Stiftung Bauhaus Dessau: Kibbuz und Bauhaus

„…ich werde nie vergessen, welche Schrecken ich bekam, als ich zum ersten Mal in einer der alten Kwuzoth kam, nach Degania A. Sie war geradezu ein Musterbeispiel für falsche Planung. Der Wind traf dort zuerst die Dungstätten, brachte von dort Fliegen und Gestank zunächst zu den Ställen und von dort vermehr [sic] zur Küche, nahm die dortigen Düfte auf und brachte das ganze Gemisch zu den Speisesälen und Wohnhäusern.“1

In seiner lebhaften Beschreibung der Bedingungen in Degania A – dem ältesten israelischen Kibbuz – macht der israelische Architekt Richard Kaufmann auf eindringliche Weise deutlich, dass die frühen Kibbuze noch sehr, sehr weit davon entfernt waren, die Häfen der Ruhe mit den sorgsam angelegten Gärten von heute zu sein.
Ein wichtiger Faktor, der zu einem Wandel diesbezüglich beitrug, war das Bauhaus; ein Einfluss, der derzeit in der Ausstellung „Kibbuz und Bauhaus“ am Bauhaus Dessau nachvollzogen werden kann.

Im Laufe der Jahre, zwischen den 1920ern und 1930ern emigrierten ungefähr 24 Studenten entweder nach Palästina, nachdem sie am Bauhaus Dessau studiert hatten oder sie kamen aus Palästina nach Dessau, um für einige Semster am Bauhaus zu studieren.  Die Biografien von sieben dieser Architekten sollen in der Ausstellung dargestellt werden.

Losgelöst von der viel weiter gefassten Ausstellung „Kibbuz – Architektur ohne Vorbild“ des israelischen Pavilions auf der Biennale Venedig 2010, beginnt „Kibbuz und Bauhaus“ bei der Einführung dieser sieben Kibbuznik aus dem Bauhaus Dessau, bevor die Natur und Struktur eines der ursprünglichen Kibbuze en détail erklärt wird und schließlich eine Einschätzung der aktuellen Situation der Kibbuzbewegung abgegeben wird.

Trotz allem beschäftigt sich „Kibbuz und Bauhaus“ aber in erster Linie mit der Verbindung zwischen den beiden Phänomenen.

Geht man durch die Ausstellung, wird einem unentwegt deutlich, wie sehr sich die beiden Bewegungen ähnelten und ergänzten, wie vereint sie in ihrem „Wir können die Welt verändern und werden es euch zeigen.“-Revolutionsansatz waren.

Aber auch in der kalten Logik, die das Planen von Projekten erfordert oder in der Universalität der Ideale kann man viele Parallelen und Schnittstellen erkennen. Das könnte einen glatt dazu verführen zu behaupten, dass das Bauhaus Dessau so ziemlich das beste war, was der Kibbuzbewegung passieren konnte. Der Rahmen von „Kibbuz und Bauhaus“ ist jedoch nicht weit genug gefasst, um solch eine These rechtfertigen zu können. Das ist aber auch gar nicht das Ziel. Das Ziel ist es, einen Blick auf einen Aspekt der Bauhausgeschichte in Dessau einschließlich der Biografien einiger seiner Absolventen zu werfen. Und das ist „Kibbuz und Bauhaus“ sehr gut gelungen.

„Kibbuz und Bauhaus“ wird zusammen mit Yuval Yasky und Galia Bar-Or, den Urhebern von „Kibbuz – Architektur ohne Vorbild“ auf der Biennale, kuratiert. Dabei ermöglicht die Ausstellung nicht nur den Blick auf einen Aspekt, dem sonst weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird – dem globalen Einfluss des Bauhauses, sondern ist auch eine Gedankenstütze, warum die Kibbuzbewegeung so wichtig war. Hier zeigt sich außerdem einmal mehr, wie schade es ist, wenn Ideale von damals und längst gelernte Lektionen aus frühen Experimenten zunehmend ignoriert werden und letztlich in Vergessenheit geraten.

Auch das könnte als Verbindung der Kibbuzbewegung zum Bauhaus verstanden werden.

Kibbuz und Bauhaus ist noch bis zum 9. April 2012 in der Stiftung Bauhaus Dessau zu sehen. Weitere Informationen gibt es unter www.bauhaus-dessau.de

1. Aus „Geplante Siedlung: Gespräch mit Richard Kaufmann in Jüdische Rundschau 47 (15. Juni 1937)“, wie in der Ausstellung Kibbuz und Bauhaus in der Stiftung Bauhaus Dessau zitiert, 2011.

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