Wie wir im Post über die Ausstellung Open World in der Kazerne Eindhoven erwähnt haben, ist in Eindhovens Zentrum nicht viel los – gemessen daran, dass die Stadt oft als Hotspot der zeitgenössischen europäischen Kreativszene angeführt wird.
Vielmehr als der betriebsame Bienenstock, den man erwarten könnte, ist die Innenstadt von Eindhoven in vielerlei Hinsicht das Bilderbuchbeispiel eines eintönigen Provinzkaffs, das über Nacht verschwinden könnte, ohne dass jemand davon Notiz nehmen würde. Und natürlich die Rettung für alle Fotografen, die auf Bilder urbaner Banalität und eines gewissen Stillstandes spezialisiert sind.
Kazerne Eindhoven, gegründet vom Ehepaar Annemoon Geurts und Koen Rijnbeek, ist ein Mix aus Designgalerie, Designlabor, Restaurant und einem Ort für Gäste – sowie ein Versuch, den gegenwärtigen Stand der Dinge aufzumischen und die ortsansässige Kreativität aus ihren peripheren Ghettos ins Herz von Eindhoven zu bringen.
Bei der Eröffnung von Open World haben wir mit Annemoon Geurts über die Kazerne, Design in Eindhoven und Eindhoven im Allgemeinen gesprochen, und, irgendwie logisch, mit der Frage begonnen, wie die Kazerne entstanden ist.
Annemoon Geurts: Nach meinem Abschluss an der Design Academy Eindhoven habe ich eine eigene Designagentur eröffnet. Zu dieser Zeit arbeitete mein Mann Koen noch als Musiker, hat sich dann aber für eine Veränderung entschieden und ist mit in die Agentur eingestiegen. Im Rahmen der Dutch Design Week 2006 haben wir unser erstes „Eat Drink Design“ Event organisiert, eine Art Pop-up-Restaurant, in dem die Gäste zwischen, auf und mit verschiedenen Designarbeiten diniert haben. Die Motivation für das erste „Eat Drink Design“ bestand zum großen Teil darin, mit gutem Grund etwas anderes zu tun, als den ganzen Tag auf unsere Computerbildschirme zu starren – doch weil es so viel Spaß gemacht hat und gut angenommen wurde, haben wir für 2007 eine Wiederholung geplant, bloß ein bisschen größer. Und so starteten wir 2007 ein Projekt, in dem wir Eindhovener Designer mit lokalen Restaurants zusammenbrachten, um eine Kooperation zu initiieren und zu sehen, ob und wie die Designer helfen könnten, die Restaurants zu unterstützen. Im ersten Jahr hatten wir sieben Projekte; Projekte, die viele positive Reaktionen und Rückmeldungen bewirkt haben. Das brachte uns dazu, zu beraten, ob wir weitermachen könnten und etwas für die lokale Kreativindustrie tun, und so entschieden wir, eine Plattform zu gründen – einen dauerhaften Ort, wo Menschen einander begegnen können, essen, trinken, schlafen und designen. Am 7. Dezember 2007 gingen wir auf die Stadt zu, um nach einem Raum für uns zu fragen, und im Oktober 2014 haben wir geöffnet.
smow Blog: Sieben Jahre..?
Annemoon Geurts: Wir sind keine professionellen Immobilienentwickler. Das heißt, wir waren es nicht, jetzt sind wir es! Nein, es waren einfach sieben arbeitsreiche Jahre voller Planung, Durchführbarkeitsanalysen, Verhandlungen mit den städtischen Autoritäten … und weil wir beide auch in der Agentur arbeiteten, brauchte es eine Weile, parallel „Eat Drink Design“ und das ganze Projekt zu entwickeln.
smow Blog: Immobilienentwicklung ist ein gutes Stichwort, denn man kann wohl sagen, dass der enorme Raum, den ihr hier habt, eine wichtige Komponente des Projekts ist. War dieses Gebäude ein Ort, den ihr im Blick hattet, war es das Gebäude, das ihr von Anfang an haben musstet?
Annemoon Geurts: Nein, überhaupt nicht. Tatsächlich war uns gar nicht bewusst, dass es das Gebäude gibt, und dass, obwohl wir eigentlich in der Nähe wohnen! Dieses Gebäude war mal eine Garage für die Fahrzeuge der städtischen Müllabfuhr, dann aber viele Jahre mit Brettern zugenagelt, heruntergekommen und verlassen, sodass wir ihm nie Aufmerksamkeit geschenkt haben. Als wir es das erste Mal gesehen haben, konnten wir kaum glauben, dass so ein wundervoller Raum hier in der Mitte Eindhovens existiert! Aber wir wussten sofort, dass es der perfekte Ort wäre. Es ist so ein wunderbar großer Raum mit zwei verschiedenen Persönlichkeiten: dem industriellen, weiträumigen und offenen Charakter des Hauptgebäudes und dem viel Kleineren, Persönlicheren, das sich in den Nebengebäuden findet – also zwei verschiedene Atmosphären an einem Ort.
smow Blog: Die öffentlich zugänglichen Elemente der Kazerne sind das Restaurant und die Ausstellungsfläche, aber es gibt auch das sogenannte Kazerne Lab. In Kürze, was ist das Kazerne Lab?
Annemoon Geurts: Eines unserer Hauptziele in Bezug auf die Kazerne besteht darin, den Mehrwert der Kreativindustrie zu erklären. Viele Menschen wissen, dass die Kreativindustrie wichtig ist, aber die meisten verstehen nicht wirklich, was das bedeutet – und so wollen wir praktische Beispiele dieses Mehrwerts zeigen. In dieser Hinsicht ist es eine der Aufgaben der Kazerne, lokale Designer mit der ortsansässigen Industrie in Kontakt zu bringen. Dementsprechend ist das Ziel von Kazerne Lab, Designer und Händler kooperieren zu lassen und zu schauen, wie sie einander motivieren und inspirieren können. Die Restauranttische zum Beispiel sind das Ergebnis eines Kazerne Lab Projektes, bei dem wir das Studio Daphna Laurens und einen örtlichen Schmied gebeten haben, gemeinsam an der Entwicklung eines Tisches speziell für Restaurants zu arbeiten. Zusätzlich zu solchen kommerziellen Projekten wird ein Hauptaugenmerk des Kazerne Lab auf Social Design liegen, also auf Projekten, die zu ermitteln helfen, wie und wo Designer helfen können, soziale Bedingungen zu verbessern.
smow Blog: Und wir vermuten, dass sich das Ziel, die Kreativindustrie zu erklären, auch in den Ausstellungen fortsetzt, richtig?
Annemoon Geurts: Ja, die erste Ausstellung war „Open Mind“, in der wir erklärt haben, dass Kreative dazu tendieren, anders zu denken, selten von A nach B, sondern sich Dingen eher auf weniger logische Weise nähern – weshalb sie dann mit neuen Ideen und innovativen Konzepten aufwarten können. In der aktuellen Ausstellung „Open World“ geht es darum, die Forschung, die Designer momentan betreiben, zu zeigen, und zu erklären, was Designer tun, warum und wohin es führen könnte. Darüber hinaus wollen wir die Ausstellungen auch nutzen, um eine Diskussion mit der technischen Industrie hier in Eindhoven zu initiieren. Ich denke, Eindhoven ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie die beiden Hirnhälften arbeiten – es gibt einen kreativen Teil und einen „Nerd“-Teil, und wenn beide Hälften zusammenkommen, ist das Potenzial da, großartige Dinge zu erschaffen.
smow Blog: Wie dem auch sei – in Eindhoven gibt es kaum öffentliche Zeugnisse des kreativen Potenzials der Stadt, kannst du das erklären?
Annemoon Geurts: Ich bin auch verblüfft, dass es in der Stadtmitte keinen Sinn für Design gibt, keine Hinweise aus das Potenzial, das sich hier vorfindet. Auch das gehört zu den Ursachen, weshalb wir überzeugt waren, dass die Kazerne funktioniert: Eindhoven braucht eine Plattform, wo Design das ganze Jahr über präsentiert werden kann – nicht nur während der Dutch Design Week, ohne die typischen Museums-Öffnungszeiten, sondern in einer entspannteren, weniger respekteinflößenden Atmosphäre. Es ist sehr befriedigend, zu sehen, wie Leute auf einen Kaffee hereinkommen, die Ausstellung nicht erwartet haben und sie dann genießen. Oder wenn man sieht, wie Restaurantgäste zwischen den Gängen durch das Gebäude wandern, die Ausstellung erkunden und hoffentlich etwas Neues lernen.
smow Blog: Ihr seid hier seit Oktober 2014 aktiv, weshalb es ein bisschen früh sein mag, danach zu fragen, aber habt ihr Pläne für zukünftige Erweiterungen oder Entwicklungen?
Annemoon Geurts: Als wir angefangen haben, legten wir als erstes Ziel fest, den großen Raum funktionsfähig zu machen, ein beständiges Einkommen zu erzeugen und, wenn das erst einmal geschafft wäre, mit den kleineren Gebäuden zu beginnen. Im Moment haben wir zusätzlich zur Ausstellungsfläche die Bar, ein Restaurant und einen Veranstaltungsraum – aber wenn alles fertig ist, werden wir drei Veranstaltungsräume, zwei Restaurants und sieben Apartments haben. Wenn alles nach Plan geht, wird diese Phase Zwei Ende 2016 abgeschlossen sein und wir werden dann, hoffentlich, ausreichend Ressourcen haben, die uns befähigen, Projekte außerhalb der Kazerne zu realisieren – sowohl in Eindhoven als auch mit einem weiter gesteckten Horizont. Wir haben viele Ideen und viele Möglichkeiten, aber momentan nicht viel Geld. Doch nachdem wir uns sieben Jahre genommen haben, um die Kazerne zu eröffnen, wissen wir, dass gute Ideen Zeit brauchen, um verwirklicht zu werden!
Mehr Informationen zur Kazerne Eindhoven auf www.kazerne.com
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