Auch wenn der Marianne Brandt Wettbewerb sich nach außen um Marianne Brandt dreht, so stand die Preisverleihung am Freitag in Chemnitz unter einem anderen Stern
„Chemnitz – Stadt der Moderne“
Jede einzelne Ansprache drehte sich um „Chemnitz – Stadt der Moderne“ und wurde so oft wiederholt, ad nauseum ad infinitum, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass wenn man es nur oft genug wiederholt, dass es auch wahr wird.
„Ich will ein Pony!“ „Ich will ein Pony!“ „Ich will ein Pony!“ „Ich will ein Pony!“ „Ich will ein Pony!“
Nicht dass wir etwas gegen das Stadtmarketing hätten, die Basis auf der der Claim von Chemnitz aufbaut ist nur sehr dünn. Und das mit der Bestätigung von Chemnitz selbst, wo Modernismus mit modern verwechselt wird.
Die Ironie der ganzen Sache ist, dass man aus der Rede von Bürgermeisterin Barbara Ludwig hören konnte, dass Marianne Brandt eigentlich ein starker Character allein für sich selbst ist.
Man muss eine solche Veranstaltung nicht auf Biegen und Brechen mit „Chemnitz – Stadt der Moderne“ verbinden, wenn das Publikum schlau genug ist, zu wissen, dass es sich hierbei hauptsächlich um Stadtmarketing handelt.
Das Vermächtnis von Marianne Brandt scheint so viel heller.
Glücklicherweise folgten die Gewinner dem Geist der Marianne Brandt.
Der Fotografiepreis zum Beispiel ging an die Düsseldorferin Alexandra Grein für ihre wundervolle Collagenserie „Terra“. Erdacht als eine Homage an Caspar David Friedrich wurden die einzelnen Bilder aus „Terra“ aus Satellitenbildern von den Orten der Inspiration aus seinem Leben.
Die Collage als Disziplin der Fotografie wurde von Marianne Brandt oft eingesetzt. Alexandra Grein hat diese Disziplin „verbauhaust“ in dem Sie moderne Computertechnologie und Satellitenbilder einbrachte.
Auch der Hauptpreis der Kategorie Produktdesign hätte von Brandt oder einer ihrer Zeitgenossen stammen können.
Der Kolibri Mechthild von Christoph Schmidt ist, wenn wir ehrlich sind, nichts weiter als ein bisschen Origami mit einer Büroklammer im Rücken.
The Eames DSR ist auch nur ein Stuhl.
„Mechthild“ entstand aus der Idee heraus, dass Christoph Schmidt die kleinen Löcher in seiner Wand nicht mit Gips oder darübergehängten Fotos kaschieren wollte.
„Mechthild“ füllt nicht nur das Loch; „Mechthild“ nutzt das Loch um etwas neues zu schaffen. Damit macht er nicht nur aus einem Problem eine Chance, sondern zeigt auf wundervolle Weise was man erreichen kann, wenn man mit Gegenheiben arbeitet, die konventionellen Designtheorien aber verlässt.
Das ist genau das, was uns das Bauhaus gelehrt hat.
Was uns besonders an „Mechthild“ gefällt, ist das es mit dem Licht von Algue von Ronan und Erwan Bouroullec „Mechthild“ Schatten an die Wand wirft, die sich mit veränderten Lichtverhältnissen im Raum über den Tag auch verändern und so eine aktive Rolle im Interior Design einnehmen.
Der Höhepunkt der Zeremonie war definitv die Präsentation des (smow)-USM Haller Spezialpreis an die Berliner Designerin Tonia Welter und ihre USB-Schmuckkollektion und der(smow)-Vitra Spezialpreis an Caspar Huckfield für seinen Fahrradsattel.
Aber mehr zu Tonia Welter, Caspar Huckfeld und Christoph Schmidt zu einem späteren Zeitpunkt.
Als wir in der Eröffnungveranstaltung saßen haben wir schon befürchtet, dass Chemnitz das Image einer seiner größten Stars durch übertriebenes Stadtmarketing verspielt.
Aber als wir die Oper verließen war unsere Laune viel besser.
Nicht nur, dass die Preisgewinner Marianne Brandts Erbe verstanden, auch die musikalische Einlage eines Gedichts von Marianne Brandt verdeutlichte auf schöne Weise, dass auch die Veranstalter ihr Handwerk verstehen.
Wir können nur hoffen, dass es in der Zukunft so schön weiter geht – und Chemnitz sich einen neuen passenderen Slogan überlegt.