2010 von den Architekten Pascale Wakim und Nicolas Bellavance-Lecompte gegründet, ist und war die Beiruter Carwan Gallery die erste Galerie für zeitgenössisches Design im Nahen Osten. Nach beinahe drei Jahren als Pop-Up-Galerie haben Pascale und Nicolas Ende Juni endlich ihren ersten festen Raum in Beirut eröffnet.
Was danach klingt, als würde alles gut laufen.
Wir kamen das erste mal in Mailand bei der MiArt 2013 auf die Carwan Gallery und waren nicht nur von den präsentierten Objekten, sondern auch von der frischen, unkonventionellen und unkomplizierten Art der Arbeiten und den verschiedenen Traditionen dahinter begeistert. Oder um es anders zu sagen, da gab es keine Überheblichkeit in dem Gezeigten.
Auf der Design Miami/Basel 2013 präsentierte die Carwan Gallery, die extra in Auftrag gegebene Landscape Series mit Vasen und Tischen von der Pariser Architektin und Designerin India Mahdavi.
Das alles schien für uns Anlass genug, ein bisschen mehr darüber zu erfahren und so trafen wir uns bei der Design Basel mit Nicolas Bellavance-Lecompte, um über die Carwan Gallery und Design im Nahen Osten im Allgemeinen zu sprechen. Aber zu allererst: Warum Beirut?
Nicolas Bellavance-Lecompte: Als ich das erste mal Beirut besuchte, war ich sehr von der kosmopolitischen Natur, dem Stil der Stadt beeindruckt und sah die Energie und den Enthusiasmus, der in Interieurs wie z.B. Restaurants und Clubs, aber auch privaten Räumen, zu finden ist und es schien mir ein interessanter Ort für eine Galerie für die gesamte Region zu sein.
(smow)blog: Und für solche wie uns, die es nicht wissen: Wie ist die Designszene in Beirut? Kann man überhaupt von einer Szene sprechen?
Nicolas Bellavance-Lecompte: Ich denke, die Stadt hat eine enorme Designkultur. Beirut ist eine relativ kleine Stadt – verglichen mit z.B. Istanbul oder Kairo -, doch die Designszene ist relativ groß. Sei es bezogen auf die Anzahl der Designer oder die Qualität ihrer Arbeiten, ich würde sagen, Beirut ist die Design-Hauptstadt des Nahen Ostens.
(smow)blog: Sollten oder müssen die Objekte in eurer Galerie eine Verbindung zur Region haben oder spielt das keine Rolle?
Nicolas Bellavance-Lecompte: Wir haben eine Richtung, eine Linie in der Galerie, und zwar, dass wir Arbeiten wollen, die im Nahen Osten hergestellt werden können. Es gibt großartige Handwerker in der Region, die einzigartige, lokale Techniken und Ansätze haben und es gibt einen enormen Reichtum im Nahen Osten, der in Sachen zeitgenössischen Designs noch nicht erforscht wurde. Und ich denke, es ist immer möglich, neue Wege zu finden, dieses traditionelle Handwerk zu interpretieren, um es lebendig und zeitgemäß zu machen. Es ist auch ein Weg es zu schützen – ansonsten besteht das Risiko, dass es verloren geht.
(smow)blog: Kann man sagen, dass der europäische Markt die östlichen Traditionen schätzt oder gibt es Arbeiten, die hier weniger angenommen werden?
Nicolas Bellavance-Lecompte: Was interessant ist, ist, dass wir bis letztes Jahr hauptsächlich Designer aus dem Westen in unserer Ausstellung hatten, die Arbeiten präsentierten, die, sagen wir, Re-Interpretationen von Handwerk aus dem Nahen Osten waren, was im Nahen Osten sehr gut ankam. Dieses Jahr legten wir den Fokus mehr auf Designer aus dem Nahen Osten, was in Europa und den USA auf viel Resonanz stieß. Der Markt verändert sich also langsam, was überraschend, aber positiv ist.
(smow)blog: Wenn wir richtig informiert sind, sind die meisten Designer, mit denen ihr arbeitet, Architekten. Ist das beabsichtigt?
Nicolas Bellavance-Lecompte: Dass die meisten Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, Architekten sind, liegt sicher an Pascales und meinem Hintergrund, aber auch daran, dass wir den Designansatz und die Umsetzung eines Projekts von Architekten mögen. Wir arbeiten auch mit reinen Produktdesignern wie Khalid Shafar zusammen. Aber weil es keine wirkliche industrielle Produktion im Nahen Osten gibt, ist es zurzeit sehr schwer als reiner Produktdesigner im Nahen Osten zu bestehen.
(smow)blog: Ganz kurz zu der Kollektion, die hier gezeigt wird. Was ist der Hintergrund zur Landscape Series?
Nicolas Bellavance-Lecompte: Wir haben mit India Mahdavi über ein Jahr an dem Projekt gearbeitet und die Kollektion dreht sich um eine Erkundung von Landschaften im Kontext von Iznik Foundation Kacheln. Die Iznik Foundation stellt Keramiken nach osmanischer Tradition des 16. Jahrhunderts her, was heißt, dass die individuellen Kacheln zu 85% aus Quarz bestehen, weshalb sie so weiß und strahlend sind und so sehr leuchten. Und was India hergestellt hat, ist eine Synthese von Vorstellungen von Landschaftszeichnungen, überwiegend auf ihren Erfahrungen von und in verschiedenen Kulturen und Länder, in denen sie lebte, basierend.
(smow)blog: Diese Synthese wird durch eine Serie von Tischen und Vasen repräsentiert. Inwiefern waren solche Objekte Teil des Ausgangsmaterials?
Nicolas Bellavance-Lecompte: Mit India hatten wir einige Gespräche z.B. darüber, wie wir die Kollektion, die Typologie der Objekte strukturieren sollen und am Ende dieses Prozesses kam die Idee, dass Vasen und Tische interessante Objekte für so eine Kollektion sein könnten, auch weil sie Objekte sind, die drinnen und draußen genutzt werden können. Dieses Wechselspiel zwischen Interieur- und Exterieur-Landschaften halten wir für eine interessante Idee.
(smow)blog: Du hast das Leuchten erwähnt, ein anderer Faktor ist natürlich die Farbe…
Nicolas Bellavance-Lecompte: Tatsächlich. Und diese intensive Vibration zwischen den Farben, wie India selbst es beschreibt, zu kuratieren, das Spiel zwischen Farbe und Identität ist ein zentraler Aspekt der Kollektion. Die Vasen z.B. gibt es in sechs verschiedenen Formen, innen entweder aus reinem Gold oder als dichte, lebhafte monochrome Version. Und das Zusammenspiel von Form, Material, der Lichtbrechung des Materials und der Farben erzeugt einen Effekt, ein Modell, das die Vorstellungskraft anregt.
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