Wie jeder weiß, hat sich das zeitgenössische Produktdesign aus dem Handwerk entwickelt. Die Geburt war wohl nicht die leichteste und der Konflikt zwischen den formverliebten Traditionalisten, die an ein zukünftiges, auf industrieller Produktion basierendes Handwerk glaubten, und den maschinenfixierten Modernisten, mit ihrem Fokus auf Funktionalität, dominierte die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Modernisten mit der Durchsetzung ihrer Position weitestgehend triumphiert. So äußerte Wilhelm Wagenfeld in seiner Rezension zur Ausstellung „Design for Use“ von 1951, nicht gänzlich missbilligend, wie man anmerken muss: „Hier ist nichts formal, nichts ist Handarbeit … vielmehr entspringt jede Biegung und jede Form dem einfachen und intendierten Nutzen”1.
Die Form folgte der Funktion.
Handwerk folgte schließlich Design.
Dabei blieb es bis zu einem nicht genau zu definierenden Zeitpunkt, an dem die Form aufhörte der Funktion zu folgen und ihre eigene Identität wieder zu behaupten begann.
Je weiter wir uns vom Bauhaus weg bewegen, desto mehr wird die Formgebung integraler Bestandteil der Entwicklung von Konsumprodukten und das Handwerk beginnt sich wieder auf verlorenem Posten zu bewegen.
Frank Lloyd sagte einmal: „Form folgt Funktion“ wurde missverstanden. Form und Funktion sollten eins sein, verbunden in einer geistigen Vereinigung“, während Antonio Citterio in unserem Interview auf die Frage, ob die Entwicklung funktionaler Büromöbel rein technische Fragen aufwerfe, antwortete: „Das technische Element ist ein wichtiger Teil des Jobs, aber auch die Ästhetik bleibt ein elementarer Aspekt. Es ist nicht genug eine Sache nur aus der technischen Richtung zu entwickeln…“
Dieter Rams und Sir Jonathan Ive sind vielleicht zwei der besten Beispiele für Designer, die das verstanden haben. Ihre Objekte werden auf der ganzen Welt verehrt, dennoch wären sie ohne ihre Funktionalität nur hübsche Kisten – ohne ihre Form würde sie wiederum niemand kaufen.
Wenn also Handwerk und Design, Form und Funktion so friedlich zusammen finden können, wenn ein Handwerksgegenstand funktional und die Form eines Designs durchdacht sein kann, an welche Stelle wird dann das Handwerk zum Design oder das Design zum Handwerk? Was wenn nicht alles Handwerk und Design voneinander trennt?
Die Frage nach der Lösung eines Problems steht für uns im Mittelpunkt. Das Handwerk stellt Objekte her und das Design löst Probleme – nimmt eine Herausforderung an und versucht eine Lösung zu finden.
Nur wie kommt man zu dieser Offenbarung?
Bei der Feier eines sechzigsten Geburtstages wurde uns neulich eines der weltweit schönsten Beispiele einer Verbindung von Handwerk und Design vorgestellt – ein handgemachter, hölzerner Flaschenöffner.
Der Körper des Flaschenöffners besteht aus reiner Handarbeit. Jedes Detail wurde sorgsam erwogen und noch sorgfältiger geformt. Der Flaschenöffner liegt also perfekt in der Hand.
Der Öffner für den Kronkorken wurde erwogen bis hin zur Perfektion. Aber was gibt diesem perfekt gearbeitetem Objekt seine Funktion? Es ist eine Schraube. Eine einzige Schraube, ohne die die elegante Handarbeit des Flaschenöffners keinerlei Vorteil hätte.
Der Erfinder dieses Flaschenöffners sah sich offenbar mit dem Problem konfrontiert ein perfekt geformtes, aber relativ nutzloses hölzernes Objekt in einen Flaschenöffner verwandeln zu müssen. Er fand eine einfache und elegante Lösung und somit ein Objekt, das so funktional wie auch ästhetisch ist.
An dieser Stelle wurde aus dem Handwerk Design.
Wir reisen durch die Welt und besuchen in wirklich dekadenter Regelmäßigkeit Veranstaltungen, Festivals und Messen. In all den Jahren haben wir nichts gesehen, das uns auf so wunderbare Weise die Debatte um Handwerk und Design erhellt hat, wie dieser handgemachte Flaschenöffner – zufällig gefunden auf der Party eines sechzigsten Geburtstags in der Wildnis des ländlichen Brandenburgs.
Vielleicht sollten wir häufiger zu Hause bleiben…