Vor einigen Jahren saßen wir eines Freitagabends in der Küche der Berge von Moormann in Aschau im Chiemgau als Nils Holger Moormann freudestrahlend hereinkam.
Er kam gerade mit einem „Deutschen Designpreis“ in Gold fürs Berge in der Tasche von der Designpreisverleihung zurück und schwärmte nun davon, dass der Gewinn des Designpreises der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen Designpreisen so ist, als würde man olympisches Gold gewinnen.
Vielleicht hat er ihn auch nicht wirklich mit den Olympischen Spielen verglichen – unsere Erinnerung daran kann auch etwas verschwommen sein -, doch es bedeutete auf jeden Fall ein großes Lob. Und er strahlte bis über beide Ohren.1969 ins Leben gerufen, ist der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland der offizielle nationale Designpreis des Landes und wurde bisher im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom Rat für Formgebung verwaltet und organisiert. Ab 2012 soll DMY Berlin diese Aufgaben übernehmen – offenbar eine recht umstrittene Entscheidung.
Bei der ersten Pressekonferenz hat Hans-Joachim Otto, der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, mehrfach betont, dass die Entscheidung DMY mit dem Wettbewerb zu betrauen, keinesfalls eine Beleidigung gegenüber dem Rat für Formgebung darstellen solle. Das tat er mit einer Bestimmtheit und unmissverständlichen „hör ganz genau zu“-Deutlichkeit, die darauf schließen ließ, dass sich jemand gewaltig vor den Kopf gestoßen gefühlt hat.
Ob sich der Rat für Formgebung tatsächlich beleidigt fühlt, kann man vielleicht am besten daran sehen, dass sie ihren eigenen Wettbewerb ins Leben gerufen haben: den German Design Award. Oder wie wir solche Entscheidungen verstehen: „Wenn wir kein Stürmer sein können, nehmen wir unseren Ball eben mit nach Hause und spielen alleine“.
Soweit wir das beurteilen können, ist es nicht gerechtfertigt, dass der Rat für Formgebung seinen eigenen Wettbewerb startet. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das zu Missmut führt und eine klar definierte Einordnung der derzeitigen Designqualität in Deutschland im Rest der Welt verhindert, woran der Rat für Formgebung rein theoretisch ebenfalls interessiert sein sollte.
Und nicht nur der Rat für Formgebung scheint durch die Entscheidung verstimmt zu sein. Ein Kollege wirkte auf der Pressekonferenz sehr sehr verärgert darüber, dass der Rat für Formgebung nicht länger die Organisation innehat. Sofern wir das richtig verstanden haben, lag das wohl daran, dass er Angst hatte, der Wettbewerb könnte zu kommerziell werden und irgendwie seine bisherige Reinheit verlieren.
Ohne die Kompetenz unseres Kollegen in Sachen deutsches Design offen anzweifeln zu wollen – denn wir fürchten, das könnte damit enden, dass wir winselnd und mit eingezogenen Schwänzen in den Wald flüchten -, so sollte er vielleicht mal einen Blick auf die Teilnahmebedingungen des Wettbewerbs werfen, als er noch vom Rat für Formgebung organisiert wurde und sich dann fragen, wieso der Rat für Formgebung sich dazu gezwungen fühlte, seinen eigenen Wettbewerb ins Leben zu rufen? Mal abgesehen von Neid und verletztem Stolz… Außerdem sollte er etwas kritischer beäugen, wie der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland in letzter Zeit unter der Leitung des Rates für Formgebung vergeben wurde. Das hat das Wirtschaftsministerium auf jeden Fall getan…
Beim Versuch das Konzept des Rates neu auszurichten, ließ der Parlamentarische Staatssekretär auch verlauten, dass das Ministerium der Ansicht war, dass das Abhalten der Preisverleihungszeremonie während der Ambiente nicht die erforderliche Resonanz gebracht hat.
So sieht’s aus.
Nichts gegen die Frankfurter Messe, aber die Ambiente ist einfach keine Designmesse, sondern eine Messe für Wohnaccessoires und Geschenke. Am meisten mit Design zu tun, haben dort wahrscheinlich die Tapeten – mit Grafikdesign…
Der in Frankfurt ansässige Rat für Formgebung scheint oft nicht in der Lage über die Ufer des Mains hinauszudenken. Beispielsweise besteht der Stiftungsrat für das neue Deutsche Design Museum, das eigentlich für Berlin geplant ist, ausschließlich aus Frankfurtern. Das liegt vermutlich daran, dass der Rat für Formgebung keine kompetenten Leute kennt, die in Berlin wohnen.
Hätten sie von einem Designfestival in Berlin gewusst, hätten sie die Kooperation vermutlich früher begonnen und ihre Preisverleihung und -ausstellung zumindest parallel zum oder direkt beim DMY Festival veranstaltet. Das hätte auf jeden Fall ein größeres Medienecho hervorgerufen als die Teller, Handtuchhalter und Maniküreprodukte der Ambiente.
Was die Medienwirksamkeit betrifft, braucht man nur einmal den Umfang unserer Berichterstattung hier betrachten und dann googeln, wer noch darüber berichtet…
Wir vermuten mal, dass die Verehrung alles Hessischen durch den Rat für Formgebung mit ein Grund dafür war, wieso der Vertrag DMY zugesprochen wurde. Wenn das tatsächlich der Fall ist, können sie sich nur selbst die Schuld in die Schuhe schieben. Wir jedenfalls begrüßen die Entscheidung, DMY Berlin mit der Organisation des Wettbewerbs betraut zu haben.
Bei der Pressekonferenz hörten wir die Bezeichnung „Generationswechsel“, die wir überaus passend finden. Viele Menschen haben Angst vor Generationswechseln, doch sie sind wichtig, wenn eine Organisation, ein Event oder eine Beziehung sich entwickeln und zukünftige Herausforderungen meistern muss.
Wenn man so oft mit jungen und alten, etablierten und weniger etablierten deutschen Designern spricht wie wir, hört man oft die Kritik, dass die bestehenden Designinstitutionen Deutschlands sich zu sehr auf die „gute Form“ konzentrieren und noch immer in einer Welt agieren, in der Dieter Rams bestimmt, was deutsches Design überhaupt ist. Außerdem verbringen sie viel Zeit damit, Designern zu sagen, was sie tun sollten, anstatt ihnen dabei zu helfen, das zu fördern, was sie eigentlich tun. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Organisation von einer Generation dominiert wird, die aus einer Zeit stammt, in der die Dinge noch so liefen. Das ist gut so. Doch heute ist das eben nicht mehr so. Und auch das ist gut so.
Mit DMY als Organisator des Designpreises der Bundesrepublik Deutschland wird der Wettbewerb wahrscheinlich nicht nur moderner, sondern auch demokratischer und offener gestaltet werden – vor allem durch den All-Inclusive-Preis von 350 Euro. Durch diese relativ geringe Gebühr wird es viel mehr kleineren Firmen und Designstudios möglich sein sich zu bewerben als bei den vielen anderen Designpreisen, bei denen Designer oft tausende Euro für den Gewinn zahlen müssen.
(Eine kurze Anmerkung für alle, die das nicht wissen: Einen Designwettbewerb zu gewinnen ist sehr teuer. Es gibt beispielsweise einen Wettbewerb, bei dem die Sieger eine „Gewinngebühr“ in Höhe von 2800 Euro zusätzlich zu obligatorischen Kosten für Katalogeinträge bezahlen müssen – und natürlich die Teilnahmegebühr. Das stellt natürlich für jeden, der nur über ein eingeschränktes Budget verfügt, eine große Hürde dar.)
Es ist natürlich auch möglich, dass DMY Berlin den Wettbewerb verbockt und das Ganze in einem Disaster endet. Dieses Risiko besteht immer, wenn man den Partner wechselt. Das werden wir aber erst Mitte Mai wissen, wenn Details darüber bekannt gegeben werden, wie viele Anmeldungen eingegangen sind, von wem und aus welchen Disziplinen.
Doch wenn man sich das vom DMY entwickelte Konzept mal ansieht und es sowohl mit dem, was vorher war, vergleicht als auch mit all den anderen Designpreisen in Deutschland, so sehen wir eine reale Chance den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland wiederzubeleben und dem deutschen Design sowie den deutschen Designern dabei zu helfen, sich besser auf dem Weltmarkt zu präsentieren.
Wir schlagen vor, der Rat für Formgebung lässt den Ball einfach da liegen, wo er ist, und akzeptiert seine Postion am Flügel…
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