Das Bauhaus Dessau zeigt noch bis zum 31. Oktober 2012 die Ausstellung Marcel Breuer – Design und Architektur des Vitra Design Museums Weil am Rhein. Kuratiert wurde die Ausstellung, die einen breitgefächerten Blick auf Breuers Möbel- und Architekturerbe wirft, vom Journalisten/Kuratoren/Dozenten Mathias Remmele.
Bei der Ausstellungseröffnung haben wir uns mit Mathias Remmele auf einen kurzen Plausch über Marcel Breuer, seine Arbeit und seinen Einfluss getroffen.
(smow)blog: In der Ausstellung wird klar, dass Marcel Breuer zunächst mit Holz gearbeitet hat und erst später auf gebogenen Stahl umgestiegen ist. Woher dieser Wandel? Ist denn bekannt, was seine Motivation dafür war?
Mathias Remmele: Man kann es zwar nicht mit 100%iger Sicherheit sagen, aber von Breuer selbst stammt die Geschichte, dass er eines Tages Rad fuhr, auf seinen Lenker hinunterschaute und eine Art Heureka-Moment erlebte. Ich persönlich bin allerdings nicht davon überzeugt, dass das die ganze Geschichte ist. Es gibt auch die Vermutung, dass der Ursprung in der Junker Flugzeugfabrik zu finden ist, die auch hier in Dessau war, Verbindungen zum Bauhaus hatte und gebogenen Stahl und Eisen nutzte um beispielsweise Flugzeugsitze zu bauen. Aber wie gesagt, man weiß das nicht mit 100%iger Sicherheit.
(smow)blog: Aber eines ist sicher: Als er einmal angefangen hatte, war er nicht mehr aufzuhalten…
Mathias Remmele: In der Tat verbachte er die nächsten sechs Jahre intensiv mit dem Biegen von Stahl und entwarf mehr oder weniger alle Arten von Möbeln, die man aus diesen Material überhaupt machen kann; darunter zahlreiche Stühle, Hocker, Tische, Pulte und sogar ein Bett.
(smow)blog: War es denn so, dass Breuer mit seinen Ideen für neue Stücke auf Thonet zugegangen ist, oder hat der Hersteller ihn mit dem Entwurf bestimmter Objekte beauftragt? Woher kam der Antrieb neue Stücke zu schaffen?
Mathias Remmele: Auch das ist wieder nicht genau dokumentiert, wie so vieles über Breuer. Aber ich vermute, dass Breuer zu Anfang mit seinen Ideen auf Thonet zukam und Thonet ab einem gewissen Zeitpunkt damit anfing zu schauen, was für Objekte für die Firma interessant sein könnten.
(smow)blog: Walter Gropius ist ja eine konstante Größe in Marcel Breuers Biografie. Wie war denn ihre Beziehung zueinander? War es eher eine Vater-Sohn- oder eher eine Lehrer-Schüler-Beziehung?
Mathias Remmele: Ich würde sagen, es war eher wie eine Vater-Sohn-Beziehung; jedenfalls pflegten sie eine lebenslange Freundschaft. Walter Gropius erkannte Breuers Talent schon sehr früh in Weimar, ermutigte ihn und unterstützte seine Arbeit bevor er ihn zum Jungmeister und Leiter der Möbelwerkstatt in Dessau beförderte. Doch auch nach der Zeit am Bauhaus hielten sie engen Kontakt und Walter Gropius versuchte immer, ihn durch seine Kontakte und seinen Einfluss zu unterstützen.
(smow)blog: Walter Gropius war ja nicht der einzige wichtige Einfluss auf Breuers Arbeit, sondern auch de Stijl. Wo und wie kam Marcel Breuer denn zum ersten Mal mit der Arbeit und den Akteuren von de Stijl in Kontakt?
Mathias Remmele: Mitglieder der de Stijl-Bewegung stellten Anfang der 1920er Jahre den Kontakt zum Bauhaus her. Sie hielten dann in Weimar einen Vortrag, bei dem die Bauhäusler, darunter auch Breuer, und die Mitglieder von de Stijl sich und ihre Arbeiten kennenlernten. Das hatte großen Einfluss auf Marcel Breuer, wie man an einigen seiner früheren Holzarbeiten sehen kann.
(smow)blog: Kann man Marcel Breuer wirklich als Bauhäusler betrachten oder ist er eher jemand, der zwar mit der Schule in Verbindung gebracht wird, aber die ideologische, philosophische Seite der ganzen Sache nie so ganz absorbiert hat?
Mathias Remmele: Ich denke, man kann ihn ohne Frage als Bauhäusler ansehen. Die Schule hat ihn stark beeinflusst und ist eng mit einigen sehr positiven Phasen seines Lebens verbunden. Und nach dem Bauhaus blieb er nicht nur mit Gropius in Kontakt, sondern auch noch mit anderen Leuten wie Paul Klee, den er sowohl als Maler als auch als Mensch sehr bewunderte. Für mich ist Marcel Breuer einfach der wichtigste und interessanteste Bauhausschüler!