Auf der Fuori Salone Milano 2011 haben wir Moormann beim Stand-Aufbau geholfen. Dabei mussten wir natürlich die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und ein wenig mit Firmengründer und Namensgeber Nils Holger Moormann plaudern.
Mal als Autodidakt, Pionier oder Provokateur bezeichnet, ist Nils Holger Moormann für uns einfach ein angenehmer Zeitgenosse und Garant für kluge und ziemlich eigensinnige Gespräche.
Im Laufe des Interviews haben wir über die neuen Produkte, den aktuellen Stand der Möbelbranche und – in Anbetracht dessen was uns im Oktober erwartet – über Messen gesprochen.
smow: Muss man als Möbelhersteller auf Messen gehen? Lohnt sich insbesondere Mailand?
Nils Holger Moormann: Das ist immer die große Frage. Aber für uns ist Mailand sehr wichtig, weil wir jede Menge Exportgeschäft haben und hier mit Kunden in Kontakt kommen, die wir sonst im Laufe eines Jahres nie treffen würden. Es ist nur problematisch in Mailand einen Platz zu bekommen. Wir haben wieder diesen winzig kleinen Stand hier. Jedes Jahr kämpfen wir um einen größeren Stand – ohne Erfolg…
smow: Haben Sie mal darüber nachgedacht von den Messehallen in die Stadt zu ziehen?
Nils Holger Moormann: Nicht wirklich. Ich finde Mailand hochinteressant, aber es ist inzwischen am Rande des Wahnsinns: So viele Nebenveranstaltungen kann ein normaler Mensch gar nicht schaffen. Da muss man sich eine Woche Urlaub nehmen und selbst dann schafft man es nicht. Wenn wir etwas machen, dann mit großem Einsatz. Jedes Detail ist sehr lange überlegt – auch wenn es sehr einfach aussieht. Alles muss bei uns stimmen. Von daher wäre es tragisch, wenn zu wenig Besucher kommen würden. Hier auf der Messe hat man aber die Garantie dass viele Besucher und vor allem auch die internationale Presse kommen.
smow: Wie viel Nils Holger Moormann steckt eigentlich in so einem Stand?
Nils Holger Moormann: Wir haben jedes Jahr das gleiche Problem: ein Thema zu finden. Möbel herzustellen oder zu verkaufen ist die eine Sache, aber das machen alle anderen ja auch. Deswegen ist es umso wichtiger eine schöne Geschichte zu erzählen, die den Messestand mit dem Unternehmen verbindet. Das schwierigste ist diese Geschichte zu erfinden, denn sie muss ja auch was mit uns zu tun haben und darf nicht nur Show sein. Wir sind in diesem Jahr wieder fest davon ausgegangen dass wir einen mindestens doppelt so großen Messestand bekommen und hatten das Konzept entsprechend geplant. Dann kam die Information, dass es wieder nur der kleine Stand wird. Das war wirklich ein Schock.
Also brauchten wir eine neue Idee, die kam in diesem Fall tatsächlich von mir. Ich war inspiriert davon, dass alle nur noch Neuigkeiten zeigen. Das ist zwar spannend, aber auch idiotisch, denn Möbel brauchen Zeit. Sie müssen ausdefiniert werden und man muss ganz viel darüber nachdenken. Dieses schnell schnell neu machen birgt die Gefahr so zu enden wie die Modebranche mit zwei oder drei oder vier Kollektionen pro Jahr. Das kann es doch nicht sein. Also haben wir uns gedacht, ok wir machen mit. Wir zeigen zwölf Neuigkeiten, aber die meisten davon sieht man nicht, da sie z.B. aus 2028 sind. Ich schaffe unheimlich gern einen Ort mit Humor, an dem man staunen kann und überlegt “Meint der das ernst?”… Das finde ich fast genauso wichtig wie gute Produkte.
smow: Aber es gibt tatsächlich zwei reale neue Produkte.
Nils Holger Moormann: Ja, oder zumindest anderthalb. Es gibt ein kleines Tischchen namens Minimato. Und sonst konzentrieren wir uns total auf ein für uns äußerst ungewöhnliches Teil. Ich persönlich möchte seit ein paar Jahren wieder mehr Blechmöbel machen. Die Kunden haben das schon wieder vergessen, aber vor 15 Jahren haben wir fast nur Blechmöbel gemacht. Ich finde das Material hochinteressant. Momentan sind wir an dem Pressed Chair von Harry Thaler dran – einem jungen Südtiroler der das am Royal College in London gemacht hat – was mich vollkommen fasziniert. Und es geht der ganzen Firma so – wohlwissend, dass die Fallhöhe gigantisch ist. Da ist so viel technisches Engineering drin, was an die Grenzen geht.
Aber wir wollen das alle und haben ein Netzwerk geschaffen von Verrückten, denn für solch ein Projekt braucht man Verrückte. Es ist kein Auftrag, bei dem man sagen kann “Machen Sie mir bitte diesen Stuhl!” Eher wird gesagt “Das funktioniert nie im Leben, aber wir können ja mal ein Bier zusammen trinken gehen.“ Geld spielt dabei überhaupt keine Rolle. Man trifft sich, trinkt was, trifft sich wieder bis man die Person soweit hat. Und das macht noch viel mehr Spaß, wenn man es auf unkonventionelle Art und Weise angeht, und nicht klassisch Geld in die Hand nimmt, sich einen Hersteller sucht, das Geld zahlt und loslegt. Bei uns ist es vergleichbar mit einer verrückten Bergtour. Aber sie macht Spaß.
smow: Sind Sie regelmäßig in der Werkstatt?
Nils Holger Moormann: Ununterbrochen! Es geht gar nicht anders. Derjenige, der jetzt daran arbeitet, ist ein Freund von mir mit einer ganz ganz kleinen Firma, aber dafür einem großen Netzwerk von Spezialisten die mit speziellem Wissen aushelfen. Wie mit allen Dingen, die man aus Neugier und Faszination tut, ist es mehr ein Hobby geworden. Da macht man schon mal die ganze Nacht durch ohne es zu merken.
Das ist eben der Unterschied, als wenn man nur für Geld arbeitet und irgendwann merkt, dass man eigentlich andere Dinge machen möchte.
Bis jetzt ist das eine sehr glückliche Fügung. Aber mal schauen! Ich habe erst gestern wieder mit ihm telefoniert, weil ich ein bisschen nervös geworden bin. Es gibt immer neue Probleme. Man muss sich das so vorstellen, wie eine Besteigung des Mount Everest mit zwei Kästen Bier und ohne Sauerstoff…
smow: … aber dann merkt man wenigstens nicht, dass man keinen Sauerstoff hat…
Nils Holger Moormann: Stimmt.
smow: Was ist, wenn sich das Risiko nicht auszahlt?
Nils Holger Moormann: Dann ist es eben so. Ich glaube, dass heute die Firmen auch deswegen so langweilig werden, weil sie nur Show machen und zeigen, wie toll, bunt und “verrückt” sie sind. Aber wir meinen den Stuhl wirklich super “basic”. Er ist uns wichtig. Er ist keine Show.
Klar gibt es ein Risiko. Aber das ist auch der Kick. Sonst könnte es ja jeder machen.
Ich will auf keinen Fall aufgeben, was wir hier haben. Dieses spezielle Gefühl einer ungewöhnlichen Bergtour mit ungewöhnlichen Mitteln, bei der man trotzdem ans Ziel kommt.
Wir sind eigentlich ziemlich sicher, dass wir es schaffen.
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