Bevor wir unsere Zelte bei der Vienna Design Week 2012 endgültig abbrechen und zu neuen Design-Ufern aufbrechen, wollen wir noch den Hartz IV Möbel-Workshop des Berliner Designers Van Bo Le-Mentzel im Wien Museum erwähnen.
Die Hartz IV Möbel-Kollektion von Van Bo Le-Mentzel entstand 2010, aber was es damit genau auf sich hat, haben wir bis heute nicht wirklich verstanden.
Im Wesentlichen ist es ein sehr gutes Open Design Projekt, das eine gute Auswahl verschiedener Objekte beinhaltet, die relativ leicht nachgebaut werden können – auch von denen, die eigentlich Schwierigkeiten haben, etwas technischeres zu tun als Butter auf’s Brot zu schmieren. Es ist ein Projekt, das überdurchschnittlich viel positive Resonanz in den Medien erfahren hat. Aber es ist auch ein Projekt, das sich uns nicht richtig erschließt. Was ist der Hintergrund, die Motivation, das Ziel? Worauf soll das alles hinauslaufen?
Mit dem Workshop haben wir es etwas besser verstehen können.
Van Bo Le-Mentzel hat Architektur in Berlin studiert und arbeitet zurzeit für eine „Strategische Kreativagentur“ in der Hauptstadt. 2009/10 hatte er Schwierigkeiten zuhause ein Regal aufzubauen und, um seine damalige Verlobte (mittlerweile sind sie verheiratet) zu überzeugen, dass er kein kompletter Vollidiot ist, hat er einen Tischlerworkshop an der Volkshochschule besucht und seinen ersten Stuhl gebaut, den sogenannten 24 Euro Chair. Der heißt so, weil er so viel kostet…
Aber dann können wir der Geschichte nicht mehr so ganz folgen.
Angespornt von den positiven Reaktionen von Freunden und Familie, hat Van Bo die Pläne für den Stuhl online gestellt, und Menschen in ganz Europa haben die Pläne runtergeladen und den Stuhl nachgebaut. Trotzdem verstehen wir nicht, warum Van Bo die Pläne ins Internet gestellt hat und wie die Leute sie gefunden haben… Aber er hat es getan, er wurde gefunden und dann hat Van Bo den Rest der Kollektion entworfen und veröffentlicht. Und das mit großem Erfolg.
Getrübt wird das Projekt für uns nur durch den Namen. Hartz IV… Das hat fast schon etwas Abstoßendes. Irgendwie könnte man es gleich „Möbel für obdachlose, stinkende, alte Männer“ nennen… Aber wie sich herausstellte, sollte der Name genau solche wie uns irritieren. Hartz IV ist schlecht, Möbel sind gut. Also hat sich Van Bo entschlossen, beides miteinander zu verbinden. Und das nicht nur im Hinblick auf einen provokanten Projektnamen, sondern vielmehr als neuen Ansatz, aus unserer konsumorientierten Gesellschaft auszubrechen.
„Build More. Buy Less“ ist der Untertitel des Projektes und Van Bo hofft durch die Möbel zu inspirieren. Van Bo glaubt, vor allem aufgrund von Erfahrungen, die er selbst gemacht hat, dass der Prozess ein Möbelstück zu bauen und der Erfolg es dann geschafft zu haben motivieren kann und auch auf andere Lebensbereiche aktivierend wirken kann.
Dinge kaufen als Form der Abhängigkeit und des sozialen Stumpfsinns; eigene Dinge schaffen als Form von Selbstbestimmtheit, Kreativität und guter Gesundheit. Der Name soll also als Metapher dafür verstanden werden, dass man sich von der Hartz IV-Situation, obwohl eines der schlimmsten Dinge, die einem passieren können, mit Hilfe der Möbel lösen kann. Zumindest im spirituellen Sinne.
Wie schon gesagt, haben wir noch ein paar offene Fragen über die Hartz IV Möbel-Kollektion, aber nachdem wir Van Bo zugehört und den Workshop besucht haben, verstehen wir das Projekt um einiges besser.
Und nein, wir haben nichts bei dem Workshop gebaut… Wir arbeiten noch an der Kombination von Butter und Honig auf dem Brot.
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