Um ganz ehrlich zu sein, haben wir Ferdinand Kramer und seiner Arbeit, auch wenn uns der Name ein Begriff war, lange Zeit keine große Beachtung geschenkt. Das änderte sich allerdings im Jahr 2012, als der Frankfurter Hersteller e15 in Mailand eine Serie von Kramer Re-Editionen vorstellte, für die wir heute sehr dankbar sind.
Der 1898 in Frankfurt geborene Ferdinand Kramer absolvierte einen Grundlagenkurs in Architektur in München, bevor er 1919 zum Bauhaus Weimar kam. Enttäuscht, weil eine formale Architekturausbildung nicht angeboten wurde, kehrte Kramer allerdings an die Technische Universität München zurück und graduierte dort im Jahr 1922. 1925 übernahm Kramer eine Stellung im Büro des Siedlungsdezernenten Enst May in Frankfurt an, die ihn mitten in das Stadtplanungsprogramm „Neues Frankfurt“ brachte – nach der Weißenhofsiedlung wohl eines der wichtigsten modernen Architekturprojekte, das in Deutschland (bzw. Europa) realisiert wurde.
Unter den Nazis wurde Ferdinand Kramer, ein anerkannter Modernist mit einem Arbeitsverbot als Architekt belegt und emigrierte deshalb 1938 in die USA, wo er in den folgenden anderthalb Jahrzehnten zahlreiche Architektur-, Produktdesign- und Interieurdesignprojekte entwickelte und realisierte. 1952 wurde Kramer für die Position des Universitätsbaumeisters der Wolfgang Goethe Universität seiner Geburtsstadt Frankfurt vorgeschlagen. Eine Position, bei der es vor allem darum ging, die im Krieg zum Teil zerstörte Universität wieder aufzubauen, und die Kramer sofort annahm und auch bis zum Beginn seiner Rente 1964 inne hatte. Ferdinand Kramer starb am 4. November 1985.
Neben Gebäuden entwarf Ferdinand Kramer auch Möbel, Einbauten und Armaturen – häufig, aber nicht ausnahmslos, für seine eigenen Gebäude. Dieser Aspekt der Arbeit Kramers bildet den grundlegenden Schwerpunkt der Ausstellung „Das Kramer Prinzip: Design für den variablen Gebrauch“, die derzeit im Museum Angewandte Kunst Frankfurt am Main zu sehen ist.
Die Ausstellung ist in drei Bereiche unterteilt, die sich den drei großen Abschnitten in Kramers Leben und seiner Kariere widmen: 1924-1938 in Frankfurt, 1928-1952 in Amerika und 1952-1985 zurück in Frankfurt. Gezeigt werden um die 115 Objekte, darunter Stühle, Tische, Holzöfen, Regenschirme und Beispiele von Kramers zahllosen Möbelsystemen.
Wenn wir mit diesem Post so ehrlich weitermachen wollen wie wir angefangen haben, müssen wir sagen, dass das Kramer Prinzip nicht gerade eine Ausstellung ist, nach deren Besuch man unbedingt das Gefühl hat, mehr über Ferdinand Kramer erfahren und gelernt zu haben.
Für uns wird die Ausstellung letztendlich ihrer Ankündigung, eine umfassende Retrospektive zu sein, einfach nicht gerecht. Dafür sind die Objekte zu leblos und viel zu unkritisch präsentiert.
Allerdings ist die Ausstellung eine exzellente Einführung zur Designarbeit Ferdinand Kramers. Viele Designkonzepte, an deren Entwicklung er beteiligt war, spielen immerhin auch heute noch eine dominante Rolle in der Industrie, so beispielsweise modulare Möbelsysteme und Vertriebssysteme für Ladengeschäfte.
Das Kramer Prinzip bietet außerdem einen guten Einblick in die idealen Vorstellungen des deutschen (Gesellschafts-)designs der 1920er Jahre, wie es durch Kramers Möbelentwürfe für das „Neue Frankfurt“ sehr gut repräsentiert wird. Hinzu kommen einige wirklich großartige, inspirierende und selten gesehene Designobjekte, darunter Kramers B 403 Bugholzstuhl für Thonet, ein undatierter Prototyp eines gepolsterten Freischwingers und der fantastisch simple „Drei in eins“, ein kombinierter, ausziehbarer Hocker/Beistelltisch von 1942.
So ist die Ausstellung also durchaus einen Besuch wert, auch wenn sie ihrem Ziel nicht ganz gerecht wird.
„Das Kramer Prinzip: Design für den variablen Gebrauch“ ist bis Sonntag, den 7. September 2014, im Museum Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, in 60594 Frankfurt am Main zu sehen.
Alle Details sind unter www.museumangewandtekunst.de zu finden.