Treue Leser werden sich vielleicht noch an unseren Post zur Eröffnung der Ausstellung Zoom. Italian Design and the Photography of Aldo and Marirosa Ballo im April 2011 im Vitra Design Museum erinnern. Die Ausstellung beleuchtete die Geburt des Mythos/der Legende des italienischen Möbeldesigns – eine Legende, die durch ausdrucksstarke und zeitlose Fotos begründet – aber auch beworben und bewahrt – wurde. In diesem Post hatten wir die Entstehung von Designermöbellegenden mit der Enstehung von Musiklegenden am Beispiel von Kevin Cummins‘ bewegenden und zeitlosen Fotos der Band Joy Division aus Manchester verglichen. Und im Grunde basiert der Kultstatus sämtlicher zeitgenössischer Kulturikonen auf einigen wenigen stilprägenden, zeitlosen Fotos.
Letzte Woche hat nun in Berlin eine Ausstellung mit mehr als 30 Fotos von Kevin Cummins von New Order eröffnet, die zusammen mit allen Plattencovern der Band von Peter Saville gezeigt werden. Also haben wir bei der Eröffnung die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, das Zoom-Thema weiterzuführen und mit Kevin Cummins über seine Arbeit mit Joy Division/New Order und die Rolle von Fotografen bei der Etablierung von Bands gesprochen.
(smow)blog: Der Legende nach wurde dir mehr oder weniger vorgeschrieben, Joy Division nur in schwarz-weiß zu fotografieren. War das wirklich so?
Kevin Cummins: Nein, überhaupt nicht. Der Hauptgrund wieso Joy Division nur in Schwarz-Weiß fotografiert wurde ist der, dass die Musikpresse damals nicht in Farbe erschien. Und weil ich meine Filme und die Entwicklung selbst bezahlt habe, hätte es keinen Sinn ergeben Farbfilme zu verwenden. Außerdem war Joy Division damals noch nicht so groß wie jetzt. In Manchester und London waren sie zwar schon relativ groß, aber in Huddersfield oder Leeds zum Beispiel hätten sie gerademal 100 Leute zusammentrommeln können. Selbst als Ian starb, erschien die Story in den Manchester Evening News gerade mal als kurzer Absatz auf Seite 8 – es war einfach keine große Story. Deshalb hatte ich nur einen geringen Output für die Bilder und konnte es mir nicht erlauben Fotos zu machen, die keiner veröffentlichen wollte oder konnte.
(smow)blog: Die Fotos, die du gemacht hast, sollten ja später die Band Joy Divison definieren. Hattest du denn beim Fotografieren eine Art „größeres Konzept“ im Kopf?
Kevin Cummins: Ich denke, ich habe versucht ihren Sound in den Bildern einzufangen. Wenn man sich zum Beispiel das Foto ansieht wo sie im Schnee auf der Epping Walk Bridge stehen; da ist ja sehr viel Raum und es ist sehr düster… Man weiß einfach genau wie die Band klingt, wenn man sich das Foto ansieht. Es ist eben kein Bild von Take That!
(smow)blog: Und dann kam New Order und die ersten Farbfotos in Washington DC. Wieso hast du dich denn dazu entschlossen, von Schwarz-Weiß-Fotos abzukommen?
Kevin Cummins: Der Hauptgrund wieso ich die Fotos in Farbe gemacht habe war der, dass ich das Gefühl hatte, es würde einen neuen Optimismus in der Band geben. Das war einige Jahre nach Ians Tod und der Sound der Band begann sich zu ändern; er entfernte sich von diesem ernsten Manchester-Sound und sie fingen so langsam an mit Leuten wie Arthur Baker zu arbeiten und einen tanzbareren Sound in ihre Musik zu bringen. Deshalb wollte ich Fotos machen, die diese Art Wiedergeburt zeigen, also schlug ich dem Herausgeber von NME vor, in Farbe statt in schwarz-weiß zu fotografieren, obwohl wir zu dieser Zeit nur ein paar wenige Seiten in Farbe druckten. Die Idee war „die Engländer in Amerika“; die Pool-Kulisse ist fast eine Hommage an David Hockney, aber immernoch mit Fokus auf den Gesichtern, wie ich es schon immer gemacht habe. Außerdem haben wir die Filmstreifen an den Seiten gelassen, um dem Ganzen dieses Amerika- oder Hollywood-Feeling zu geben.
(smow)blog: Das bringt uns zu unserer eigentlichen Frage: Hast du das Gefühl als Fotograf einen Einfluss auf die Karriere eines Musikers oder einer Band zu haben?
Kevin Cummins: Ich glaube, das kann man auf jeden Fall. Wenn man mit Musikern zusammenarbeitet und vor allem wenn man das regelmäßig tut, kann man sie jedes Mal, wenn man sie fotografiert, eine Ebene höher bringen, auch wenn Musiker das nicht immer so sehen. Die meisten Bands glauben, dass sie ihren Fortschritt selbst kontrollieren können, aber wenn man mit einem Fotografen zusammenarbeitet, der deinen Sound und das, was du tust, versteht, kann er dich wie gesagt mit jedem Foto eine Stufe höher bringen. Es gibt eine Beziehung zwischen dem Bild und der Musik. Man ist nicht in einer Band, wenn man kein Selbstvertrauen hat und fotografiert werden möchte; ein Fotograf kann einem also bei der Entwicklung helfen, wenn es ein sympathischer Look ist. Ich werde keine Band vorsätzlich in einem schlechten Licht dastehen lassen, ich möchte ja auch dass die Fotos eine Art Vermächtnis werden.
(smow)blog: Vermächntnis ist ein gutes Stichwort zum Schluss. Du hast sowohl Fotos von Live-Auftritten als auch Portraits geschossen. Bevorzugst du als Fotograf Live-Shots oder eher ruhige Aufnahmen, also Portraits oder inszenierte Aufnahmen?
Kevin Cummins: Portraits, weil ich gerne ein Image erschaffen will. Ich glaube, wenn man ein ganzes Konzert fotografieren kann, kann man auch daraus was machen, aber letztlich braucht man für ein karrierewirksames Bild einer Band ein Portrait. Ich denke, mit Joy Division, vielleicht auch New Order und auf jeden Fall mit den Stone Roses habe ich das erreicht.
New Order – An exhibition featuring works by Peter Saville and Kevin Cummins ist noch bis zum 4. Juli 2012 im .hbc Berlin zu sehen.
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