So interessant viele Designobjekte ohne Frage auch sein mögen, die Geschichte ihrer Entstehung ist stets noch interessanter. Ganz besonders betrifft das zeitgenössische niederländische Designobjekte, denn wie wir in unserem Post zur Ausstellung „Domestic Affairs – New Voices in Dutch Design“ in Köln schon bemerkt haben, gibt es momentan nur sehr wenige Designer in Holland, die einfach Produkte produzieren. Vielmehr neigen niederländische Designer derzeit dazu den Entwicklungsprozess sehr viel erzählerischer und heterogener zu gestalten als das im eher klassischen Produktdesign der Fall ist. Einblicke in die facettenreiche Gestalt solcher Designprozesse, die Art der Entscheidungen, die Designer fällen müssen und die Probleme, die bewältigt werden müssen, um ein Projekt zu realisieren oder ein Konzept zu entwickeln, werden bis 17. Mai in der Ausstellung „How We Work, new Dutch Design“ im Stedelijk Museum in ’s-Hertogenbosch präsentiert.
Die von Tatjana Quax vom Amsterdamer Studio Aandacht kuratierte Ausstellung „How We Work, new Dutch Design“ präsentiert 14 Projekte, die repräsentativ für eine „neue Strömung im niederländischen Design“ stehen sollen. Ein Ausstellungskonzept also, das vorgibt definieren zu können, was unter einer „neuen Strömung“ zu verstehen ist. Tatjana Quax und das Stedelijk Museum haben beschlossen sich auf Arbeiten zu konzentrieren, die die „Rolle und Funktion des Designs in einer Welt voller Exzess“ untersuchen. Genauer gesagt haben die Organisatoren den Schwerpunkt auf Projekte gelegt, die sich mit einer Kombination aus traditionellem Handwerk und neuen Produktionsprozessen beschäftigen und eher für Wiederverwendung als für Recycling stehen. Dazu gehören Arbeiten wie Dirk vander Kooijs genialer Melting Pot Table. Ein Projekt, das als Möglichkeit begann den während der Forschungs- und Produktionsarbeit von Dirk anfallenden Müll wiederzuverwenden und sich in eine täuschend einfache Methode für die Wiederverwendung von Plastikmüll entwickelt hat. Die in der Ausstellung gezeigte Version wurde aus geschmolzenen Plastikteilen ausgedienter Computer und Tastaturen hergestellt, die aus dem früheren Scryption Museum in Tilburg stammen und denen der Tisch so die herrlichen postindustriellen Graustufen zu verdanken hat. In ähnlicher Weise basiert auch Pepe Heykoops Projekt Skin Collection auf einem relativ simplen Konzept, das jedoch über eine Tiefe verfügt, die über die eigentlich sehr oberflächliche Einfachheit hinwegtäuscht. Pepe bezieht ausgediente Möbel mit Lederresten aus der industriellen Möbelproduktion und kreiert so Objekte, die eine charmante Desorientierung vermitteln und einem dennoch vage vertraut erscheinen.
Bei einer Ausstellung über zeitgenössisches niederländisches Design fällt auf, dass ganz klar überwiegend konzeptuelle und experimentelle Projekte präsentiert werden. Red Wood vom Eindhovener Studio rENs beispielsweise untersucht, wie unterschiedliche Holzarten rotes Pigment aufnehmen. Warum nun gerade das erforscht werden muss, ist eine Frage, die natürlich viele stellen werden und stellen sollten. Nur ist manchmal das Warum unwichtiger als das Was – und abgesehen vom zugegebenermaßen abstrakten Hintergrund des Projektes selbst – fällt das Resultat, eine Tischkollektion mit Objekten in unterschiedlichen Formen, Größen, Hölzern und besagten individuellen Farbtönen, sehr charmant aus. Ähnlich abstrakt in seinem Ursprung, dennoch charmant im Ergebnis ist Drawn from Clay – Noordoostpolder von Lonny van Ryswyk und Nadine Sterk alias Atelier NL. Im Laufe eines Projektes, das gut zum Portfolio von Myvillages passen würde, haben die Designer von Atelier NL Lehmproben aus ungefähr 2000 Feldern in der Region Noordoostpolder in den Niederlanden entnommen und aus ihnen Kacheln, Geschirr und andere Accessoires kreiert – jedes einzelne Objekt mit der ursprünglichen Farbe und Textur des jeweiligen Lehms und so verbunden mit dem Geist des jeweiligen Ortes, der ein industriell gefertigtes Produkt in einen begehrten persönlichen Besitz verwandelt. Natürlich könnte man einfach Geschirr in einer Reihe von Lehmtönen produzieren und Holzbretter in unterschiedlichen Rotabstufungen anstreichen. Nur ist das wie gesagt einfach nicht das Ding zeitgenössischer niederländischer Designer. Um ehrlich zu sein glauben wir nicht, dass irgendwer in Eindhoven so etwas überhaupt für möglich halten würde. Ob die Sache der niederländischen Designer sinnvoll und bedeutsam, oder dann doch einfach Design ist, muss an anderer Stelle beantwortet werden.
„How We Work, new Dutch Design“ umfasst allerdings auch Objekte, die man als eher zielgerichtete, absichtsvoll entwickelte Produkte bezeichnen könnte. Insbesondere betrifft das Chris Kabels Projekt Blue Sky Lamp, der Versuch mit einer Lampe gegen Winterdepressionen vorzugehen, und Joris Laarmans Makerchair, ein Open-Source-3D-gedruckter-Stuhl, der aus 77 Elementen besteht, die frei angepasst werden können, um ein persönliches, selbst produziertes und selbst gebautes Möbelstück zu kreieren. Ansonsten hat uns die interaktive Präsentation von Dyptych von Lex Pott sehr beeindruckt, bei dem die weicheren Sommerringe mittels Sandstrahler aus einem Stück Douglastanne entfernt werden, sodass nur die härteren Winterringe stehen bleiben – ein visueller Effekt, der eine völlig neue Perspektive auf das eigentliche Wesen des Holzes eröffnet und Valentin Loellmanns Projekt Herbst/Winterbank, das uns nach wie vor fasziniert, auch wenn wir es nicht wirklich verstanden haben. Wir hoffen jedoch, dass wir es bald begreifen werden. Eine besondere Erwähnung hat zudem Phenomenon von Pieke Ergmans verdient. Für uns eines der echten Highlights bei „How We Work“ und ein Projekt, das Licht gewissermaßen verschwinden und dann wieder erscheinen lässt. Neben der Präsentation der 14 Projekte stellt „How We Work“ auch einen Informationstisch mit etwas mehr Hintergrundinformationen zu den Designern zur Verfügung, während zudem eine Reihe von Kurzfilmen zu den Designern und ihren Arbeiten im Untergeschoss in Dauerschleife läuft und die Ausstellung wunderbar ergänzt.
Die geschickt aufgebaute, gut durchdachte und sehr unterhaltsame und informative Ausstellung „How We Work, new Dutch Design“ fällt für uns allerdings an den Punkten, die sie vorgibt zu thematisieren, etwas zu knapp aus. Viele der Projekte werden für uns zu kurz erläutert. Ja, wir verstehen zwar, dass es in manchen Fällen nicht mehr geben mag, das sich bequem innerhalb der Beschränkung des Raumes präsentieren ließe – etwas mehr Input von Seiten der Designer wäre allerdings wirklich hilfreich gewesen: Motivation, die größten Probleme, Einflüsse, Erkenntnisse, begangene Fehler, Hilfen etc. Dann wäre es wirklich eine Ausstellung über „How we work“ geworden – und, noch wichtiger, vielleicht eine zugängliche Einführung zu einigen sehr interessanten Protagonisten des zeitgenössischen, dänischen Designs. Das Stedelijk Museum ist übrigens im selben Komplex wie das Het Noordbrabants Museum, so kann man also beide Ausstellungen, „How we Work, new Dutch Design“ und „Design from the Country of Potato Eaters – Designers meet van Gogh“, zusammen besuchen. Kauft das Kombiticket für beide Ausstellungen und verbringt den Tag auf dem Gelände, das wäre unser Tip. „How We Work, new Dutch Design“ läuft im Stedelijk Museum ’s-Hertogenbosch, De Mortel 4, 5211 HV ’s-Hertogenbosch bis Sonntag, den 17. Mai.
Alle Details sind unter http://www.sm-s.nl zu finden.