Am 3. Mai wurde die Ausstellung „Bauhaus: Art as Life“ in der Barbican Art Gallery London eröffnet. In Kooperation mit dem Bauhaus Archiv Berlin, der Stiftung Bauhaus Dessau und der Klassik Stiftung Weimar organisiert, zeigt „Bauhaus: Art as Life“ ungefähr 450 Arbeiten von Künstlern, wie Marianne Brandt, Wassily Kandinsky, Marcel Breuer, Walter Gropius usw., und ist damit die erste große Bauhaus-Ausstellung in Großbritannien seit 1968.
Bald wird noch ein Post über die Ausstellung als Ganzes folgen, für den Moment gibt es unser Interview mit der Bauhaus Archiv Berlin Direktorin, Dr. Annemarie Jaeggi, zu lesen, mit der wir vor der offiziellen Eröffnung über die Ausstellung und die Rolle vom Bauhaus im Vereinigten Königreich gesprochen haben.
(smow)blog: Zuerst zum Hintergrund: Haben die drei Bauhaus Institutionen das Barbican mit der Idee zur Ausstellung angesprochen oder kam das Barbican auf Sie zu?
Dr. Annemarie Jaeggi: Das Barbican kam 2009 während der Ausstellung „Modell Bauhaus“ in Berlin mit der Anfrage auf uns zu, ob es möglich wäre entweder diese oder eine andere Bauhaus-Ausstellung 2012 in London zu zeigen.
(smow)blog: Die Entscheidung fiel schließlich auf eine andere Ausstellung. Warum wurde nicht einfach die Ausstellung von 2009 nach London gebracht?
Dr. Annemarie Jaeggi: „Modell Bauhaus“ war eine sehr teure Ausstellung und für das 90-jährige Jubiläum des Bauhauses gedacht. Und auch wenn sie in reduzierter Form nach New York ging, erwies sich die Ausstellung als nicht besonders praktikabel für ständige Leihgaben – nicht zuletzt, weil die Objekte aus verschiedenen Quellen stammten und es für uns nicht möglich gewesen wäre, diese als dauerhafte Leihgabe zu halten.
Also dachten wir „Ok, machen wir die Dinge etwas anders“ und so haben wir als die drittgrößte Bauhausinstitution unsere Sammlung für das Barbican zugänglich gemacht, das die Ausstellung dann selbst kuratiert hat. Am Ende waren ungefähr 70 % der Exponate aus Dessau, Weimar und Berlin und ungefähr 30 % stammen aus der englischen Sammlung, einige Objekte sind außerdem Leihgaben zum Beispiel vom Centre Pompidou, MoMa New York oder Zentrum Paul Klee in Bern.
(smow)blog: Eine Bauhaus-Ausstellung in Großbritannien wirft eine Reihe auf der Hand liegender Fragen auf. Zuerst, Ihrer Meinung nach, hat die Arts and Crafts Movement eine Rolle bei der Etablierung des Bauhauses gespielt oder gibt es da keine wirkliche Verbindung.
Dr. Annemarie Jaeggi: Ich bin nicht davon überzeugt, dass das eine Rolle gespielt hat. Arts and Crafts war sehr wichtig für die Wiederentdeckung von traditionellem Handwerk, insbesondere einer qualitativ hochwertigen und reinen Form des Handwerks. Und das hatte einen großen Einfluss auf Deutschland, was Jugendstil und den Deutschen Werkbund betrifft. In dieser Periode kam also ein Impuls aus England. Jedoch denke ich, traf dieser weniger das Bauhaus, da diese Bewegung viel mehr von der Situation in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg beeinflusst worden war. Natürlich gibt es bei allen Strömungen Gemeinsamkeiten, weil sie alle handwerkliche Elemente beinhalten und Handarbeit als Werkzeug verstehen, um zu lernen, wie man mit verschiedenen Materialien arbeiten kann, was möglich ist und wo die Grenzen eines Materials liegen. Außerdem verfolgen alle die Idee eines ehrlichen Materialgebrauchs – dass man also nicht gegen die Eigenschaften eines Materials arbeiten sollte. In diesem Sinne könnte man durchaus sagen, dass es da Parallelen gibt.
Aber was Bauhaus schließlich zu dem gemacht hat, wofür wir es heute kennen, kommt aus einer andere Richtung, nämlich Designer auszubilden oder, um die Sprache der Zeit zu nutzen, Formgestalter auszubilden, die mit und für die Industrie arbeiten. An diesem Punkt trennen sich Arts and Crafts und Bauhaus.
(smow)blog: Wenn wir das richtig verstanden haben, hatte das Bauhaus also keinen nennenswerten Einfluss auf das Vereinigte Königreich. Für uns könnte man fast von Großbritannien als dem Land sprechen, das das Bauhaus vergessen hat. Ist das der Fall?
Dr. Annemarie Jaeggi: Mittlerweile sieht man das etwas anders. Früher galt es als unbestritten, dass das Bauhaus in Großbritannien nur eine kleine, wenn nicht gar keine, Spur hinterlassen hat – dass die Bauhäusler, die nach Großbritannien emigriert sind, etwas zu früh kamen. England war damals fest verwurzelt in seiner eigenen Tradition und der Wechsel zur Moderne erfolgte nur sehr zögerlich und wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges nicht wirklich vollzogen. Wie auch immer, heutzutage gibt es diesen Hang dazu, immer nur auf die prominenten Bauhäusler zu blicken. Aber was ist mit den vielen anderen, weniger bekannten, die Deutschland verlassen mussten? Solche, die im Vergleich zu Walter Gropius oder Marcel Breuer an einigen von Englands wichtigsten Colleges gelehrt haben, und deren Beitrag zur britischen Kunst und dem Design erst nach 1945 bemessen werden konnte. Das ist ein Thema, das bis heute nicht vollständig erforscht wurde, aber was hoffentlich weiter, idealerweise mit britischen Institutionen zusammen, untersucht werden wird.
(smow)blog: Und in diesem Kontext kann die Ausstellung als guter Ausgangspunkt für eine tiefergehende Studie über die Beziehung zwischen Großbritannien und dem Bauhaus gesehen werden?
Dr. Annemarie Jaeggi: Ja, es ist eine wundervolle Gelegenheit deutlich zu machen, welche Gebiete einer intensiveren Auseinandersetzung bedürfen – einschließlich Gebieten von speziellem historischen Interesse für Großbritannien. Und ich hoffe, dass die Ausstellung einen kleinen Impuls in diese Richtung geben kann.
(smow)blog: Noch kurz zum Schluss, wie schon gesagt, war „Modell Bauhaus“ nicht als Wanderausstellung geeignet. Ist „Bauhaus Art as Life“ besser dafür geeignet? Könnte die Ausstellung potentiell zur Wanderausstellung werden?
Dr. Annemarie Jaeggi: Ich denke nicht. Viele der Objekte hier sind sehr empfindlich. Wir haben zum Beispiel eine unglaublich große Menge von Ausstellungsstücken auf Papier, die sehr lichtempfindlich sind. Außerdem muss man bedenken, dass die Stücke 80 oder 90 Jahre alt sind und das Papier, das damals benutzt wurde, war wirklich von schrecklicher Qualität; die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg waren sehr harte Jahre und die Qualität des Papiers spiegelt genau das wieder. Die Textilien zum Beispiel wurden außerdem noch mit natürlichen Farbstoffen gefärbt – und die verblassen natürlich ziemlich schnell unter Lichteinfluss. Und so bevorzugen wir es, eine große Ausstellung alle zwei oder drei Jahre an einem Ort zu veranstalten und wollen nicht die Risiken von Wanderausstellungen auf uns nehmen.
(smow)blog: Das heißt, die Ausstellung hier bietet eine einmalige Gelegenheit, die Auswahl der Objekte in dieser Form, an einem Ort zu sehen?
Dr. Annemarie Jaeggi: Ja. Und die letzte große Bauhaus-Ausstellung in London war 1968… Es ist also etwas einzigartiges und sehr besonders.
Bauhaus „Art as Life“ ist noch bis zum 12. August 2012 in der Barbican Art Gallery London zu sehen.
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