Während weitgehend bekannt ist, dass Leipzig aktuell zu den wichtigsten europäischen Zentren in Sachen Online-Einzelhandel für Designermöbel zählt, wissen die wenigsten, dass die Stadt schon immer ein wichtiges europäisches Zentrum für innovative Ansätze im Bereich Handel mit zeitgenössischem Mobiliar war.
Die Ausstellung „F. G. Hoffmann – Hoftischler und Unternehmer im Grassi Museum für Angewandte Kunst zu Leipzig“ hat sich zum Ziel gesetzt, diese Wissenslücke zu schließen.
Friedrich Gottlob Hoffmann, geboren 1741 auf dem Anwesen Puschwitz Manor in Sachsen, begann seine Tischlerausbildung in dem Dorf Belgern, bevor ihn 1758 der siebenjährige Krieg zum Umzug nach Leipzig zwang. Dort eröffnete Gottlob Hoffmann nach dem Abschluss seiner Ausbildung im Jahr 1770 eine eigene Werkstatt. Der anfänglich magere Erfolg verbesserte sich, nachdem sich Gottlob Hoffmann mit dem Leipziger Kunsthändler Carl Christian Heinrich Rost zusammentat. In seinem Geschäft in Leipzigs Auerbachhof verkaufte Rost Keramiken, Grafiken, Statuen und Möbel an die obersten Ränge der Leipziger Gesellschaft Sachsens und auch darüber hinaus. Im Jahr 1783 erhielt F. G. Hoffmann seinen ersten Auftrag von Carl Christian Heinrich Rost. Daraufhin entwickelten sich Hoffmanns Möbel ziemlich schnell zum wichtigsten Standbein in Rosts Möbelportfolio und die Einkünfte durch Rosts Aufträge wiederum zum wichtigsten Standbein von Hoffmanns Betrieb.
Im Jahr 1788 erhielt Friedrich Gottlob Hoffmann dann ein Darlehen von 1000 Talern vom sächsischen Hof, um seine inzwischen schon gewachsene Firma weiter zu vergrößern. Im selben Jahr veröffentlichte er auch auf der Ostermesse 1789 seinen ersten Verkaufskatalog und brachte damit einen der ersten Verkaufskataloge, die überhaupt jemals veröffentlicht wurden, heraus. Obgleich man Kataloge von Schreinern mit beispielhaften Abbildungen möglicher Anfertigungen zu dieser Zeit in Frankreich und England kannte, war Friedrich Gottlob Hoffmann einer der ersten, der einen Katalog mit Abbildungen gefertigter und lieferbarer Möbel produzierte. In Deutschland war er mit Sicherheit sogar der erste mit einem solchen Verkaufskatalog.
Der in Leder gebundene Katalog mit goldener Prägung zeigte eine „Grundausstattung“ von Möbeln aus dem Angebot; zudem konnten die Kunden beispielsweise die Holzart und andere Materialien sämtlicher Knäufe und Griffe auswählen. Dieser Prozess spielte sich über den Postweg ab und ging so ziemlich langsam von Statten, vor allem wenn man bedenkt, dass Hoffmanns Kunden über ganz Europa verteilt waren. In Anbetracht von Hoffmanns Erfolg nahmen seine Kunden die langwierige Kaufabwicklung aber offensichtlich gerne in Kauf. Waren endlich alle Details bezüglich der Materialien und des Preises ausgehandelt, wurden die Stücke geliefert. Stücke aus dem Lagerbestand wurden gleich nach Abwicklung der Formalitäten verschickt und Aufträge innerhalb von drei bis sechs Monaten angefertigt und geliefert. Geliefert wurden die Möbel mit der Pferdekutsche und zwar – wie zu erwarten bei so großen und wertvollen Gegenständen – pünktlich zum vereinbarten Termin. Zudem wurden die Kunden über den genauen Verlauf ihrer Lieferung informiert. Wir nehmen mal an, dass es keine 28 Tage Rückgaberecht gab.
Der Erfolg von Hoffmanns Unternehmen führte zur Publikation eines zweiten Katalogs im Jahr 1795 und brachte Hoffmann regelmäßig Konflikte mit anderen Schreinermeistern aus Sachsen ein; nicht zuletzt wegen der Anzahl von Schreinergesellen, die er angestellt hatte: Im Jahr 1797 beschäftigte Hoffmann beispielsweise 42 Tischler – üblich waren zu dieser Zeit 5. So kann man Friedrich Gottlob Hoffmann eher als einen der ersten kommerziellen Möbelhersteller, denn als einen Tischler, der selbst Möbel anfertigte, bezeichnen.
Friedrich Gottlob Hoffman starb am 24. Januar 1806 in Leipzig und auch wenn seine Witwe die Firma bis zu ihrem Tod 1813 weiterführte, legte sich der Erfolg nach seinem Ableben. So verschwand schließlich eines der erfolgreichsten und innovativsten neoklassizistischen Möbelunternehmen.
Dabei wäre es auch geblieben, hätten nicht der Möbelrestaurator Peter Atzig und der Antiquitätenhändler Michael Sulzbacher mit Unterstützung des Grassi Museums über ein Jahrzehnt lang Forschungen betrieben, die jetzt in der Ausstellung „Vornehmste Tischlereiarbeiten aus Leipzig: F.G. Hoffmann – Hoftischler und Unternehmer“ präsentiert werden.
Mit ungefähr 80 Objekten, darunter Tische, Stühle, Schränke und Schreibtische, präsentiert die Ausstellung einerseits die Bandbreite an Möbelgenres, die Hoffmanns Katalog im Angebot hatte, so bekommt man auch einen Eindruck für den Geschmack dieser Zeit, andererseits macht die Ausstellung deutlich, wie Hoffmann seine Kenntnisse einsetzte, um die Möbel so zu entwerfen, dass sie sich – mehr oder weniger – für eine serielle Produktion eigneten. Die Möbel wurden alle handgefertigt, allerdings aber zu großen Teilen auf industrielle Weise, sodass man auf Konstruktionen angewiesen war, die die Herstellungsprozesse vereinfachten.
Was die Möbel und auch Hoffmann als Person so charmant macht, ist, dass viele der Stücke, die Hoffmann entwarf, multifunktional waren. Die oft oberflächlich schlichten Objekte verbergen häufig ein vielfältiges und technisch sehr anspruchsvolles Design in sich. Neben Sekretären und Tischen mit versteckten Schubladen und verborgenen Schränken umfasste Hoffmanns Portfolio beispielsweise verschiedene Badtische, bei denen eine ansonsten schlichte Anrichte aufgeklappt werden konnte, die Waschbecken, Spiegel, Stauraum, oder sogar Bidets offenbarte.
Da natürlich kein Museum und schon gar kein privater Besitzer möchte, dass unzählige Hände an seinen Hofmann Möbeln rumspielen, nutzt das Grassi Museum sehr anschauliche Videos, die die versteckten Funktionen erklären und so auch die eigentliche Seele der Stücke präsentiert. Eine kuratorische Entscheidung, die nicht nur eine schöne Erweiterung der Präsentation mitsichbringt, sondern auch klar macht, wie begrenzt dann doch auch ein gedruckter Katalog sein kann, und wie viel es bringt, wenn dieser Katalog interaktiv erweitert wird, z. B. durch eine Website.
Sieht man mal davon ab, dass seine Firma, sein Name und die Möbel beinahe verschwunden sind, bleibt Friedrich Gottlob Hoffmanns Einfluss bestehen. Vor allem durch das Konzept des Verkaufskatalogs. In den kommenden Generationen halfen Möbelkataloge nämlich Firmen wie Thonet oder Horgenglarus ihren weltweiten Ruhm zu festigen, während der Möbelkatalog in der Kaiserzeit die Verbindung zum Heim herstellte. Heutzutage mag das Internet den gedruckten Katalog zu einem Großteil verdrängt haben, dennoch gibt es ihn nach wie vor und wahrscheinlich wird er auch nie komplett aussterben.
Und auch wenn heute alles etwas schneller ablaufen mag, hat sich grundsätzlich daran, wie man bei Friedrich Gottlob Hoffmann Möbel aus der Ferne bestellte, nichts geändert. Eine Tatsache, die wirklich für Hoffmanns Weitsicht und für seinen geschäftlichen Scharfsinn spricht.
Im Grunde fehlte Hoffmann nur ein Blog, mit dem er Interessierten auf dem neuesten Stand der Möbelindustrie hätte halten können. Und mit dem er natürlich auch Ausstellungen empfehlen hätte können.
„Vornehmste Tischlereiarbeiten aus Leipzig: F.G. Hoffmann – Hoftischler und Unternehmer“ ist im Grassi Museum für Angewandte Kunst zu Leipzig, Johannisplatz 5-11, 04103 Leipzig bis Sonntag, den 12. April 2015, zu sehen.