Jeder, der irgendwas mit Designermöbeln zu tun hat, wird bestätigen, dass die Branche eine sehr geheimnisvolle alte Welt für sich ist. Sie wird in ihrer Heimlichkeit wahrscheinlich nur noch von den Freimaurern, päpstlichen Konklaven oder dem Ausschuss, der die Benzinpreise festlegt, übertroffen.
Schon allein mit der Aussage, dass man gehört hat, Designer X ziehe eventuell eine zukünftige Zusammenarbeit mit Hersteller Y in Betracht, riskiert man ein langes Verhör durch einen Produktmanager, der einen ausfragt, wer einem eigentlich was erzählt hat. Das Ganze wird sogar noch heimlichtuerischer, wenn es um Produktionsprozesse und technische Belange geht…
Deshalb finden wir es umso toller, dass das Vitra Design Museum letztes Jahr Videokameras in der Fabrik erlaubt hat, in der ihre Miniaturensammlung gefertigt wird. Wie die Area 51 ist nämlich auch das ein Ort, den es offiziell gar nicht gibt – und das trotz des kommerziellen Erfolgs der Produkte, die dort hergestellt werden.
1992 vom Gründungsdirektor des Vitra Design Museums, Alexander von Vegesack, primär als Plattform zur Kapitalbeschaffung für das Museum ins Leben gerufen, wuchs die ursprüngliche Serie von einem halben Dutzend Miniaturen im Laufe der Zeit zu einer stolzen Sammlung von über 100 Modellen von Designklassikern an – alle im Maßstab 1:6. Neben etablierten Vitra-Klassikern wie dem Panton Chair, George Nelsons Coconut Chair oder der nahezu vollständigen Eames-Sammlung umfasst die Sammlung auch viele der bedeutendsten Stücke des Möbeldesigns wie den Barcelona Sessel von Mies van der Rohe, Hans J. Wegners Y-Stuhl oder Alvar Aaltos Paimio 41.
Der 20. Geburtstag der Miniaturensammlung des Vitra Design Museums wird während der Mailänder Möbelwoche 2012 mit einer Sonderausstellung gefeiert. Unter dem Titel Dimensions of Design sind im Hugo Boss Flagship-Store in der Mailänder Innenstadt 100 Miniaturen des Vitra Design Museums und eine wunderbare „Geburtstagstorte“ zu sehen. Man kann bei der Ausstellung nicht nur das Können der unsichtbaren Handwerker und Handwerkerinnen, die die Miniaturen kreieren, bewundern, sondern sie dokumentiert die Geschichte des Möbeldesigns auch auf wunderbare Weise und stellt noch dazu einen beruhigenden Ausgleich zum Wahnsinn Mailands dar. Hier sieht man noch Stühle, die wirklich von Bedeutung sind…
Und dann ist da noch die oben erwähnte filmische Dokumentation. Vom Studio Rygalik für das Vitra Design Museum produziert, gewährt der Film einen seltenen, wenn auch etwas kurzen, Einblick in die präzisen Prozesse bei der Fertigung der Miniaturen (man sollte auf keinen Fall den Bau des Marshmallow Sofas verpassen – einfach genial!). Dabei unterstreicht er wunderbar wie viel Sorgfalt, Professionalität und Innovation beim Bau jeder einzelnen Miniatur zum Tragen kommt.
Wie wir von den Direktoren des Vitra Design Museums Mateo Kries und Marc Zehntner gelernt haben, ist jeder Stuhl nicht nur eine perfekte 1:6-Ausgabe des Originals, für das Lizenzgebühren an den Rechtsinhaber gezahlt werden, sondern es werden auch, falls erforderlich, für jedes Modell spezielle Werkzeuge, Formen und Prozesse entwickelt. Darauf gründet auch der weltweite Erfolg der Miniaturensammlung des Vitra Design Museums. Und das ist auf jeden Fall etwas, was nicht geheim gehalten werden sollte…
Dimensions of Design. 20 Years of Vitra Design Museum Miniatures kann noch bis zum 22. April 2012 im Hugo Boss Menswear Store, Corso Matteotti 1, 20121 Mailand besucht werden.
Vitra Design Museum Miniaturensammlung. Film von Studio Rygalik © Vitra Design Museum.
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