Möbelmesse Mailand 2011: Time to say goodbye?

Nils Holger Moormann's critique on the vagaries of the designer furniture industry.

Nils Holger Moormanns Kritik an den Launen der Designmöbelbranche

Wie alle wissen sind wir keine großen Fans von Mailand.

Die Stadt lieben wir, die Größe und die Kosten ihrer Möbelmesse und der Design Week allerdings nicht.

Vor ein paar Monaten haben wir mit Giulio Cappellini gesprochen, einem der „Mailänder Designlegenden“. Er meinte, Mailand müsse darauf achten, nicht zu groß zu werden.

Ein Design Festival bei dem es körperlich unmöglich ist alles zu sehen, ist für uns schon sehr nah an der Definition von „zu groß“.

Ehrlich gesagt, möchten wir auch gar nicht alles sehen. Es wäre nur schön wenn man die Chance dazu hätte.

Und so bestand unsere größte Herausforderung auf der diesjährigen Möbelmesse darin „50 reasons not to leave Fuorisalone Milan Design Week“ zu finden.

Es ist uns nicht gelungen.

Momentan gibt es einfach zu wenig gute Gründe, die die Existenz der Mailänder Möbelmesse in der jetzigen Form rechfertigen würden.

Dafür aber drei für uns sehr gute Gründe den ganzen Wahnsinn zu beenden:

1. Es gibt zu viele alte Produkte auf der Messe.

2. Sie ist ökologisch nicht vertretbar.

3. Es ist ein sich selbst erhaltender Hype geworden.

1. Es gibt zu viele alte Produkte auf der Messe.

Mailand hat bereits ein Design Museum, die jährliche Möbelmesse muss also keins werden. Unserer Meinung nach sollte sich eine Möbelmesse mit neuen Produkten und neuen Entwicklungen befassen und nicht die bereits existierenden Fakten feiern. Ein gutes Beispiel dafür ist Kartell, die ca. 30% ihres Standes in diesem Jahr neuen Produkten widmeten und 70% etablierten Kartell Top-Sellern. Und damit waren sie nicht allein. Wieder einmal gab es zu viele bekannte Gesichter in Mailand. Wir meinen daher, dass es eine striktere (Selbst-)Kontrolle der Organisatoren und der Hersteller geben sollte, um sicherzustellen das ausgestellte Sachen hauptsächlich neu sind. Und bedeutend. Denn letzten Endes haben alle etwas davon, wenn die Fiera kleiner, innovativer und fokussierter ist.

2. Sie ist ökologisch nicht vertretbar.

Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 haben wir uns ausführlich mit der Ökokampagne „Green Goals“ und dem generellen Einfluss von großen Sportveranstaltungen auf die Umwelt befasst. Eine Möbelmesse ist eine vergleichbare Veranstaltung. Zum Einen werden extrem Ressourcen verbraucht um die Aussteller, Besucher, Journalisten und Waren nach Mailand zu transportieren, zum Anderen gibt es die Unmengen an Infomaterial, Presse CDs, Einladungen usw., die größtenteils eh im Müll landen. Exemplarisch sei hier die PVC-Tragetasche von Tom Dixon und Blackberry genannt, die nur ein Poster der Tom Dixon Kollektion enthielt.

Dafür dass die Branche vorgibt, aus unserer Welt einen besseren Ort machen zu wollen, machen sich die wenigsten Designer Gedanken über die ökologischen Auswirkungen ihrer jährlichen Zusammenkunft oder darüber wie man sie reduzieren könnte.

Vielleicht machen sie sich auch Gedanken, mögen aber die offensichtliche Schlussfolgerung nicht…

3. Es ist ein sich selbst erhaltender Hype geworden.

Und daher definitionsgemäß unbedeutend.

Man muss nach Mailand. Weil es Mailand ist. Und was ist das Ergebnis von Mailand? Dass man nach Mailand muss. Weil es Mailand ist.

Konstantin Grcic hat davon gesprochen, dass Mailand einen bestimmten Rhythmus in das Jahr eines Designers bringt. Wir verstehen, worauf er und die vielen anderen, die ähnlich argumentieren, hinaus wollen. Aber wir können dem nicht zustimmen.

Dass ein Möbelhersteller darauf wartet, ein Möbel auf einer speziellen Messe zu veröffentlichen ist ok. Aber muss es Mailand sein?

Eine Tatsache die in Mailand oft angesprochen wurde und die uns tarurig macht, ist dass viele Designer und Hersteller aus dem deutschen Raum die IMM Cologne aufgegeben haben (oder aufgeben werden).

Denn sei es in Köln, Stockholm, London, Eindhoven oder wo auch immer … es gibt es mehr als genug etablierte nationale Designwochen und Messen, auf denen neue Kollektionen und Produkte gezeigt werden können.

Die modernen Medien, die Designer oder Möbelhersteller brauchen, sind heutzutage zumeist online und werden von Design Blogs, Twitter, Facebook etc. dominiert. Deshalb macht es für die Produzenten auch kaum einen Unterschied, wo ein Stuhl veröffentlicht wird – solange sie und die Messeorganisatoren alles richtig machen.

Das ist die Richtung die die Möbelbranche unserer Meinung nach einschlagen sollte: weniger Hersteller in Mailand, mehr auf ihren „lokalen“ Shows. Wenn die Verteilung wieder ausgewogen ist, gibt es auch für junge Designer und kleinere Hersteller wieder mehr Raum und mehr Möglichkeiten, sie zu hören, sie zu sehen und sie zu genießen.

Wer aber macht den ersten Schritt und geht nicht mehr nach Mailand?

Und können Messen wie die IMM Cologne eine attraktive Alternative sein? Das war zuletzt leider nicht der Fall.

Nur um das noch einmal klar zu stellen: Wir wollen nicht das Ende von Mailand.

Wir sind keine Monster.

Nur muss es eine ernste Diskussion darüber geben, ob die Messe in die richtige Richtung geht, ob sie nach 50 Jahren überhaupt noch etwas Erstrebenswertes erreicht, was wirkliche Alternativen sind und was passiert, wenn die Branche beschließt das Biest weiter zu füttern.

Denn falls Mailand implodiert, …

fuorisalone-milan-design-week-2011

Möbelmesse Mailand - 50 Jahre alt und immer noch in Fahrt. Aber in die richtige Richtung?