Der erstaunlichste Aspekt der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe ist womöglich ihre Lage: die Hochschule ist umzingelt vom Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie, mit seinen Forschungsinstituten, von den Museen und Galerien und vom Karlsruher Jobcenter. Ziemlich einmalig verbildlicht diese Lage die prekäre Position heutiger, professioneller Designer.
Mit dem Ziel eine Kunst- und Designhochschule für unser modernes Zeitalter zu etablieren, wurde die HfG Karlsruhe 1992 gegründet. So gibt es beispielsweise keine Klassen für Malerei oder Bildhauerei, allerdings wird begleitend zu Kursen wie Kommunikations- oder Produktdesign auch Medienkunst und 3D-Modellierung bzw. -Animation angeboten. Eine besondere Eigenschaft der HfG Karlsruhe und ihrer Philosophie ist die sehr offene Natur ihres Unterrichtsprogramms. Der Rektor, Peter Sloterdijk, würde es wohl so ausdrücken: „Die Basis des Lernens und Unterrichtens an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe ist pluralistische Aufgeschlossenheit.“ – und tatsächlich geraten im Gespräch ausnahmslos alle Studenten ins Schwärmen über die interdisziplinäre und praktische Art der Lehre und die Vermischung der Jahrgänge in projektbezogenen Klassen. Diese Struktur hat die Ausstellung Sommerloch 2013 mit Arbeiten zahlreicher Klassen aus unterschiedlichen Jahrgängen, die untereinander vermischt ausgestellt wurden, auch wirklich unter Beweis gestellt.
Unter den spannenderen Arbeiten der Ausstellung waren die aus Volker Albus Kurs „Move your Shelf“ und die Beiträge der Klasse „K.O.Furniture“ von Prof. Stefan Diez. Das lag nicht nur an den Arbeiten, sondern hatte auch viel damit zu tun, wie hier das Geraune selbsternannter Trendforscher über modernes, städtisches Nomadentum als absurd entlarvt wurde. Mobilität war schon immer ein wesentlicher und spezifischer Teil des urbanen Lebens und wird es auch in Zukunft bleiben. Es mag sein, dass demografische Veränderungen in Verbindung mit neuen Technologien die Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken, es kann aber nicht die Rede davon sein, dass es sich hier um ein neues Thema handelt oder man von einer Ausweitung der Mobilität sprechen kann. Es lässt sich nur feststellen, dass dieses Thema in den Blickpunkt der Lifestyle-Scharlatane geraten ist. Keine der Arbeiten von „K.O.Furniture“ und „Move your Shelf“ fügte sich in das populäre Gerede über das urbane Nomadentum. Dagegen hatten viele Arbeiten die Funktion die urbane Mobilität zu erleichtern oder das tatsächliche Nomadentum zu unterstützen und sich in diesem Sinne auch dem stumpfsinnigen Gerede entgegen zu stellen.
Wir werden schon erwähnt haben, dass wir kürzlich mit der Wohnung und dem Büro umgezogen sind und sich dieser Umzug als ein Alptraum entpuppte. Objekte wie „Case 66/33“ von Franziska Rau und Josef Gawlik oder „XXX“ von XX XXXX (Leider war die Person nicht mit der Nennung des Namens hier einverstanden, das Projekt war aber genial…) aus der „Move your Shelf“-Klasse zeigen, dass es möglich ist, Möbel zu entwerfen, die im Falle eines Umzugs mit ihrem Inhalt an Ort und Stelle transportiert werden können. Das lässt uns hoffen, die Schmerzen eines solchen Umzugs könnten gelindert werden. Es kommt zwar keine der beiden Arbeiten einem fertigen Produkt nahe, allerdings besitzen beide interessante Elemente, die es unserer Meinung nach Wert wären, weiterentwickelt zu werden.
In ähnlicher Weise verhält es sich mit dem originell betitelten Objekt „Arbeitstitel“ von Marlene Deken und der Arbeit von Anne-Sophie Oberkrome, die origineller Weise gar keinen Titel hat – beide aus der „K.O. Furniture“-Klasse. Beiden Arbeiten steht eine ganze Menge Entwicklungsarbeit bevor und es mag sein, dass sie letztendlich nicht funktionieren werden, aber der Designansatz der beiden Studentinnen offenbart interessante Lösungen für eine schnelle und werkzeugfreie Regalkonstruktion.
Im vergangenen Januar haben wir es verpasst, oder nicht die Zeit gefunden, die Ausstellung „kkaarrlls für Echtwald“ zu besuchen, die während der Cologne Design Week zu sehen war. Mit Sommerloch 2013 haben wir nun die Möglichkeit das wiedergutzumachen. Der Echtwald Fonds hat sich das Ziel gesetzt, Wälder zu renaturieren, das heißt Wirtschaftswälder wieder in natürliche Wälder zu verwandeln. Um dieses Vorhaben zu unterstützen, hat Echtwald ein kommerzielles Projekt ins Leben gerufen, das lokal produzierte Produkte zum Kauf anbietet.
In Köln wurde dann die erste Serie solcher Produkte vorgestellt, die in Zusammenarbeit mit kkaarrllss, unserer Lieblings-Plattform von Absolventen und Studenten der HfG Karlsruhe, entstanden ist. Das offensichtliche Aushängeschild des Projekts, Tom Pawlofskys Roboterkettensäge, ziert das Poster der Serie. Eigentlich geht es dabei um den Stuhl 7/stool, den Tom direkt aus einem Baumstumpf sägt – mit Hilfe einer Kettensäge, die an einem Roboterarm angebracht ist. Der Roboterarm neigt allerdings dazu dem Stuhl die Show zu stehlen. So geht es bei diesem Projekt am Ende weniger um den Stuhl, sondern eher um den Herstellungsprozess, für den Tom Panowsky eine Software entwickelt hat, und die Möglichkeiten der computergesteuerten Robotertechnologie traditionelles Handwerk zu produzieren.
In einer ähnlichen Manier lässt sich auch Juan Francisco Pedraza Kranz Projekt 3D Woodwind lesen. Für sein Diplom hat sich Juan darangemacht die Möglichkeiten des 3D-Drucks, des Open Designs und deren Vorteile zu studieren. Am Ende hat er gewissermaßen physische Stellvertreter für seine Forschungen entwickelt: 3D gedruckte Dudelsäcke. Sollte alles nach Plan laufen, wird Juan in Kürze seine Daten und Pläne online veröffentlichen. Unsere Hoffnung wäre, dass sich um diese Daten eine Community aufbaut, die am Ende als 3D Druck-Dudelsack-Orchester auftritt. Wir halten euch auf dem Laufenden!
Weitere relevante Erwähnungen verdienen „Kitchen Shelf“ von Pia Matthes – entstanden als Teil von Stepahn Diezs „Masala Kitchen“ Klasse – , das Projekt „Bagshelf“ von Grischa Erbe und die wirklich außergewöhnliche Lampenserie von Lisa Ertel. Diese entstand innerhalb eines Kurses, der nach neuen Produkten für eine Echtwald-Kooperation sucht.
Die HfG Karlsruhe hat es nicht einfach. Sie ist im Gegensatz zu anderen deutschen Designschulen relativ jung, hinzu kommt noch, dass Karlsruhe nicht gerade der verführerischste Ort für junge, kreative Leute auf der Suche nach Abenteuern ist. Was allerdings wirklich für die Schule spricht, ist einerseits ihre verhältnismäßig überschaubare Größe, das führt zum Teil zu einer entspannten und familiären Atmosphäre, und auf der anderen ist es die Qualität und die Mischung des Lehrpersonals, das die Hochschule für sich gewinnen kann. Neben dem aktuellen Kern an Professoren, mit Volker Albus, Stefan Diez und Hansjerg Maier-Aichen kooperiert die Hochschule für Gestaltung auch regelmäßig mit Designern wie, Werner Aisslinger, Hannes Wettsein, Jerszy Seymour oder Jurgen Bey.
Dieses Konzept und die damit verbundene Lehrpraxis, eine Praxis die den Studenten positiven Anstoß gibt, über ihre Arbeiten in einem interdisziplinären Kontext nachzudenken, zeichnet die Schule aus. Eva Marguerre, eine Graduierte der HfG Karlsruhe, drückt es so aus: „Ich habe zwar in „Produktdesign“ meinen Abschluss gemacht, mein Studium umfasste allerdings viel weitere Bereiche. Und das ist gut so, da Produktdesign nicht einfach aufhören sollte, wenn ein Produkt fertig ist.“
Ein paar Eindrücke der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe Sommerloch 2013 Ausstellung: