Erfahrung und das Design-Verständnis der Künstler gefordert, um sicherzustellen, dass die Realisation ebenso praktisch und funktional ist, wie sie auch den Visionen des Kindes entspricht. Daher ist das Endergebnis gar nicht so wichtig, viel interessanter ist, was uns die Ergebnisse über zeitgenössisches Spielzeugdesign verraten; inwiefern kleinteilige Spielzeuge die Vorstellungen moderner Kinder erfüllen, inwiefern die Vorstellungen moderner Kinder zu den Vorstellungen von Kindern vergangener Generationen passen… und, dass nach Ende der Ausstellung alle 100 Spielzeuge versteigert werden. Die Erlöse gehen an Amani, eine Non-Profit Organisation, die sich um verwaiste und schutzlose Kinder in Kenia und Sambia kümmert.
„Toyssimi. 100 Kids + 100 Designer = 100 extraordinary toys and more“ wird im Triennale Design Museum, Viale Alemagna, 6, 20121, Mailand am Freitag, den 24. Juni, eröffnet und läuft bis Freitag, den 11. September.
„Lennart Mänd – Bindings“ im Estonian Museum of Applied Art, Tallinn, Estland
Man kann wohl durchaus sagen, dass es eine Buchbinder-Ausstellung in einem „normalen“ Monat nicht in unsere Top Fünf geschafft hätte. Nicht, weil sie nicht interessant oder sehenswert gewesen wäre, sondern weil es fünf andere Ausstellungen geben würde, die nach unserer, sehr subjektiven Meinung interessanter und sehenswerter gewesen wären. Daher ist es vielleicht gut, dass das Estonian Museum of Applied Art sich dazu entschieden hat, Lennart Mänds Untersuchung des zeitgenössischen Buchbindens im August zu eröffnen. Was uns wirklich auf die Ausstellung neugierig macht, ist die Aussicht auf neue Verfahren, die sich speziell für Limited Editions eignen – da unsere Welt immer digitaler wird, wird sich die Wertschätzung eines gut verarbeiteten, funktionalen, analogen Produkts steigern, dazu zählt auch die Anerkennung eines formschönen, hochwertig gebundenen Buches. „Lennart Mänd – Bindings“ scheint der perfekte Ort zu sein, mit dem Sammeln von Ideen für diese nahende Zukunft zu beginnen. Aufgebaut in der sogenannten Staircase Gallery ist die Ausstellung wahrscheinlich nicht umfangreich genug, um extra deswegen nach Tallinn zu reisen und sie sich anzusehen, aber sollte sich jemand gerade in der estnischen Hauptstadt aufhalten, ist sie sicher einen Besuch wert.
„Lennart Mänd – Bindings“ wird im Estonian Museum of Applied Art and Design, 17 Lai Street, 10133 Tallinn, Estland am Freitag, den 28. August, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 25. Oktober.
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