Vor der Möbelmesse in Mailand erhielten wir eine E-Mail von einem befreundeten Designer aus Belgien, in der er uns wissen ließ, wo wir ihre Arbeiten ansehen könnten. Die E-Mail endete mit einem euphorischen „Das ist endlich das Jahr der Belgier!“. Der Gedanke hat uns wirklich gefallen, weil – wie wir bereits erwähnt haben – Belgien das Potential hat, so erfolgreich wie die Niederlande zu sein. Und es auch sein sollte. Frohen Mutes machten wir uns also auf zur Triennale di Milano, um die Ausstellung „Belgium is Design“ anzusehen…
… Und erlebten die Enttäuschung von Mailand 2013. Auf der Möbelmesse 2012 gehörte „Belgium is Design“ zu unseren persönlichen Highlights, die 2013er Show hatte aber mehr etwas von einem durcheinandergewüfelten, inkohärenten Haufen.
Mit dem Titel „The Toolbox – Belgian Design & the Art of Making: A Tribute to Henry van de Velde“ versprach die Ausstellung ein Portrait des Großmeisters belgischen Designs. Vielleicht war es das auch. Das wissen aber nur die, die es auch gefunden haben… Genau wie wenn man irgendetwas Brauchbares in der Werkzeugkiste finden will, zwingt „Belgium is Design“ den Besucher auf der Suche nach, wenn auch nicht dem Heiligen Gral, so doch nach dem richtigen Schraubenzieher, durch ein endloses Chaos zu stöbern. Wir haben es nicht geschafft. Das Leben ist zu kurz, um es mit den Folgen eines überambitionierten Ausstellungsdesigns zu verschwenden. Was wirklich enttäuschend ist, ist natürlich, dass nach „Henry van de Velde. Leidenschaft, Funktion und Schönheit“ in Weimar „Belgium is Design“ die zweite Ausstellung in einem Monat ist, die mit dem Namen Henry van der Velde in Verbindung steht und der es an einem vernünftig durchgeführten Ausstellungskonzept fehlt. Henry hat wirklich etwas besseres verdient.
Glücklicherweise war das unsere erste und letzte Erfahrung mit schlecht organisierten Belgiern in Mailand.
Wie 2012 war der zweite Teil von „Belgium is Design“ auf der Salone Satellite. Und wie 2012 war das Highlight für uns das Designstudio Two Designers. Besonders ihre „Insel“ Curiosity. Es fehlt uns an einem Begriff, um Curiosity prägnant zu beschreiben und so müssen wir es wohl mit dem weniger knackigen „ein Teil Tablett, ein Teil Regal, ein Teil Tisch, ein Teil Aufbewahrung-Mischding aus verschiedenen Materialien“ sagen. Grundsätzlich ist es ein Objekt, das im Raum steht und verschiedene Funktionen erfüllt, während es über eine optisch ansprechende Struktur verfügt, eine Hilfestellung für die wohnliche Organisation ist und den Eindruck einer größeren Ordnung vermittelt. Einfach entzückend. Wir geben zu, nur sehr wenig über Two Designers zu wissen, aber, dass sie zwei Jahre hintereinander unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, mag die Sache zukünftig ändern.
Im Gegensatz zu „Belgium is Design“ war es bei der Ausstellung der Designplattform „De Invasie“ auf der Ventura Lambrate eine wahre Freude, alles zu durchstöbern. Einen schönen Mix der belgischen Designstudios präsentierend, war das Highlight für uns ganz klar Collectionnaire von Moupila. Wie bei Curiosity ist es schwer einen Begriff zu finden, der Collectionnaire beschreibt. Die modulare Schrankwand hat eine ganz eigene Formensprache, eine ganz eigene Funktionalität und eine ganz eigene Größenordnung. D.h. Collectionnaire wird jeden Raum ziemlich einzigartig machen. Als Konzept fanden wir die Idee faszinierend und die Umsetzung mit dem Holz funktioniert perfekt. Mit Metall zum Beispiel würden wir den Verlust dieses bestimmten Charakters befürchten. Collectionnaire ist kein Objekt, das für jeden – oder jeden Raum – was ist. Aber, wo Platz und Mut zusammenkommen, sollte sich die nicht unbedeutende Investition ziemlich sicher auszahlen.
Erwähnt werden muss auch das Atelier Belge, ein Unternehmen, dessen Entwicklungen wir seit einigen Jahren verfolgen. Der Animal Desk von Fermetti von der De Invasie Ausstellung mag nicht das neueste Objekt sein, aber es ist ein hübsches Beispiel dafür, wozu sie in der Lage sind.
Außerdem waren wir sehr von dem fantasievollen Coat Rack von Bram Vanderbeke begeistert – ein verstellbares Garderobensystem, das in seinem eigenen Fuß verstaut werden kann, und es war schön Objekte von Tim „Interror“ Baute in so einem Kontext zu sehen.
Tim Baute höchstpersönlich präsentierte seine letzten Zusammenarbeiten mit dem Grafikkünstler Stefaan de Croock um die Ecke von „Ventura at Work“. Aber mehr zu Tim später.
Unser letztes Treffen mit Belgien in Mailand war mit „Landscapes for living in“ von Muller van Severen bei LAP Lambretto Art Project. Auf der Interieur Kortrijk 2012 erstmalig gezeigt, ist „Landscapes for living in“ die erste Zusammenarbeit mit dem Fotografen Fien Muller und dem Künstler Hannes van Severen, Maartens Sohn. Wir hatten es in Kortrijk verpasst und uns so umso mehr darauf gefreut, es in Mailand zu sehen. Und es war genauso erfreulich, wie wir gehofft hatten. „Landscapes for living in“ ist eine Sammlung von Objekten, die verschiedene Funktionen auf einmal erfüllen: zum Beispiel Bücherregal und Stuhl oder Tisch und Lampe. In mancherlei Hinsicht also ähnlich wie einige von Verner Pantons späteren Arbeiten. Nein, ehrlich. „Landscapes for living in“ wurde mit einer charmanten Klarheit und Ehrlichkeit umgesetzt, die mit einer echten Vertrautheit zusammenkommt. Eine echte Freude…
Entgegen den großen Ankündigungen unseres Informanten, war 2013 nicht Belgiens Jahr in Mailand. Es war aber ein weiteres Jahr, das die Stärke und Vielfältigkeit gezeigt hat, die zwischen den Niederlanden und Frankreich liegt – und die den Geist Henry van de Veldes wieder zum Leben erweckt hat.
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