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Musée d’Art Moderne de Saint Etienne Métropole: Charlotte Perriand et le Japon

Musée d’Art Moderne de Saint Etienne Métropole Charlotte Perriand et le Japon

Charlotte Perriand in Japan, 1954 (Foto Archiv Perriand)

Nach der Eileen Gray Retrospektive im Centre Pompidou Paris wurde am 22. Februar im Musée d’Art Moderne de Saint Etienne Métropole eine Ausstellung zu einer anderen Grand Dame der französischen Moderne eröffnet – Charlotte Perriand.

Im Gegensatz zu der umfassenden Eileen Gray Ausstellung jedoch, konzentriert sich „Charlotte Perriand et le Japon“ auf eine Periode in Charlotte Perriands Biografie. Oder besser gesagt auf die Rolle, die ein Land in ihrer Biografie spielte.

1903 in Paris geboren, verbrachte Charlotte Perriand ihre Kindheit zu einem Teil im Hause ihrer Familie in Paris und zum anderen Teil im großelterlichen Domizil im ländlichen Savoyen. 1920 fing sie an der Ecole de l’Union Centrale des Arts Décoratifs an, 1925 machte sie ihren Abschluss. Vor dem Hintergrund ihrer Beaux-Arts-lastigen Ausbildung der damaligen Zeit waren die ersten von Perriands Arbeiten in der dekorativen Manier des Jugendstils gehalten. 1927 wurde sie mit den Schriften eines gewissen Le Corbusier und seinen Hetzreden gegen das Dekorative und für das Funktionale vertraut.

Eingenommen von seinen überzeugenden Argumenten und das Selbstbewusstsein der Zeit aufsaugend, klopfte sie an Le Corbusiers Ateliertür und fragte nach Arbeit.

„On ne brode pas des coussins ici.“ war die prompte Antwort. Notdürftig übersetzt bedeutet das so viel wie: „Wir besticken hier keine Kissen.“

Schließlich willigte Le Corbusier jedoch ein und Charlotte Perriand konnte seinem kleinen Team beitreten – möglicherweise, wie Mary McLeod es erörtert1, weil er jemanden brauchte, der ihm beim Designen von Möbeln half und weil er diese Person in Charlotte Perriand sah. Oder wie die Theorie von Perriand selbst ist – weil sie mit ihrem „die neue Frau“-Look einen bestechenden Charme ausstrahlte, dem man einfach nicht widerstehen konnte.2 Unabhängig von der Ursache ihrer Partnerschaft – im allgemeinen als Dreigespann mit Le Corbusiers Cousin Pierre Jeanneret – wurde es zu einem der erfolgreichsten und wichtigsten Studios der Moderne außerhalb der Mauern des Bauhauses.

1937 verließ Perriand Le Corbusier, um anderen Projekten nachzugehen, bevor sie 1940 einen Auftrag als Industriedesign-Beraterin für das japanische Ministerium für Handel und Industrie in Tokio angeboten bekam.

Obwohl es im Kontext unseres 21.-Jahrhundert-Verständnisses von der Welt etwas befremdlich wirkt, wenn Japaner Europäer nach Rat in Sachen Industriedesign fragen – das ist so, als würde ein Inuit einen Europäer fragen, was sie mit dem ganzen  Schnee machen sollen – ergibt es im Kontext der damaligen Zeit durchaus Sinn. Nach dem Niedergang der Tokugawa Shōgun 1868 und zwei Jahrhunderten feudaler Militärherrschaft, fanden die Bürger Japans nur langsam ihren Platz in der modernen Welt.

Als größtenteils bäuerliche Argrarnation war Japan bei handgefertigten und künstlerischen Produkten profitabel, aber nicht bei Produktionsgütern, die für den Export bestimmt waren. So wurde in den späten 1920ern die Entscheidung getroffen, ausländische Experten für die Kernindustrien zu Rate zu ziehen.

Vor diesem Hintergrund wurde in den frühen 1940ern, vermittelt durch den japanischen Architekten Junzo Sakakura, der Perriand von ihrer gemeinsamen Zeit in Le Corbusiers Atelier kannte, Charlotte Perriand nach Japan eingeladen.

Bis Mitte der 1930er Jahre ist Perriand eine leidenschaftliche Unterstützerin davon, was sie als das revolutionäre Material Stahl bezeichnete. Und eine genauso leidenschaftliche Gegnerin von Holz. In ihrem Text „Holz oder Metall“ von 1929 stellte sie es als einen „pflanzlichen Stoff, der geweiht zu verfallen ist“ bloß und drückte ihren Glauben aus, “ Die ZUKUNFT wird Materialien bevorzugen, die am besten die Probleme lösen, mit denen der moderne Mensch konfrontiert ist“.3 (Großschreibung aus Zitat übernommen.)

Doch Mitte der 1930er Jahre fand Perriand durch den Einfluss der neuen traditionellen Denkweise, die über die europäischen Modernisten hinwegfegte, sowie durch die Arbeit skandinavischer Architekten, wie Alvar Aalto, eine Antwort auf ihre Holzkritik. Perriand begann selbst Objekte aus der einst verspotteten „natürlichen Substanz“ zu schaffen und in ihrem Essay „Habitation familiale“ von 1935 gab sie schließlich ihre unverzagte Hingabe zum Stahl für eine Position auf, bei der die Wahl des Materials auf der Prämisse „alles an seinem Platz, technisch und physiologisch“4 basieren sollte. Eine Ansicht, die sie auch in ihren Auftrag in Japan einbringen sollte.

In dem Unternehmen ihres Mentors und Übersetzers – ein junger Student namens Sori Yanagi – reiste Chalotte Perriand ausgiebig durch Japan, bobachte und sprach mit Personen des lokalen Handwerks und der Industrie. Darauf basierend entschied sich Perriand sich auf drei Gebiete zu konzentrieren: regional hergestellte Produkte, die sich bereits für den Export eigneten, regionale Produkte, deren Herstellung an Exportbedingungen angepasst werden sollte und bisher nicht in Japan hergestellte Produkte, die nun auch aus regionalen Materialien und mit regionalen Verfahren hergestellt werden sollten, darunter eine Reihe von Perriands Designs, die sie in japanischer Tradition neu auflegte.5 Das berühmteste Stück aus der letzten Gruppe ist wahrscheinlich eine LC4 Chaiselongue aus Bambus.

1941 kuratierten Charlotte Perriand und Junzo Sakakura unter dem Titel  „Contact avec L’art japonais: tradition, selection, creation“ eine Ausstellung mit den Ergebnissen dieser Arbeit.

Doch 1942, als Japan im Krieg mit dem Westen stand, sah sich Charlotte Perriand gezwungen, Japan als „unerwünschte“ Fremde zu verlassen.

Die Erfahrung blieb jedoch und 1955 kehrte Charlotte Perriand nach Japan zurück, um die Ausstellung „Proposition d’une synthèse des arts“ zu organisieren, für die sie extra verschiedene, für die Produktion durch japanische Handwerker in Japan gedachte Objekte entwarf – am bemerkenswertesten darunter der Stuhl „Ombre“.

„Charlotte Perriand et le Japon“ im Musée d’Art Moderne de Saint Etienne Métropole verspricht all diese Momente und Erfahrungen in einer Ausstellung zusammenzubringen und hat dabei das Ziel, die umfangreichste Erkundung, die je zur Rolle Japans für das Leben und Schaffen von Charlotte Perriand angestellt wurde, zu präsentieren.

Mit Objekten, die 1941 auf der Ausstellung „Contact avec L’art japonais: tradition, selection, creation“ gezeigt wurden genauso wie Werke, die für „Proposition d’une synthèse des arts“ entstanden sind, präsentiert „Charlotte Perriand et le Japon“ außerdem Fotografien, Archivdokumente und Kunstwerke, einschließlich eines Wandteppichs, den Perriand in Japan entwarf und der erst kürzlich wiederentdeckt wurde. Daneben werden auch Objekte wie die von Fernand Léger oder Le Corbusier ausgestellt, um dabei zu helfen, Perriands Werk in den Kontext der Zeit einzuordnen.

Nach den Ausstellungen „Charlotte Perriand und ihre Spuren in Brasilien“ im Gewerbemuseum Winterthur und „Charlotte Perriand: Designer, Photographer, Activist“ im Museum für Gestaltung, Zürich von 2010, haben wir den Verdacht, dass eine unsichtbare Kraft eine Art „Charlotte-Perriand-Retrospektiven-Puzzle“ veranstaltet, bei dem die verschiedenen Teile rund um den Globus verstreut werden. Ein Konzept, über das wir ziemlich froh sind. Obwohl es sicher auch nicht schlecht wäre, wenn jemand all die Teile einmal an einem Ort zusammenbringen würde.

„Charlotte Perriand et le Japon“ kann bis zum 26. Mai 2013 im Musée d’Art Moderne de Saint Etienne Métropole gesehen werden.

Unter www.mam-st-etienne.fr findet man weitere Informationen dazu.

1 Mary McLeod, „Charlotte Perriand: Her First Decade as a Designer“ AA Files No. 15 1987

2 Note 14 in Charlotte Benton „From Tubular Steel to Bamboo: Charlotte Perriand, the Migrating Chaise-longue and Japan“ Journal of Design History Vol. 11 No. 1 1998

3 Charlotte Perriand, Wood or Metal? The Studio Vol 97 No. 433 1929

4 Charlotte Perriand „Habitation familiale: Son développement économique et social“ L’Architecture d’Aujourd hui 6 ser 5 no 1 1935. Quoted in Mary McLeod 1987

5 Charlotte Benton 1998

Ein Blick auf "Contact avec L'art japonais: tradition, selection, creation" wie es 1941 in Tokyo gezeigt wurde (Foto Archiv Perriand © ADAGP, Paris, 2012)

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