Aus unserem Interview mit den Stuttgarter Designern Markus Jehs und Jürgen Laub ist eines der interessantesten Zitate folgende Behauptung der beiden: „Aber in Stuttgart reden die Leute nicht so sehr über ihren Erfolg. Eine unglaubliche Menge Kreativität stammt aus Stuttgart, aber das weiß man nicht unbedingt, weil niemand darüber spricht.“
Dieses Zitat hat uns seitdem nicht mehr losgelassen…
Eine Organisation, die durchaus über Kreativität in Stuttgart redet, und das, um genau zu sein, zwanzig Mal im Jahr, ist der Verein zur Förderung von Architektur, Engineering und Design in Stuttgart – kurz aed Stuttgart.
Der 2004 gegründete Verein aed Stuttgart ist eine Plattform für und von der kreativen Community Stuttgarts, der neben der Organisation von Gesprächen, Besuchen und Ausstellungen auch den Neuland Nachwuchswettbewerb für Gestalter auslobt, der in diesem Jahr zum vierten Mal stattfindet. Die Jury hat sich bereits für die Gewinner entschieden, allerdings sollen die Namen nicht vor Oktober bekannt gegeben werden.
Um mehr über aed Stuttgart und über Stuttgarts Kreativität im Allgemeinen herauszufinden, vor allem aber um zu erfahren, warum sie über Stuttgarts Kreativität reden, haben wir uns mit zwei der Gründungsmitglieder von aed Stuttgart, Silvia Olp und Frank Heinlein, getroffen und zunächst einmal nach den Hintergründen des Vereins gefragt.
Frank Heinlein: Ich arbeite für Werner Sobek in Stuttgart. Der war 2004 Gegenstand einer Ausstellung in der AEDES Galerie in Berlin und wie es so Praxis ist, wurden Kunden, Partner und Anbieter gefragt, ob sie interessiert wären die Ausstellung zu sponsern. Einer von denen war Alexander Hafner, der meinte, dass er, auch wenn er sehr froh darüber sei die Ausstellung zu unterstützen, nicht so ganz verstehe, weshalb eine Stuttgarter Firma eine andere Stuttgarter Firma bei einer Ausstellung unterstützen sollte, die in Berlin stattfindet. Wäre es nicht möglich und sogar wünschenswert, so eine Veranstaltung in Stuttgart zu organisieren? Und wir dachten, er liegt nicht falsch damit!
Infolgedessen haben wir begonnen unsere Möglichkeiten zu erwägen und einen Verein gegründet. Das ist in Deutschland fast immer der erste Schritt, wenn man etwas entwickeln möchte. Unser Verein hatte das Ziel, wie es auch in unserer Satzung steht, die öffentliche Wahrnehmung von Architektur, Engineering und Design sowie die Diskussion über diese Themen zu unterstützen und anzuregen.
Unsere erste Veranstaltung fand am 15. Dezember 2004 in dem damals noch nicht eröffneten Stuttgarter Kunstmuseum unter dem Quasimotto „Wir machen etwas. Wer hat Lust mitzumachen?“ statt. Davor dachten wir, wenn nur dreißig Leute aufkreuzen, wären wir schon glücklich – am Ende tauchten sogar 300 Leute auf.
Dann folgte unsere erste „richtige“ Ausstellung, bei der es um dem Bau der Stuttgarter Landesmesse ging. Die Veranstaltung fand im April 2005 statt und kam sehr gut an. Wir haben also weiter gemacht und als nächstes den ersten Neuland Design Wettbewerb organisiert. Danach ging es dann richtig los. Inzwischen haben wir 350 Mitglieder und organisieren zwanzig Veranstaltungen im Jahr.
(smow)blog: Zwanzig Veranstaltungen im Jahr hört sich nach einer ganzen Menge an. Gibt es denn ernsthaft genug Themen hier in Stuttgart oder…?
Frank Heinlein: Wir haben nie ein Thema wiederholt und um ehrlich zu sein, könnten wir sehr viel mehr Veranstaltungen organisieren, als momentan stattfinden. Mit den zwanzig Events sind wir aber sehr strikt, weil die Dinge andernfalls ziemlich schnell außer Kontrolle geraten könnten. Man muss ja bedenken, dass der Verein von Freiwilligen geleitet wird und deshalb müssen wir uns selbst etwas bremsen.
(smow)blog: Das wirft natürlich die Frage auf, warum ihr das überhaupt macht. Worin liegt eure Motivation oder was ist euer Ziel mit aed Stuttgart?
Silvia Olp: Zuerst ist für uns eine offene Struktur wichtig, in der jeder, der sich für unsere Themen interessiert, willkommen ist – seien das aktive oder pensionierte Fachleute, Studenten oder Personen aus völlig anderen Bereichen, die einfach ein Interesse an, sagen wir mal, Architektur oder Design haben und die mehr lernen und erfahren möchten.
Als Gemeinschaft wollen wir Stuttgarts kreative Szene miteinander verbinden. Wir wollen die Aufmerksamkeit auf die Talente aus der Region lenken und aktuelle, interessante Themen zeigen und zur Diskussion stellen. Als Netzwerk, das alle Facetten der kreativen Industrie abdeckt, können und wollen wir natürlich den Kontakt zwischen den Branchen erleichtern, die Türen öffnen und die Leute ermutigen ihren Horizont zu erweitern. Beispielsweise können wir Architekten und Grafikdesigner zusammenbringen, oder Filmleute mit Leuten aus der Modebranche, oder Anwälte mit Landschaftsarchitekten… Wichtig ist, dass wir dabei kein kommerzielles Interesse verfolgen, sondern wirklich nur als Plattform fungieren.
(smow)blog: Stuttgart verfügt über ein immenses Volumen an kreativem Talent, da drängt sich die Frage auf, woran das eigentlich liegt?
Silvia Olp: Das hat wahrscheinlich zum Teil historische Gründe. Stuttgart hat eine lange Tradition in Bereichen, wie Bauingenieurwesen und Architektur, während es durch das industrielle Erbe eine große Designtradition im Hinblick auf das Ingenieurwesen sowie die Entwicklung und das Registrieren von Patenten in der Region gibt. Diese Faktoren haben zu einer extremen Konzentration von kreativer Kompetenz im Raum Stuttgart geführt. Das zieht natürlich nicht nur andere kreative Talente an, sondern auch Kunden, die etwas Besonderes suchen.
Man kann sagen, dass Kreativität und Design in Stuttgart schon immer zu Hause waren.
Frank Heinlein: Man muss auch hinzufügen, dass es in Stuttgart im Vergleich zu anderen Regionen nicht nur ein hohes, kreatives Potential gibt, sondern dass die Dinge hier auch wirklich entstehen. Es wird nicht nur darüber gesprochen, was man machen will und könnte, die Dinge werden wirklich gemacht!
(smow)blog: Es muss doch aber auch Nachteile an Stuttgart geben…
Frank Heinlein: Wir haben sicherlich nicht die Independentszene, mit der sich eine Stadt wie Berlin rühmen kann – mit all den verwilderten Höfen und alten Industriegebäuden, die Raum zum Arbeiten und Experimentieren bieten. In Stuttgart gibt es nur einige wenige dieser Plätze und das ist sicherlich ein schwacher Punkt. Das zwingt allerdings die Leute schneller Geld zu verdienen und das führt dann möglicherweise zu dieser sehr positiven „mehr arbeiten als reden“-Mentalität in der Stadt.
(smow)blog: Um zum Ende zu kommen. Wie schon erwähnt, war eines der ersten Projekte von aed Stuttgart der Neuland Nachwuchswettbewerb für Gestalter. Der lief über zwei Jahre und dann war Schluss. Wie kam es zu der Pause?
Silvia Olp: Der einfache Grund ist, dass uns nach 2006 nicht nur ein Sponsor für den Wettbewerb fehlte, sondern es uns auch einfach an Zeit mangelte. Der Verein wird wie gesagt auf freiwilliger Basis geführt – in unserer Freizeit – und so hatten wir einfach zu viel mit unseren „echten“ Jobs zu tun. So haben wir den Wettbewerb auf Eis gelegt. Dann ist die Karl Schlecht Stiftung an uns herangetreten, der Zeitpunkt schien richtig und so haben wir Neuland wieder ins Leben gerufen. Diesmal allerdings als ein zweijähriges Event.
(smow)blog: Die Jury-Sitzung hat stattgefunden, die Gewinner sind ernannt, wenn nicht sogar schon gekürt. Seid ihr zufrieden mit eurer Wiedereinführung?
Frank Heinlein: Ja, sehr! Wir hatten über 200 Eingänge, inklusive einiger hoch qualifizierter Projekte. Die Jury hat die Eingänge in die eine oder die andere Kategorie eingeteilt. Sie hätte aber auch mehr auswählen können, als die fünf, die pro Kategorie zugelassen waren. Im Oktober findet dann nicht nur die Preisverleihung statt, sondern es wird auch eine Ausstellung mit den nominierten Projekten eröffnet. Anfänglich hier in Stuttgart, aber danach geht die Ausstellung auf eine Tour durch Deutschland, sodass sich jeder sein eigenes Bild davon machen kann.
Alle Details zu aed Stuttgart und dem aktuellen Programm gibt es unter http://aed-stuttgart.de/
Und um der Transparenz willen: (smow) Stuttgart ist eines von 350 Mitgliedern von aed Stuttgart.
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