Im September präsentierte droog im Rahmen des Projekts Fantastical Investments einen diamantenbesetzten Autoreifen. Wir befürchten, die lieben Leute von der ECAL/University of Art & Design Lausanne könnten das Projekt da ein klein wenig zu wörtlich genommen haben, denn dort kann man seinen Master of Advanced Studies (MAS) in – man kann es kaum glauben – Luxus und Design machen! Hallo? Luxus und Design?
Vergesst also alles, was ihr in unserem Post „Warum Gestalten?“ @ HFBK Hamburg gelernt habt. Oder lieber nicht…
In der Kursbeschreibung bezeichnet die ECAL die Schweiz als Vorreiter für Exklusiv- und Luxusgüter. Diese Beauptung lässt im (smow)blog HQ tausend Alarmglocken schrillen und entlarvt den Kurs unserer Ansicht nach als wenig mehr als den Versuch der Schweizer Hersteller, deren Erfolg ja auf ihrem Ruf begründet ist, qualitativ besonders hochwertig zu sein, ihre Marke durch das Anpreisen der „Schweizer Qualität“ zu erweitern – egal, ob sie wirkliche Qualität bieten oder nicht. Daher vermuten wir, dass die Definition der ECAL von Luxus sich stark auf den Preis und entsprechende Assoziationen bezieht. Ein kurzer Blick auf den ein oder anderen „Industriepartner“ würde wahrscheinlich unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigen. Wir werden hier lieber nicht ins Detail gehen, immerhin lesen Anwälte diesen Blog…
Wir haben prinzipiell kein Problem mit Unternehmen, die mit jungen Designern zusammenarbeiten, um zu sehen, welche Ergebnisse, welche neuen, innovativen Formen oder Methoden für die Marke entwickelt werden können. Dies ist ein zentraler Bestandteil von Passionswege auf der Vienna Design Week. Und Passionswege ist für uns immer ein Highlight auf der Vienna Design Week.
Wir haben aber sehr wohl ein Problem damit, wenn Hochschulen 8000,- Schweizer Franken für einen neunmonatigen Kurs verlangen, der Themen wie „Traditionelles Know-How“ oder „Luxus und Einrichtung“ beinhaltet, aber nicht das Modul „Gibt es Luxus?“. Wahrscheinlich, weil es ihn nicht gibt… Es handelt sich dabei doch nur um einen Marketing-Begriff wie „kontrollierter Anbau“ oder „qualitätsgeprüft“, der von Immobilienmaklern und all jenen geliebt wird, für die ihre Verkaufsprovision wichtiger ist, als dem Kunden etwas zu verkaufen, das tatsächlich gut ist.
Wir würden behaupten, dass es durchaus qualitativ hochwertige Produkte gibt, die aufgrund ihres Materials und ihrer Fertigungsweise so teuer sind; Produkte, die von einer breiten Bevölkerungsgruppe begehrt sind und aufgrund ihrer unvermeidlichen Unerreichbarkeit das beliebte „Luxus“-Label tragen. Und dann gibt es da diese auffällig geschmacklosen, extravaganten Teile, die die meisten von uns wahrscheinlich mit neureichen Russen und Fußballern assoziieren. Ja, man kann sein Auto verchromen lassen, aber das zeigt nur, dass man ein geschmackloser Schnösel ist, der am besten gemieden werden sollte. In unserer modernen, schnellen, medienbestimmten Welt verwischen Marketing-Fuzzis gerne diese Grenzen. So werden hohe Preise oft mit Qualität und das bloße Image mit dem Wesentlichen verwechselt. Deshalb wird in dieser Welt beispielsweise auch das Bauhaus eher mit „Luxus“ gleichgesetzt als mit dem Versuch, unsere Herangehensweise an kreative und produktive Branchen zu verändern.
Die Ergebnisse dieser Realitätsverzerrung sind sichtbar auf jeder Möbelmesse bei Herstellern scheußlicher Ledersofa-Ensembles oder geschmackloser Regale, die mit leeren Floskeln wie „Luxus für Ihr Wohnzimmer“ oder „Harmonie für Ihr Zuhause“ angepriesen werden. Wohingegen Möbelhersteller, die wirkliche Qualität zu bieten haben, das Wort „Luxus“ nie benutzen würden. Das müssen sie auch gar nicht: Sie bieten nämlich Qualität. Und das ist letztlich doch das, was wir alle wirklich wollen – ganz egal, ob bei Möbeln, Autos, Beziehungen, Hotels oder unserem Mittwochabend-Döner und -Bier…
Man kann den Kurs natürlich auch als Antwort auf die zurzeit raue Realität der Designer sehen und als Möglichkeit, Produkte zu diversifizieren und mit einem höheren Verkaufspreis herzustellen. Wir verstehen aber einfach nicht, wieso ein Designer einen Studienkurs für notwendig erachten sollte, um das zu erreichen. Wir haben heute ungefähr Tausend Szenarien durchgespielt, doch für uns bleibt das ganze einfach nur erschreckend…
Um fair zu bleiben, müssen wir sagen, dass wir bis jetzt mit niemandem gesprochen haben, der in das ganze involviert ist, weder Studenten, Dozenten oder Industriepartner. Doch wir werden es tun, denn wir möchten einfach mehr darüber wissen, die Motivation verstehen… Und fragen: Warum? Und für wen?