Auf der jüngsten Designtage Brandenburg Designkonferenz hielt der Chefkurator des Vitra Design Museums, Mateo Kries, die Eröffnungsrede. Unter dem Titel „Open Design! Warum wir Design neu erfinden müssen“ griff Mateo Kries die Gedanken aus seinem Buch „Total Design“ von 2010 auf und versuchte zu erklären, wohin sich Design bewegt und welche Themen in Zukunft wichtig sein werden. Im Grunde ging es also um eine Verortung des Designbegriffs im aktuellen Kontext – oder die Frage, „Wie definiert man Design, wenn alles designt ist?“.
Nach der Rede trafen wir Mateo Kries, um einige Punkte etwas detaillierter zu besprechen…
(smow) Blog: Schaut man zurück, hat man den Eindruck, „Design“ wäre immer ein ziemlich klar definierter Begriff gewesen. An welcher Stelle ging da etwas schief – ist überhaupt etwas schief gegangen? Oder weshalb haben wir derzeit eine so unklare Vorstellung und Definition von Design?
Mateo Kries: Ich denke, man muss sich das in einer Pendelbewegung vorstellen. In manchen Epochen öffnet sich die Definition sehr weit – man versteht also mehr darunter -, dann kommt es zu einem Bruch, einer Zäsur, und es geht genau in die andere Richtung. Die aktuelle Finanzkrise hat meiner Meinung nach eine Menge verändert. Vor 2009 fand man häufig Projekte auf Designmessen, die ziemlich over the top waren – der Begriff „Designkunst“ wurde sehr populär. Nach 2009 verschwanden solche Projekte ziemlich schnell und Themen wie DIY oder digitale Technologien wurden relevanter. Insofern denke ich nicht, dass die derzeitige Situation das Resultat einer unerwünschten oder anormalen Entwicklung ist, sondern im Kontext einer normalen Beziehung zwischen sozialen und kreativen Entwicklungen steht, wo eines das andere beeinflusst.
(smow) Blog: Mittlerweile nennt sich so vieles Design, was keins ist. Kann man sagen, dass die Definition des Designbegriffs heute viel zu stark vom kommerziellen Markt kontrolliert wird?
Mateo Kries: Die öffentliche Vorstellung von Design wird zurzeit etwas zu stark von kommerziellen Interessen bestimmt, seien das Marketingabteilungen oder Diskussionen über „kreative Orte“. Mein Wunsch wäre, dass Design, wie Kunst und Architektur auch, als kultureller Faktor diskutiert und verstanden wird und nicht nur als ein kommerzieller, ökonomischer Faktor. Dafür benötigt das Design eine größere Lobby, seien dass beispielsweise Zeitungsfeuilletons, Universitäten oder Museen. Wichtig ist dabei, dass diese Institutionen eine genauso starke öffentliche Stimme haben wie die anderen. Nur so kann eine sachkundige Diskussion entstehen, die deutlicher zwischen kulturellen und kommerziellen Aspekten des Designs unterscheiden kann.
(smow) Blog: Kann man in diesem Kontext auch ein Stück weit den Designern die Schuld geben, die zu häufig oder zu schnell erlauben, dass diese Grenze verwischt wird?
Mateo Kries: Ich würde hier nicht gerade von Schuld sprechen und generell denke ich, hat das mehr mit Engpässen in der Designausbildung zu tun. Viele Designfächer sind zu sehr darauf fokussiert, Designer als Anbieter einer Dienstleistung auszubilden, was natürlich auch wichtig ist und wozu Designer auch in der Lage sein sollten. Allerdings werden Designtheorie und -geschichte nur wenig unterrichtet. Man bildet in Universitäten Architektur- und Kunsthistoriker aus, aber wie viele deutsche Universitäten haben beispielsweise einen Professor für Designgeschichte? Ich denke, ganz allgemein müsste die Ausbildung interdisziplinärer werden – beispielsweise unter Einbeziehung von mehr Naturwissenschaft, Technikwissenschaft und Designtheorie. Für mich wäre das eine willkommene Entwicklung.
(smow) Blog: Zum Schluss: Heute haben Sie viel über die Zukunft des Designs geredet – über die zukünftige Rolle beispielsweise der Biotechnologie, der Lichttechnologie oder der Einflüsse geografischer Veränderungen auf das Design. Müssen Designer die Art und Weise ändern, mit der sie ihre Aufgaben angehen?
Mateo Kries: Natürlich werden die Kooperationen mit Herstellern von Konsumgütern, Werbung und dergleichen ein wichtiger Bestandteil des Berufs bleiben. Ich denke allerdings, dass man vermehrt Designer brauchen wird, die wirklich an der Schnittstelle zu absolut innovativen Bereichen arbeiten, sei das Biotechnologie, Materialtechnologie, digitale Technologie oder ähliches. Man wird von Designern zunehmend erwarten, Innovationen in reale Objekte, Projekte oder Dienstleistungen usw. zu übertragen. Das geschieht zwar auch aktuell, wird aber zusehends wichtiger. Vor allem da man auf solche Technologien immer leichter zugreifen können wird.
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