Das viel diskutierte Experiment Bauhaus kommt mit der Eröffnung seines eigenen Instituts am 4. Dezember 1926 in Dessau zu einem ersten Abschluss. Über die möglichen Auswirkungen der Gruppe von Architekten, zu der auch Gropius gehört, auf unsere Baukultur wird die Geschichte entscheiden. Dieser neue Stil, ein Stil, der für den Großteil unserer Bevölkerung ungewohnt ist und den die Mehrheit nicht annehmen wird, lässt keinen Platz für traditionelle Architektur, aber sehr viel Raum für den künstlerischen Ausdruck junger Studenten.1
So begrüßte das deutsche Magazin Die Bauwelt die Eröffnung des Bauhauses Dessau am 4. Dezember 1926. Wie andere Medien über das Event berichteten, wie das Bauhaus grundsätzlich in den Medien präsentiert wurde und wie es sich selbst darstellte, erfährt man in der Ausstellung „Bewundert, verspottet, gehasst – Das Bauhaus Dessau im Medienecho der 1920er Jahre“, die derzeit im Klee/Kandinsky Meisterhaus in Dessau zu sehen ist.
Zwischen dem riesigen Thema „Bauhaus und die Medien“ und dem begrenzten Platz in den Dessauer Meisterhäusern besteht natürlich ein ziemlicher Kontrast – es muss also zwangsläufig eingeschränkt werden, was und auf welche Weise es präsentiert wird. Folglich haben sich die Organisatoren von „Bewundert, verspottet, gehasst“ auf zwei grundlegende Ereignisse beschränkt: die Eröffnung des Bauhauses Dessau 1926 und das Metallische Fest, Teil der Karnevalsfeier 1929. Darüber hinaus beleuchtet die Ausstellung vier weitere, eher allgemeine Aspekte: die Moderne in Cartoons und Karikaturen, die Berichterstattung zum Bauhaus im Radio und die Präsentation des Bauhauses Dessau in der – und durch die Werbung. Ein letzter Abschnitt, der sich der aktuellen Berichterstattung über das Bauhaus widmet, bietet einen schönen Vergleich zur Berichterstattung während der 1920er Jahre. Dieser Abschnitt konzentriert sich vor allem auf die Entscheidung, den Vertrag des Direktors der Stiftung Bauhaus Dessau, Phillip Oswalt, nicht zu verlängern.
Die Eröffnung des Bauhauses Dessau zog sich formal über drei Tage und begann mit einer Presseführung am 3. Dezember 1926 und wurde von der offiziellen Eröffnung am Samstag, den 4. Dezember, sowie einem Tag der offenen Tür am 5. Dezember gefolgt.
Neben über 1000 Gästen zog die Eröffnung über 100 Journalisten aus Deutschland und dem Ausland an. Das mag sich nicht gerade nach viel anhören, wir, die während des ganzen Jahres an Presseveranstaltungen teilnehmen, finden uns jedoch nur selten in Gesellschaft von 100 Kollegen. Für 1926 ist das demzufolge eine wahnsinnige Teilnehmerzahl. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Medienlandschaft damals sehr viel kleiner war als heute und dass das Bauhaus, so zumindest die heutige Annahme, während dieser Zeit gar nicht so populär und kulturell relevant war. – Offensichtlich war es das also doch.
Die Auswahl der in „Bewundert, verspottet, gehasst“ präsentierten Artikel ist nicht gerade ausufernd, was mit dem begrenzten Raum im Klee/Kandinsky Meisterhaus zusammenhängt. Allerdings bietet sie mehr als genug Material, um den Besuchern einen guten, allgemeinen Überblick darüber zu geben, wie die Zeitungen und Fachmagazine jener Zeit auf das Ereignis reagiert haben. – Grundsätzlich sehr positiv, wenn man es mal ganz knapp zusammenfassen will.
Besonders erfreulich ist das Farbfoto in der Edition „Velhagen und Klasings Monatshefte“ vom März 1927. Wie wir es schon in unserem Post zur Marianne Brandt Ausstellung in der Villa Esche in Chemnitz erwähnt haben, ist unser Eindruck der Moderne viel zu sehr von Schwarz-Weiß-Fotografien geprägt. Wir vergessen leicht, dass die Moderne voller Farben war. So ähnlich wie wir heute, wurden aber auch damals viele Menschen in Deutschland und Europa nur durch Zeitungen und Magazine – und damit monotonen Schwarz-Weiß-Fotografien – auf das Bauhaus aufmerksam. Dass den Lesern 1927 also auch Farbfotos vorlagen, ist eine neue und erfreuliche Information für uns.
Der zweite Fokus der Ausstellung liegt auf dem Metallischen Fest von 1929, das im Wesentlichen ein riesiger schriller Kostümball war. Harald Wetzel, der Vorsitzende des für die Ausstellung verantwortlichen Fördervereins Meisterhäuser Dessau, weist in diesem Zusammenhang auf einen Unterschied zwischen Weimar und Dessau hin. Er meint, im Gegensatz zu Weimar, wo vor allem die Bildung einer Gruppe, das Zusammenbringen von Tutoren und Studenten, im Mittelpunkt stand, habe Dessau eine viel größere soziale Bedeutung gehabt und wäre für führende Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft durchaus relevant gewesen. Diese Behauptung kratzt leider etwas am Mythos, das Bauhaus sei eine anarchische Gruppe von Außenseitern gewesen, die es mit dem Establishment und seinen überholten Traditionen aufnehmen wollte.
Im Mittelpunkt der Dokumentation des Metallischen Fests stehen sechs erst kürzlich wiederentdeckte Fotografien des Balls, die von einer Berliner Agentur aufgenommen wurden. Mal ganz abgesehen von den Fotografien selbst, zeigt allein schon die Tatsache, dass der Fotograf einer Agentur aus Berlin nach Dessau gereist ist, um eine Bauhausparty zu fotografieren, welche Bedeutung die Veranstaltung hatte.
Neben der Berichterstattung zum Metallischen Fest und der Eröffnung hält „Bewundert, verspottet, gehasst“ auch zahlreiche Momente bereit, die einen frischen, zumindest selten gezeigten Eindruck des Phänomens Bauhaus vermitteln. So waren wir ziemlich von der Werbung von und über das Bauhaus überrascht. Wer hätte gedacht, dass das Bauhaus in Zeitschriften um Studenten geworben hat… Aus diesen Werbeanzeigen erfährt man interessanter Weise auch von der Anstellung Hanns Riedels am Bauhaus Dessau als Tutor für BWL. BWL ist natürlich ein ziemliches Kontrastprogramm zum berühmten Bauhausmythos von „Kreativität und Freiheit über alles“. Spannend ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, wie Designschulen wohl heutzutage ihren Studenten die Wirtschaftslehre näherbringen. Wahrscheinlich machen es viele gar nicht, wenige nur in unzureichendem Maße und keine wird wohl damit werben!
Ein besonderes Highlight war für uns vor allem auch der Abschnitt zum Thema Satire und Karikatur, der uns mal wieder an das Buch „How to live in a flat“ erinnerte. Mit W. Heath Robinsons und K.R.G. Brownes großartigem Band wird ein grundlegender Zug der deutschen Karikatur von modernem Design und moderner Architektur aus den 1920er Jahren sehr deutlich. Im Mittelpunkt stand offenbar die augenscheinliche Exklusivität, die Anmaßung und vor allem die Arroganz der modernen Bewegung – die unfassbare Distanz zwischen den Sehnsüchten und der täglichen Realität der „normalen“ Bevölkerung und der Welt der Moderne.
Das führt natürlich zurück zu unserem Zitat vom Anfang, in dem die Moderne als ein Stil bezeichnet wird, der für einen Großteil der Bevölkerung ungewohnt war und den die Mehrheit nicht anzunehmen bereit war.
„Es ist eher eine kleine Ausstellung“, ließen uns die Organisatoren vor unserer Ankunft wissen. Im Gegenteil – es ist eine ziemlich beträchtliche Ausstellung. In den letzten Jahren sind wir für sehr viel kleinere und weniger informative Ausstellungen sehr viel weiter gereist. Wie gesagt, die Ausstellung ist in Sachen Umfang und Anzahl der Ausstellungsstücke begrenzt, allerdings kann man ein solches Thema auch nur vollständig durchleuchten oder sich eben auf das Wesentliche beschränken. Und die Dessauer Meisterhäuser haben beim besten Willen nicht die Kapazitäten, um es mit der vollständigen Thematik aufzunehmen.
Wem sich also die Gelegenheit bietet, „Bewundert, verspottet, gehasst“ vermittelt einen guten Eindruck von dem, was in einer größeren Ausstellung möglich wäre. Und ist einen Besuch definitiv wert.
„Bewundert, verspottet, gehasst – Das Bauhaus Dessau im Medienecho der 1920er Jahre“ ist im Meisterhaus Klee/Kandinsky, Ebertallee 69/71, 06846 Dessau-Rosslau bis zum Sonntag, den 18. Mai 2014 zu sehen.
Alle Informationen zur Ausstellung sind unter www.gropius-haus.de zu finden.
1.Die Bauwelt, 2. Dezember 1926
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