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Verlorene Klassiker des Möbeldesigns: „How to live in Flat“ von W. Heath Robinson und K. R. G. Browne

Wenn man die Dauerausstellung  „Extraordinary Stories About Ordinary Things“ im London Design Museum besucht, trifft man auf ein seltenes und wunderschönes modernes Möbeldesign aus Großbritannien – ein Objekt, das schlicht als „Table for display of trousers“ (Tisch zur Auslage von Hosen) bezeichnet wird.

Entworfen wurde der Designertisch 1936 von dem englischen Architekten Joseph Emberton für Simpsons of Piccadilly und das Objekt ist nicht nur einzigartig in Form wie in Funktion, sondern erinnert uns auch an eine fantastische Sammlung längst vergessener Klassiker des Möbeldesigns aus dem selben Jahr. Eine Sammlung für die Joseph Emberton und seinesgleichen fairerweise Co-Autorenrechte zustehen sollten.

1936 veröffentlichten der britische Humorist und Illustrator W. Heath Robinson und der Autor K. R. G. Browne mit „How to live in Flat“ ihre satirische Antwort auf die sich verändernden Wohntrends der Zeit, den Einzug der europäischen Moderne in Großbritannien und schließlich die Entwicklung einer finanziell abgesicherten britischen Mittelklasse.

Leser eines reiferen Jahrgangs werden W. Heath Robinson als Erfinder einer unüberschaubaren Menge von Fantasiegeräten kennen. Sein Name steht synonym für erfinderische Vorrichtungen aller Gattungen.

K. R. G. Browne ist wahrscheinlich nur Fans von obskuren Musikkomödien aus den 1930ern bekannt. Wenn es solche Leute überhaupt noch gibt…

Aus „How to live in Flat“ von W. Heath Robinson und K. R. G. Browne “, Duckworth and Co London 1976 (Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von Pollinger Limited und der Estate of Mrs J C Robinson)

Während ein Bezug auf „How to Live in a Flat“ meist ein Verweis auf Robinsons Zeichnungen und Geräte ist, sind in dem Buch selbst Browns Texte und Robinsons Illustrationen gleichwertige Partner und ergänzen einander perfekt.

Dabei ist das Erfreuliche an Brownes Text, wie erfrischend er sich lesen lässt. Wenn man Sätze wie die folgenden liest, lässt es sich nur schwer vorstellen, dass acht Jahrzehnte vergangen sind, seit dieser Humor seinen Weg in die Welt fand.

„Nothing in this imperfect world is perfect – except asparagus and a certain pre-War whisky, now almost unobtainable. Every rose has its thorn, every income its tax…“

(Nichts in dieser unvollkommenen Welt ist vollkommen – außer Spargel und ein bestimmter Vorkriegswhiskey, der fast nicht mehr zu bekommen ist. Jede Rose hat ihre Dornen, jedes Einkommen seine Steuerabgaben…)

oder

„… the dwelling place of the future is the Flat – so called because it usually is, and to distinguish it from the maisonette, which isn’t.“

(Englisch: flat = a) Wohnung, b) flach … der Name ist praktisch Programm)

Wer allerdings, so wie wir, das Buch an einem Stück durchliest, könnte von den ständigen Wiederholungen der Nebenbemerkungen genervt sein. Sie lassen den guten Mr. Brown wie ein Pony wirken, das es nicht geschafft hat, noch einen zweiten Trick zu lernen.

Also, lest langsam. Hebt es euch auf. Kapitel für Kapitel…

Aus „How to live in Flat“ von W. Heath Robinson und K. R. G. Browne “, Duckworth and Co London 1976 (Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von Pollinger Limited und der Estate of Mrs J C Robinson)

Robinsons Blick auf das zeitgenössische Wohnen und vor allem zeitgenössische Möbel, Einbauten und Zubehör ist genauso relevant wie es wahrscheinlich ist, dass er uns alle überleben wird.

Wenn man sich die Zeichnungen der Geräte wie den Chromium Shaving Chair (Verchromter Rasierstuhl), das Rabbitarium oder seine Lösung für das Unterbringen eines Gästebettes in kleinen Wohnungen ansieht, ist es unmöglich zu sagen, ob Robinson den Erfindungen der Zeit gegenüber negativ eingestellt war oder ob er einfach ein einzigartiges Talent hatte, die soziale Komik in den Veränderungen auszumachen und offenzulegen.

Aber eigentlich glauben wir nicht, dass das eine Rolle spielt.

Das Ergebnis ist eine Sammlung von Objekten, die nicht nur eine schöne Parodie ihrer Zeit darstellt, sondern durch ihre unmögliche Umsetzbarkeit kombiniert mit einer brillanten visuellen Umsetzung gleichzeitig eine nahezu perfekte Parodie auf unsere moderne bloggesteuerte Designwelt mit ihren nachbearbeiteten Money Shots bildet.

Es ist auch eine nette Parodie auf die Pop Art, die Postmoderne, Young British Art und die meisten anderen Architektur-, Design- oder Kunstbewegungen seit dem Krieg. Und über den Designkontext hinaus, sind die Zeichnungen mit ihrer feinen Mischung aus ironischer Beobachtung, sozialen Kommentaren und vor allem sozialer Karikatur selbst kleine künstlerische Meisterstücke.

Doch trotz der universellen, beständigen und reizenden Erscheinung des Buchs, ist es alles andere als leicht zu finden. Obwohl es 1976 neu aufgelegt wurde, ist es heutzutage, abgesehen von Sammlerstücken, die ungefähr so viel kosten wie die Monatsmiete von Mr. Simpson für eine Wohnung um 1936, schwer ein Exemplar zu kaufen oder auszuleihen.

Leider.

Denn in dem Buch sind wahrscheinlich mehr Wahrheiten über Design, Architektur und damit zusammenhängende Richtungen enthalten als man in irgendeinem anderen Kontext finden wird.

Es bleibt also zu hoffen, dass in nicht allzu ferner Zukunft einige verantwortungsbewusste Verleger dazu beitragen werden, das Werk an seinen verdienten Platz zurückzubringen: In ein verchromtes Bücherregal. In einer Wohnung.

Aus „How to live in Flat“ von W. Heath Robinson und K. R. G. Browne “, Duckworth and Co London 1976 (Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von Pollinger Limited und der Estate of Mrs J C Robinson)

 

„Table for display of trousers“ von Joseph Emberton für Simpsons of Piccadilly. Ausgestellt bei Extraordinary Stories About Ordinary Things, Design Museum London