144. Geburtstage gehören zwar nicht gerade zu den Gelegenheiten, die man zelebriert, aber Charles Rennie Mackintosh lässt sich so schön mit vielen Themen verknüpfen, die wir in den letzten Wochen beleuchtet haben, dass wir den Anlass einfach nicht übergehen können.
Am 7. Juni 1868 in Glasgow geboren, lernte Charles Rennie Mackintosh zunächst beim Architekten John Hutchinson, bevor er 1889 zum größeren Unternehmen Honeyman & Keppie wechselte.
1890 wurde er mit seinem ersten Soloprojekt beauftragt: Er sollte eine Erweiterung für die Rückseite des Bürogebäudes des Glasgow Heralds in der Buchanan Street entwerfen. Diesem Projekt folgten bald Beiträge für die Martyrs‘ Public School und das Queen Margaret Medical College.
1896 erhielten Honeyman & Keppie den Auftrag für den Bau der neuen Glasgow School of Art – mit einem Design, das größtenteils von Mackintosh entworfen wurde. Der Bau begann 1898 und bereits ein Jahr später öffneten sich die Türen eines Gebäudes, das auch heute noch zu den interessantesten Häusern in Glasgow zählt. Die Kunsthochschule mit dem hohen Wiedererkennungswert ist ein Paradebeispiel für Mackintoshs architektonisches Werk.
1898 war für Charles Rennie Mackintosh auch deshalb ein besonderes Jahr, weil er seinen ersten Auftrag für die bald legendäre Miss Cranston ausführte. Zu jener Zeit handelte es sich lediglich um eine Reihe Wandschablonen, doch im Laufe des nächsten Jahrzehnts entwarf Mackintosh die Innenräume für alle vier Teezimmer von Miss Cranston. Dank dieses Auftrags wurde er nicht nur zu einem der ersten richtigen Innenarchitekten, sondern er entwarf auch eine Reihe von Möbeln, deren Form und Ästhetik auch heute noch begeistert. Der Willow Chair und der Argyle Chair sind wahrscheinlich zwei der bekanntesten Beispiele. Der Willow Tea Room ist inzwischen eine Touristenattraktion, die amerikanischen Besuchern Schutz vor dem allgegenwärtigen Glasgower Regen bietet bevor sie wieder in den Zug nach Edinburgh steigen.
Neben Teezimmern und Kunstschulen war Charles Rennie Mackintosh noch verantworlich für verschiedene Privathäuser. Das berühmteste unter ihnen ist das Hill House in Helensburgh, wo er nicht nur das festungsartige Gebäude entwarf, sondern auch für das Inventar, die Einrichtung und die Dekoration zuständig war. Der Hill House Chair zählt auch heute noch zu den Ikonen des Möbeldesigns, und Projekte wie das Hill House verhalfen Mackintosh noch einmal zu einem Höhenflug im Zuge des kurzen historischen Revivals britischen Designs in den 1950er Jahren.
Über sein Talent für Architektur und Design hinaus, war Charles Rennie Mackintosh auch ein produktiver und überaus geschickter Maler. So waren vor allem seine späteren Jahre von künstlerischen Bestrebungen geprägt.
Charles Rennie Mackintosh starb 1928 in London.
Mackintosh war nicht nur in Großbritannien hochangesehen und respektiert. Als eine der führenden Persönlichkeiten des Arts-and-Crafts-Movements reichte sein Einfluss noch weit über die Grenzen seines Heimatlandes hinaus. So veröffentlichte Herman Muthesius, seiner Zeit Kulturattaché der Deutschen Botschaft in London, verschiedene Artikel in führenden deutschsprachigen Zeitungen jener Zeit, in denen er Mackintosh und die Schönheit seiner Arbeit, insbesondere seiner Teezimmer, anpries. Dieses Lob blieb von der aufkeimenden Jugendstilbewegung natürlich nicht unbemerkt…
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahre 1904 stand Hermann Muthesius auch weiterhin in engem Kontakt mit Mackintosh. Als Mitbegründer und späterer Vorstand des Deutschen Werkbunds hatte er genügend Gelegenheiten Mackintoshs Ideen auf dem Kontinent weiter zu verbreiten.
Eine kleine Randbemerkung: Die ständigen Streitereien zwischen Hermann Muthesius und Henry van de Velde und Walter Gropius forcierten mehr oder weniger den Bruch des Werkbunds, der zur Gründung des Bauhauses führte. „Kein Mackintosh, kein Bauhaus“ ist historisch gesehen zwar falsch, aber nichtsdestotrotz ein sehr interessanter Gedanke…
Auch die Niederländer sahen, was zur Jahrhundertwende auf der anderen Seite der Nordsee passierte. Deshalb findet man auch viele Elemente aus Mackintoshs Arbeit in Objekten der De-Stijl-Bewegung wieder. Einige Vorläufer des Rot-Blauen Stuhls von Gerrit Rietveld ähneln in ihrer Formensprache und dem technischen Aufbau tatsächlich sehr den Stühlen, auf denen Miss Cranstons Gäste ihren Tee und ihr Gebäck genossen.
Mies van der Rohe bezeichnete Charles Rennie Mackintosh angeblich mal als „Bereiniger der Architektur“. Das kann durchaus sein. Auf jeden Fall hat er durch seinen Ansatz, Objekte auf ein Minimum zu reduzieren ohne dabei dekorative Elemente zu vernachlässigen, dazu beigetragen, dass man sich schneller vom Historizismus entfernt hat. Mackintosh schuf sozusagen eine Umgebung, die für den Modernismus empfänglich war – und unserer bescheidenen Meinung nach leistete er damit einen wichtigen Beitrag zur zeitgenössischen Architektur und zum zeitgenössischen Design.
Happy Birthday, Charles Rennie Mackintosh!
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