Wenn man mit irgendjemandem über Design und die Möbelindustrie in Großbritannien spricht, kommt man ganz schnell zu dem Schluss, dass die Britischen Inseln zwar eine beneidenswerte Menge an Designtalenten beheimaten, aber über kaum Hersteller für qualitativ hochwertige, zeitgenössische Möbel verfügen. Oder zumindest nicht mehr…
Während es beispielsweise bei „British Design 1948-2012. Innovation in the Modern Age“ im V&A Museum London für die früheren Jahre jede Menge Beispiele von in Großbritannien hergestellten Möbeln gibt, sind diese in späteren Jahre kaum noch zu finden. Großbritannien ist eben, wie Edward Barber es so schön auf den Punkt gebracht hat, eine postindustrielle Nation von Immobilenmaklern und Bänkern. Es gibt aber immer noch ein paar wenige tapfere Fußsoldaten, die noch für die gute Sache kämpfen, so wie SCP in London.
1985 von Sheridan Coakley gegründet, war SCP das erste Unternehmen, das Jasper Morrisons Arbeiten kommerziell produziert hat. Außerdem gaben sie einem jungen Absolventen des Royal College of Art, der damals in Morrisons Londoner Studio arbeitete, seinen ersten Vertrag: Konstantin Grcic.
Im Laufe des letzten viertel Jahrhunderts haben SCP nicht nur weiterhin mit britischen Designkoryphäen wie Tom Dixon oder James Irvine zusammengearbeitet, sondern auch eine beeindruckende Liste junger Designer aufgebaut, darunter Gareth Neal, Donna Wilson und Peter Marigold.
Mit dem Fokus auf „traditionellem Handwerk“, werden SCP zwar nie für die großen Innvovationen zuständig sein, aber genau wie für Rui Alves ist das auch nicht wirklich ihr Ziel. Ihr Ziel ist es, wie sie selbst sagen, „…funktionale und schöne Produkte für die Ewigkeit herzustellen.“ Und das machen sie wirklich gut.
Deshalb haben wir uns im Rahmen unserer kleinen, wenn auch völlig unwissenschaftlichen Forschung zum aktuellen Zustand der britischen Design- und vor allem Möbeldesignindustrie mit Sheridan Coakley bei MOST Salone in Mailand getroffen, um seine Sicht zum aktuellen und zukünftigen Potential der zeitgenössischen Möbelproduktion in Großbritannien zu hören.
(smow)blog: Wenn man sich British Design im V&A ansieht findet man sehr wenige Möbel, die nach Mitte der 1960er in Großbritannien produziert wurden. Gehört ihr zu einer aussterbenden Gattung?
Sheridan Coakley: Wir sind eine Gattung, die schon längst ausgestorben ist! Die britische Möbelproduktion starb nach dem Krieg und erholte sich nie wieder richtig. Die Industrie wurde durch den Krieg stark dezimiert und die überlebenden Firmen haben nur deshalb überlebt, weil sie wie ein großer Teil der britischen Industrie glaubten, der einzige Weg konkurenzfähig zu bleiben, wäre möglichst billig zu produzieren. Es war natürlich ein fataler Fehler zu versuchen, mit billigen Herstellern aus dem Osten zu konkurrieren. Als sie dann realisierten, dass das ein völlig falscher Weg war, gab es nur noch die Option, auf Nischen auszuweichen. Deshalb haben diejenigen überlebt, die sich spezialisiert haben. Es gibt immer noch ein paar Unternehmen, die beispielsweise mit der Fertigung von Büromöbeln beauftragt werden, aber im Allgemeinen glaube ich, dass die britische Möbelproduktion weg ist, was natürlich wirklich schade ist.
(smow)blog: Du hast SCP ja 1985 gegründet. Würdest du im Rückblick auf die letzten Jahre sagen, dass es als britischer Hersteller einfacher oder schwerer geworden ist?
Sheridan Coakley: Für uns wird es leichter, aber das liegt hauptsächlich an unserer Erfahrung. Außerdem sind moderne Möbel in Großbritannien heute eher die Norm als zu der Zeit als ich damit anfing. Damals ging es hauptsächlich um Sofas mit Schabracken und Nachbauten von Antiquitäten; Akademiker kauften Antiquitäten, weil ihnen die Idee gefiel, so zu tun als hätten Sie Möbel geerbt. Es war die Zeit des warmen Bieres und des Crickets… Doch seither hat sich vieles verändert und heute sind moderne Möbel beliebter und werden öfter gekauft.
(smow)blog: Was erwartet uns noch in Zukunft?
Sheridan Coakley: Die Designindustrie ist sehr stark, das war sie schon immer. So lange ich darin involviert bin, waren britische Designer immer ganz vorne mit dabei, so zum Beispiel Jasper Morrison, Tom Dixon, Barber Osgerby, usw. Doch weit wichtiger ist, dass sich in der Regierung endlich ein Verständnis gebildet hat, dass Produktion eine gute Sache ist. Vor 10 Jahren war die Produktion noch etwas schlechtes und wir sollten alle lieber was anderes machen. Von daher besteht langfristig gesehen ein Hoffnungsschimmer, dass sich die Branche wieder aufrappeln wird. Sieh dir zum Beispiel die Formel 1 an: Sie wird zurzeit völlig von britischer Technik und hochspezialisierter Produktion dominiert.
(smow)blog: Heißt das, dass ihr überhaupt keine Probleme dabei habt, Partner in Großbritannien für die Herstellung eurer Produkte zu finden oder ist das doch ein Problem?
Sheridan Coakley: Wir haben unseren eigenen Polstereibetrieb, der, als wir ihn übernommen haben, gerade mal vier Angestellte hatte – heute sind es immerhin zwanzig. Holzmöbel in Großbritannien günstig zu bekommen ist ziemlich schwierig und das wird auch so bleiben bis die Firmen massiv in neue Maschinen investieren. Im Allgemeinen muss man einfach losgehen und sich Partner suchen. Wir arbeiten zum Beispiel viel mit Textilien, die in Wales gewoben werden oder unsere Keramik wird in Stoke-on-Tent hergestellt. Die Firmen, mit denen wir arbeiten, sind in gewisser Weise die letzten ihrer Art, viele wachsen aber sogar wieder zu starken kleinen Unternehmen heran. Das liegt hauptsächlich daran, dass es so wenig echten Wettbewerb gibt. Es gibt noch gewisse Dinge, die wir nie tun können werden, doch da wo es moderne Technologie, Spezialtechnik oder traditionelles Handwerk gibt, sehe ich eigentlich keine größeren Probleme.
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