April 2014. Das bedeuetet wie jedes Jahr im April: Die Mailand-Hölle steht an.
Angeblich soll das Fegefeuer ja unsere Seelen läutern und unsere Gedanken reinigen und so dafür sorgen, dass wir auf eine höhere Ebene gelangen. Bedenkt man aber, was für Höllenqualen wir schon in Mailand durchgemacht haben, müssen wir uns schwer versündigt haben. Sollten wir dieses Jahr wieder aus der Hölle von Mailand zurückkehren, hier sind die neuen Designausstellungen im April, die wir uns zur Erholung ansehen wollen.
„Sitzen – Liegen – Schaukeln. Möbel von Thonet“ im Grassi Museum für Angewandte Kunst, Leipzig
Wie wir es schon so oft bemerkt haben, bringen der Katalog und das Archiv des deutschen Möbelherstellers Thonet selbst die Herzen der abgebrühtesten Designkritiker zum schmelzen. Das mag wohl auch daran liegen, dass Thonet gleich zwei Revolutionen im Möbeldesign mit anstieß: die serielle Produktion von Möbeln durch industriell gebogenes Holz im späten 19. Jahrhundert und die Verwendung von gebogenem Stahlrohr Anfang des 20. Jahrhunderts.
Das Grassi Museum für Angewandte Kunst zu Leipzig hat sich allerdings entschieden, diese einschneidenden Ereignisse, und so die ersten 130 Jahre der Firmengeschichte, mehr oder weniger zu ignorieren. Stattdessen legt die Ausstellung den Schwerpunkt auf Möbel, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs am Firmenstandort in Frankenberg (Eder) produziert wurden.
Eine Entscheidung, die so mutig wie lobenswert ist.
Mit ungefähr 130 Ausstellungstücken präsentiert die Ausstellung neben bekannten Arbeiten wohl auch weniger bekannte und gänzlich unbekannte von Designern wie Stefan Diez, Konstantin Grcic, Sir Norman Foster, Verner Panton und Alfredo Häberli. Als erste größere Präsentation der aktuellen Thonet Möbel bietet „Sitzen – Liegen – Schaukeln“ nicht nur die Möglichkeit, die moderneren Arbeiten im Zusammenhang mit der Tradition und der Geschichte des Unternehmens zu erleben, sondern zeigt wahrscheinlich auch, welche Rolle Thonet nach wie vor in der Entwicklung des Möbeldesigns spielt.
Wir vermuten mal, dass auch deutlich wird, wie und warum Thonet im Zuge der kulturellen und ästhetischen Neuorientierung während der 1980er Jahre etwas auf die schiefe Bahn geriet, bevor das Unternehmen dann in den vergangenen zehn Jahren wieder an Bodenhaftung gewann.
„Sitzen – Liegen – Schaukeln. Möbel von Thonet“ wird am 17. April im Grassi Museum für Angewandte Kunst, Johannisplatz 5-11, 04103 Leipzig eröffnet und läuft bis zum Sonntag, den 14. September.
„Otl Aicher – Ordnungssinn und Dolce Vita. Fotografien der 1950er Jahre“ im HfG-Archiv Ulm
Auch wenn Otl Aicher als Grafikdesigner und vor allem durch seine Arbeit für Braun, Lufthansa und die Olympischen Spiele 1972 bekannt ist, war er auch ein klassisch ausgebildeter Bildhauer und dabei in verschiedenen künstlerischen Bereichen aktiv – darunter auch die Fotografie.
Die erste Ausstellung seit langer Zeit mit Fotografien Aichers ist „Ordnungssinn und Dolce Vita“- eigentlich zwei Ausstellungen in einer. Dem Ordnungssinn widmet sich eine Präsentation von fünfzig original Abzügen aus einer kürzlich wiederentdeckten Sammlung von Aichers Fotografien aus den 1950er Jahren. Größtenteils zeigen diese Arbeiten Landschaften und „Strukturen“. Die Ausstellungsmacher versprechen, dass die ausgestellten Arbeiten einerseits Aufschluss darüber geben, wie Aicher seine Umgebung wahrnahm und verstand, und dass sie andererseits den Geist der 1950er Jahren dokumentieren.
Neben diesen wiederentdeckten Arbeiten zeigt die Ausstellung außerdem Aichers Fotografien, die 1959 bereits im Ulmer Museum zu sehen waren und die, sofern wir die Ausstellungsinfo richtig verstanden haben, überwiegend aus Fotografien einer Italienreise Aichers bestehen, die das Dolce Vita der 1950er Jahre zum Thema haben – worauf ja nach wie vor zu einem großen Teil die deutschen Vorstellungen von Italien basieren.
Ein besonderes Highlight verspricht die Abbildung eines NICHT schiefen Turms von Pisa zu sein – ein Bild, das den Ordnungssinn mit dem Dolce Vita vereint.
„Otl Aicher – Ordnungssinn und Dolce Vita. Fotografien der 1950er Jahre“ öffnet im HfG Studio, HfG-Archiv, Am Hochsträß 8, in 89081 Ulm am 11. April und läuft bis zum Sonntag, den 12. Oktober.
„Okolo Offline“ im Depot Basel, Basel, Schweiz
Nach einer gefühlten Ewigkeit ist das bekannte Lieblings-Designkollektiv aus Basel endlich mit einer neuen Ausstellung zurück. Einer Ausstellung, die wiederum ganz dem in Prag ansässigen Designkollektiv Okolo gewidmet ist.
Das im Jahr 2009 von Jakub Štěch, Matěj Činčera, Adam Štěch und Jan Kloss gegründete Kollektiv Okolo hat die letzten fünf Jahre damit verbracht zu designen, Ausstellungen zu kuratieren und zu veröffentlichen – online und offline.
Okolo Offline hat sich vorgenommen 25 Okolo-Blog-Posts aus den letzten 5 Jahren eine physische, taktile Form zu geben und den Besuchern hoffentlich so die Gruppe, ihren Ansatz und ihre zeitgenössischen, kreativen Ideen näher zu bringen. Das Kollektiv und seine Arbeit soll einem breiteren Publikum vorgestellt werden.
In Ergänzung zur Ausstellung zeigt „Okolo Offline“ auch die Premiere von „Minute“, einer Serie von Kurzfilmen zur Designgeschichte, die von Okolo produziert wurde.
„Okolo Offline“ wird im Depot Basel, Voltastrasse 43, 4056 Basel am Freitag, den 28. März, eröffnet und ist dort bis Sonntag, den 27. April, zu sehen.
„Ola Kolehmainen – Geometric Light“ im Haus am Waldsee, Berlin
„Ich nutze die Architektur als Ausgangspunkt und Inspiration, nicht als endgültiges Resultat. Meine Arbeit ist vielmehr eine Untersuchung von Raum, Licht und Farbe, die unsere Art und Weise der Betrachtung reflektiert und befragt.“
So erklärt der finnische Fotograf Ola Kolehmainen seinen Arbeitsansatz. Einen Ansatz, der von einem strukturierten und methodischen Arbeitsprozess zu abstrakten und dekonstruierten Resultaten führt.
Bis 17. Mai zeigt die Berliner Galerie Haus am Waldsee Ola Kolehmainens neustes Projekt „Geometric Light“. Eine Serie von Fotografien, in denen Kolehmaines noch deutlicher als zuvor von den Gebäuden abrückt und sich konsequent auf Licht und Schatten innerhalb und im Umkreis der Gebäude konzentriert.
Initiiert und beeinflusst von einer Spanienreise im Jahr 2013 umfasst Geometric Light Arbeiten aus ebendieser Spanienreise und Fotos, die beispielsweise in der Hagia Sophia entstanden sind.
„Ola Kolehmainen – Geometric Light“ ist von Samstag, den 5. April, bis Samstag, den 17. Mai, im Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 14163 Berlin zu sehen.
„Wegner – Just one good chair“ im Designmuseum Dänemark, Kopenhagen, Dänemark
Hans J. Wegner gehört zu den wichtigsten Vertretern des modernen dänischen Designs. Wir sind uns da so sicher, weil genau das ausnahmslos in jeder Angabe zu Wegners Biografie die erste Information ist!
Bislang besteht allerdings ein echter Mangel an zuverlässigen und aufschlussreichen Informationen über Wegner. Er bleibt ein Designer, über den es sehr viel weniger Bücher und Ausstellungen gibt als über die meisten seiner Zeitgenossen.
Und so präsentiert das Designmuseum Dänemark in Kopenhagen pünktlich zum 100. Geburtstag die größte und tiefgründigste Ausstellung, die Hans J. Wegner und seinem Werk jemals gewidmet wurden.
Mit ungefähr 150 Ausstellungsstücken, darunter originale Möbel, Zeichnungen, Modelle und Fotografien, verspricht „Just one good chair“ nicht nur eine gute Analyse von Wegners Leben und Werk, sondern erklärt auch, indem Wegners Beitrag zur dänischen Designtradition untersucht wird, wie sich die dänische Moderne und die Organische Moderne grundsätzlich entwickelt haben. Und wie all das zu dem beständigen Mythos, das dänische Design sei ein gänzlich eigenständiger Stil, geführt haben kann.
In Ergänzung zu den Objekten Wegners wurde angekündigt, die Ausstellung werde der Arbeit Wegners Arbeiten einiger seiner Zeitgenossen gegenüberstellen. Darunter Charles und Ray Eames, Finn Juhl oder Arne Jacobsen und zeitgenössische Designer wie Jasper Morrison oder Konstantin Gricic.
„Wegner – Just one good chair“ ist ab 3. April im Designmuseum Dänemark, Bredgade 68, 1260 Kopenhagen zu sehen und kann dort bis Sonntag, den 2. November, besucht werden.