Wie jeder weiß, beginnen wir unsere Zusammenfassung der Studentenausstellungen des Sommersemesters traditioneller Weise an der Bauhaus Universität Weimar. Dieses Jahr muss Thüringen allerdings Stuttgart den Vortritt lassen und zwar im Besonderen der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.
Im Vergleich zu anderen Institutionen, wie der Bauhaus Uni Weimar oder der Burg Giebichenstein Halle, hat die Akademie der Bildenden Künste Stuttgart einen relativ kleinen Bereich für Industriedesign, der allerdings genauso interessant ist. Beim Rundgang 2013 wurden „nur“ drei Diplomprojekte ausgestellt, von denen uns vor allem Isabel Thomas‘ „Teil Tausch“ sehr beeindruckt hat – und ihr könnt uns glauben, eine Gefallensrate von 33 Prozent ist für uns eine ganz schöne Seltenheit.
„Teil Tausch“ ist ein modulares Möbelsystem und basiert auf einem Prinzip, das man das „kleinste Anzahl einsetzbarer Einheiten“- Prinzip nennen könnte.
Das spezielle „Teil Tausch“-System besteht aus fünf standardisierten Formen, die nach Belieben zu Möbeln in nahezu jeder Form, Größe oder Funktion zusammengefügt werden können. Die Metallkomponenten werden von einem Verbinder zusammengehalten, der eigens für das System entwickelt wurde, während die Paneele aus verschiedenen Materialien, als Regalfächer, Sitzflächen oder Tischplatten zum Einsatz kommen.
Das modulare Möbelsystem an sich ist nicht besonders revolutionär. An „Teil Tausch“ hat uns aber einerseits die Anonymität des Systems begeistert: Die Hauptrolle spielt nicht das Design – alles, was zählt, sind die aus dem System resultierenden Objekte – und andererseits die Tatsache, dass Isabel Thomas bei der Entwicklung nicht nur Aufbewahrungsmöglichkeiten im Sinn hatte. So sind beispielsweise Tische und Stühle ein genauso selbstverständlicher Teil des Konzepts wie die Regale. Für uns steht „Teil Tausch“ damit über allen anderen, aktuellen und marktreifen Produkten seiner Art und wir sind sehr gespannt, wie sich das Möbelsystem in den kommenden Jahren entwickeln wird.
Um unseren Bericht zu vervollständigen, wollen wir auch die beiden anderen Diplomprojekte der Ausstellung nennen. „Formbegriff“ von Laura Hillebrandt ist eine Geschirrkollektion aus Porzellan und Glas, die vom Umgang mit Geschirr inspiriert ist. Jennifer Hiller präsentierte mit ihrer Arbeit „Mensch“ eine Reihe von Objekten, die, ganz allgemein gesagt, die Funktion haben, Kinder zu Bewegung, Interaktion und Sport anzuregen.
Wir wollen nicht behaupten, es handele sich dabei um schlechte Arbeiten, richtig umgehauen haben sie uns allerdings nicht. Geschmack ist nun mal eine sehr subjektive Angelegenheit.
Abgesehen von den Diplomen haben wir im Bereich Industriedesign der ABK Stuttgart furchtbar viele Fahrräder gesehen. Während die elektrische Version unsere wohlwollende Aufmerksamkeit auf sich zog, haben wir die motorisierte Variante offensichtlich komplett ignoriert. Letztendlich haben wir den Cargo Bikes am meisten Zeit gewidmet. Die waren neben dem Gepäckträgersystem, das von Marita Schwenkedel in einem freien Projekt entwickelt wurde, auf der aktuellen Ausstellung des Cargo-Bike-Projekts zu sehen. Aufgabe der Teilnehmer des Projekts war es ein „Service Fahrrad“ zu entwickeln. Hierbei ging es nicht um den Entwurf eines Fahrrads an sich, sondern eher darum neue Funktionen für das Fahrrad zu entwickeln. Während sich die meisten Modelle mit dem sehr naheliegenden Thema des Warentransports beschäftigten, hatten wir eigentlich nur Augen für das Rasenmäherfahrrad „Grazer“ eines leider namenlosen Studenten. Wir haben keine Ahnung, ob dieses Gerät funktioniert – jedenfalls gehen wir nicht davon aus. Im Grunde ist es uns auch egal. Das Fahrrad „Grazer“ sollte solange weiterentwickelt werden, bis es funktioniert! Mit ziemlicher Sicherheit liegen die Probleme des Entwurfs alle bei der Schneidekraft der Klingen und dem damit verbundenem Widerstand. Solche Probleme können allerdings überwunden werden.
Marita Schwenkedels abnehmbares Gepäckträgersystem „fiXit“ ist im Gegensatz dazu ein schlichtes Stück Design für unsere moderne Welt: ein ästhetisch überzeugendes Trägergestell, das problemlos an der Sattelstange angebracht und abgenommen werden kann. Neben den Fahrrädern waren wir auch sehr von dem Metall-Loungemöbel „BCHAIR“ von Antonia Rindfleisch, dem Küchen Ablage- und Hilfsgerät „Nou“ von Hannah Steinmetz und besonders von Penghao Shans Tisch „Fünfundvierzig“ mit seiner intelligent reduzierten Form und dem aus Metalldraht hergestellten Aufbewahrungskorb angetan. Unser einziger Wunsch wäre eine etwas elegantere Methode die Tischplatte mit dem Tischrahmen zu verbinden.
Zu guter Letzt verdient Phillipp Staege eine besondere Erwähnung für sein Diplomprojekt im Bereich Kommunikationsdesign. Sollte seine Arbeit einen Namen tragen, werden wir das Schild wohl schlicht übersehen haben, da wir so gebannt waren von den ungemein eleganten Texturen und Tönen seiner Grafiken.
Wir werden häufig gefragt, warum wir Ausstellungen von Studenten besuchen und was für uns dabei interessant sein könnte – zumal wir ohnehin die meiste Zeit damit beschäftigt sind uns zu beklagen. Die Antwort ist einfach: die Studenten sind frei von jeglicher Form kommerziellen oder professionellen Drucks. Aus der anderen Perspektive gesehen bedeutet Industriedesign nämlich, dass man „letztendlich von Herstellern beauftragt wird erfolgreiche Produkte zu entwickeln.„. So hat zumindest Jürgen Laub kürzlich die Rolle des Industriedesigners zusammenfasst. Die Möglichkeit neue Ansätze, Lösungen und Realitäten zu entwickeln liegt also in der Freiheit der Studenten. Allerdings nutzen die meisten Studenten diese Möglichkeit nicht. Der Großteil baut auf erprobte Formeln und arbeitet mit einer Art „Designblick“, der dem Publikum bietet, was es erwartet und abgedroschene Konzepte und Formensprachen wieder aufwärmt. Das machen aber eben nicht alle, und so findet man mitunter einen Studenten, der es schafft über seinen Tellerrand zu schauen. Einen, der den alten Snowboardspruch versteht, dass ausgetretene Fade für besiegte Leute sind und der etwas neues riskiert. Wenn also auch nur ein Projekt von hunderttausend uns eine Gänsehaut der Begeisterung verschafft, ist es immer noch mehr als genug. Der ABK Stuttgart Rundgang 2013 hat uns in dieser Meinung also sehr bestärkt.
Eine Auswahl von Eindrücken des ABK Stuttgart Rundgangs 2013 ist zu finden auf facebook.com/smow.stuttgart
Da wir einmal in Stuttgart waren, haben wir natürlich gleich die Chance genutzt und einen Abstecher nach Karlsruhe gemacht, um uns dort die Sommersemester-Ausstellung an der Hochschule für Gestaltung anzusehen…